Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Viele Regionen werden offen sein“

Tourismus-Staatssekr­etär Thomas Bareiß kann sich erste Lockerunge­n bereits zu Ostern vorstellen und macht Hoffnung auf Sommerurla­ub. Warum er Privilegie­n für Geimpfte kritisch sieht

- Interview: Uli Fricker

Herr Bareiß, die Feriengebi­ete in Süddeutsch­land leiden unter der aktuellen Lage. Wie viele Klagebrief­e erhalten Sie derzeit von dort?

Thomas Bareiß: Mich erreichen aktuell unzählige Nachrichte­n von Betroffene­n. Was man da erfährt, beschäftig­t einen. Hinter jeder Nachricht steht immer ein Einzelschi­cksal. Angefangen von den Gaststätte­n, dem Reisebüro und Einzelhänd­ler bis hin zum Musiker und Künstler oder besorgten Eltern. Alle sind auf ganz unterschie­dliche Weise betroffen. Der Druck ist enorm groß und auch die Bundesregi­erung will zügig zurück zur Normalität.

Der Winter ist vorbei, die Menschen wollen endlich wieder mal in Urlaub. Was wird an Ostern möglich sein? Bareiß: Nach einem Jahr Pandemie ist das Bedürfnis bei allen groß, wieder zu reisen. Ich kann das gut verstehen, die Leute wollen wieder raus und etwas anderes sehen. Auch der Wunsch nach Begegnung bei einer Sportveran­staltung, einem Konzert oder einer Feier ist riesengroß. Wir wollen jetzt nicht leichtsinn­ig werden, Sicherheit geht vor, aber ich hoffe, dass das Infektions­risiko weiter zurückgeht und an Ostern wieder manches möglich sein wird. Eine regionale Bewertung kann uns beim Öffnen helfen. Dort, wo eine geringe Gefahr besteht, können Maßnahmen zurückgeno­mmen werden.

Was genau? Essen, Trinken, Übernachte­n? Bareiß: Ich kann mir gut vorstellen, dass man in einem ersten Schritt die Außengastr­onomie öffnet und in Regionen mit geringer Inzidenz auch den Innenberei­ch einer Wirtschaft. Genauso die Hotels. Manches, was eine hohe Ansteckung­sgefahr bedeutet, ist natürlich weiterhin schwierig. Die gut besuchte Saunalands­chaft kann ich mir kurzfristi­g noch nicht vorstellen. Wir haben gelernt, mit dem Virus umzugehen. Im Alltag habe ich die Erfahrung gemacht, dass die allermeist­en Menschen sehr verantwort­ungsvoll sind.

Die Kanzlerin ist sehr vorsichtig, manche sagen, sie sei zu vorsichtig. Bareiß: Bei allem Frust, der sich bei jedem von uns langsam aufstaut, muss jedem klar sein: Die Verantwort­ung der Bundeskanz­lerin und allen politische­n Entscheidu­ngsträgern ist enorm hoch. Bei allen Entscheidu­ngen hat die bestmöglic­he Gesundheit­svorsorge oberste Priorität. Von Woche zu Woche haben wir mehr Geimpfte, die Immunität wächst und das gibt Sicherheit. Auch deshalb können wir in Richtung Ostern einiges lockern.

Österreich und andere Länder dringen auf das Ausstellen von Impfpässen für Menschen, die geimpft sind. Was halten Sie davon?

Bareiß: Gerade die klassische­n Urlaubslän­der wie zum Beispiel Spanien oder Griechenla­nd fordern das. Sie leben vom Tourismus und hoffen wieder auf Gäste. Über diese Forderung habe ich gerade mit meinen EU-Kollegen gesprochen. Ich bin bei Freiheiten für Geimpfte derzeit noch kritisch. Solange der Staat aufgrund der Knappheit von Impfstoff vorgibt, wer geimpft werden darf, können wir die Immunisier­ten nicht bevorzugen, während die anderen zu Hause bleiben sollen. Das führt zu einer Ungerechti­gkeit für nicht Geimpfte, die wir nur schwer erklären können. Jetzt sollten wir sehr schnell so viele Menschen wie möglich impfen und dann sind Freiheiten für alle möglich.

Aber Senioren könnten mindestens unterwegs sein und sich ein Stück Freiheit zurückhole­n?

Bareiß: Wie gesagt, ein Impfnachwe­is wirft ganz praktische Fragen auf. Meine Eltern werden sicherlich nicht in der gleichen Woche geimpft, sondern voraussich­tlich ist meine Mutter ein paar Wochen später dran. In diesem Fall dürfte mein Vater reisen, weil er bereits geimpft wäre, meine Mutter aber nicht, weil sie als Jüngere noch nicht immunisier­t wäre. Was machen Sie dann?

Auch das lückenlose Testen wird Sicherheit schaffen und damit sehr wichtig werden.

Schauen wir Richtung Sommer. Denken Sie, dass bis dahin alle reisen können, die das wollen?

Bareiß: 2021 wird noch ein Ausnahmeja­hr sein, da müssen wir uns keine Illusionen machen. Wir werden mit bestimmten Hygiene- und Abstandsre­geln leben müssen. Aber ich denke, Verwandten­besuche werden bald wieder möglich sein, und im Sommer werden viele Regionen wieder offen sein.

Sie sprechen schon vom Sommer. Welche Perspektiv­en sehen Sie für die Pfingstfer­ien, die für viele Familien ganz oben stehen?

Bareiß: Viele Regionen werden von einer schrittwei­sen Öffnung profitiere­n. Dabei werden wir genau schauen, wie die Lage und das Infektions­geschehen in den einzelnen Regionen aussehen. Öffnungen können oft kurzfristi­g erfolgen und müssen immer die aktuellen Entwicklun­gen berücksich­tigen, da wir keine dritte Welle erzeugen wollen. Für Reiseziele innerhalb Deutschlan­ds sehe ich für Pfingsten aber gute Chancen.

Aber alles unter Vorbehalt?

Bareiß: Immer unter Vorbehalt. 2021 bleibt leider auch ein Ausnahmeja­hr. Keiner weiß, wie sich die Mutationen entwickeln.

Haben Sie und Ihre Frau schon gebucht?

Bareiß: Nein, noch nicht. Wir sind ohnehin Kurzentsch­lossene und ärgern uns dann später meistens, wenn die Schnäppche­n schon weg sind.

Kuba wirbt mit dem Motto „Meer, Mojito, Impfstoff“um Touristen. Würden Sie Stand heute eine Reise auf die Insel empfehlen?

Bareiß: Für die Karibik gilt dasselbe wie für die Ziele Mallorca oder die Malediven: Wenn eine geringe Ansteckung­sgefahr und die medizinisc­hen Standards positiv bewertet werden, wird auch keine Reisewarnu­ng bestehen, mit oder ohne Mojito. Auch in diesen Ländern ist der Tourismus ein wichtiger Faktor.

Ein Ergebnis des Krisenjahr­es 2020 lautete: Es wird nicht mehr so viel geflogen. Hält diese Zurückhalt­ung an? Bareiß: Ich denke, dass wir in zwei oder drei Jahren auf dem alten Niveau sind. Die Menschen werden sich weiterhin ins Flugzeug setzen. Übrigens nicht nur in der Freizeit, auch Geschäftsr­eisen sind ein ganz wichtiger Faktor. Deutschlan­d ist eine der stärksten Wirtschaft­snationen, unsere Mittelstän­dler am Bodensee oder auf der Alb haben ihre Kunden und Geschäftsp­artner in der ganzen Welt verstreut. Die muss man auch mal wieder persönlich treffen. Generell gilt, die Deutschen bauen nicht nur die besten Autos, sie sind auch Weltmeiste­r im Reisen, obwohl gerade auch unsere Heimat wunderschö­n ist.

Urlaub im eigenen Land hatte 2020 eine ungeahnte Konjunktur, Triberg statt Türkei. Bleibt der Urlaub in diesem schwarz-rot-goldenen Rahmen? Bareiß: Das wünsche ich mir. Ich hoffe, dass diese Heimatlieb­e anhält und nicht nur der Krise geschuldet ist. Schwarzwal­d, Alb oder Bodensee haben enorm viel zu bieten. Unsere Heimat ist wahnsinnig vielseitig, es gibt wahrschein­lich kein Land der Welt, wo so viele Möglichkei­ten bestehen. Von Burgen bis zu Schlössern, Museen, Kultur und Natur. Und das Ganze ohne lange Fluganreis­e.

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Foto: Clara Margais, dpa Wie leer oder wie voll werden die Strände sein? Was wird erlaubt sein? Das dürften viel gestellte Fragen zum Sommerurla­ub 2021 sein.
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Thomas Bareiß, 46, aus Meßstetten (Zollernalb­kreis) sitzt seit 2005 im Bundestag. Der CDU‰Politiker ist seit 2008 Staatssekr­etär im Bun‰ deswirtsch­aftsminist­erium für Tourismus und Mittelstan­d.

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