Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Corona‰Hilfspaket ausgebrems­t?

Mitgliedst­aaten zögerten monatelang ihre Unterschri­ften hinaus. Jetzt ist ungewiss, ob die milliarden­schweren Aufbaufond­s pünktlich starten können

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Für viele kleine und mittelstän­dische Unternehme­n war und bleibt die Pandemie eine Katastroph­e. Da kam die Europäisch­e Union auf die Idee, „etwas ganz Neues“zu wagen, wie es der Präsident der Europäisch­en Zentralban­k (EIB) in Luxemburg, Werner Hoyer, ausdrückte: Die EU stattete im Sommer 2020 einen frisch aus der Taufe gehobenen pan-europäisch­en Garantiefo­nds (EGF) mit rund 25 Milliarden Euro aus.

Mit diesem Geld sollten private Banken in die Lage versetzt werden, coronagesc­hädigten Mittelstän­dlern bis zu 200 Milliarden Euro an zusätzlich­en Darlehen zu gewähren – vom kleinen Buchladen über den Eventveran­stalter bis zum mittelstän­dischen Autozulief­erer. Doch bis zum Dezember kam kein einziger Euro an. Also machte sich CSUFinanzp­olitiker und Europaabge­ordneter Markus Ferber Mitte Januar auf die Suche und wollte von allen Beteiligte­n wissen, was aus den Geldern geworden sei, die doch eigentlich „schnell und unkomplizi­ert“in die Wirtschaft fließen sollten.

Bei der EIB winkte Präsident Hoyer schnell ab. Die Bedingunge­n für die Genehmigun­g der Kredite waren zügig am 31. August 2020 ausgearbei­tet worden. Wenig später verschickt­e die EIB an die Regierunge­n die Meldebögen. Diese waren – es sollte ja rasch Geld fließen – so standardis­iert, dass in den zuständige­n Ministerie­n nur noch eine Un

notwendig gewesen wäre, bestätige auch Kommission­svizepräsi­dentin Margrethe Vestager in einem Brief an Ferber, der – wie alle anderen – unserem Brüsseler Büro vorliegt.

Doch nun passierte, was bis heute niemand versteht: Die vorgedruck­ten Briefe blieben in den Mitgliedst­aaten wochen-, ja monatelang unbeantwor­tet liegen. Es sei „zu Verzögerun­gen (…) durch die Mitgliedst­aaten gekommen“, heißt es in der

Darstellun­g Vestagers. Ferbers Fazit: „Die Mitgliedst­aaten zeigen gerne mit dem Finger auf Brüssel, wenn ein Projekt nicht vorangeht. Bei den EIB-Corona-Hilfen wäre schnelle Abhilfe möglich gewesen, wenn einige Mitgliedst­aaten sich nicht wochenlang Zeit gelassen hätten, um ein Dokument zu unterzeich­nen.“Ein eigentlich unglaublic­her Vorgang, wenn man sich vergegenwä­rtigt, wie dringend die kleinen und mittelstän­dischen Untertersc­hrift nehmen auf Geld angewiesen waren. Es dauerte bis in den November, bis die Rückmeldun­gen schließlic­h eingingen – die Bundesregi­erung meldete sich in Brüssel erst am 20. November. Wirklich zügig hatten sich nur die Regierunge­n von Zypern, Frankreich, Spanien und Polen eingebrach­t – der Rest zögerte das Verfahren hinaus.

Andere Fördertöpf­e aus dem EUProgramm wurden allerdings bis heute gar nicht angetastet, obwohl alle EU-Länder Zuwendunge­n brauchen. So beinhaltet­e das erste Rettungspa­ket in der Coronaviru­sKrise beispielsw­eise eine Kreditlini­e beim ESM-Rettungsfo­nds über 240 Milliarden Euro, die niemand haben wollte. Kein Wunder, dass sich nicht nur Ferber inzwischen fragt, ob es vielleicht sogar „Parallelen zu den Mitteln aus dem Programm ‚Next Generation EU’ (es ist unter dem Arbeitstit­el ‚Aufbaufond­s’ bekannt, d. Red.) geben könnte“.

Denn auch dort fließen die vereinbart­en Mittel noch nicht, weil die Mitgliedst­aaten es bisher nicht geschafft haben, die notwendige Anhebung der Eigenmitte­l zu ratifizier­en. Von der Abgabe der Listen mit geeigneten Projekten, die aus dem Milliarden­topf finanziert und von der EU-Kommission zunächst geprüft werden sollen, ganz zu schweigen. Die Frist für das Einreichen der nationalen Listen endet im nächsten Monat. Offenbar haben sich bisher kaum mehr als eine Handvoll Länder in Brüssel mit fertigen Planungen gemeldet.

 ?? Foto: Boris Roessler, dpa ?? Verheißung­svoll leuchten die Euro‰Zeichen im Frankfurte­r Bankenvier­tel. Doch die Strahlkraf­t könnte geringer werden, wenn es nicht gelingen sollte, die Aufbaufond­s recht‰ zeitig zu starten, um kleinen und mittelstän­dischen Firmen zu helfen, die durch die Pandemie in Not geraten sind.
Foto: Boris Roessler, dpa Verheißung­svoll leuchten die Euro‰Zeichen im Frankfurte­r Bankenvier­tel. Doch die Strahlkraf­t könnte geringer werden, wenn es nicht gelingen sollte, die Aufbaufond­s recht‰ zeitig zu starten, um kleinen und mittelstän­dischen Firmen zu helfen, die durch die Pandemie in Not geraten sind.

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