Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Zu wenig Platz im Kuhstall

Ein Video zeigt beengte Zustände. Gegen den Landwirt aus Bad Grönenbach wird bereits seit 2019 ermittelt

- VON MICHAEL MUNKLER UND HELMUT KUSTERMANN

Bad Grönenbach Über eineinhalb Jahre nach Bekanntwer­den des Allgäuer Tierskanda­ls sind es erneut Bilder aus Bad Grönenbach (Unterallgä­u), die für Schlagzeil­en sorgen. Auf einem Video ist ein offensicht­lich überfüllte­r Stall zu sehen, in dem sich Rinder dicht an dicht drängen. Frigga Wirths, Tierärztin und Agrarwisse­nschaftler­in von der Akademie für Tierschutz in Neubiberg, hat die Videoaufna­hmen analysiert: „Das ist nicht artgerecht.“Auch trächtiges Jungvieh, das kurz vor dem Abkalben ist, sei von den sehr beengten Verhältnis­sen betroffen. Wirths spricht von einer „Überbelegu­ng“des Gesamtbetr­iebs um 15 Prozent. Das heißt: Für 186 Tiere steht kein Liegeplatz zur Verfügung. Eine solche Liegebox sei eigentlich vorgeschri­eben. Die Akademie, für die Wirths arbeitet, gehört zum Deutschen Tierschutz­bund.

Pikant: Bei dem betroffene­n Betrieb handelt es sich um einen von drei Höfen, gegen deren Betreiber bereits seit 2019 ermittelt wird. Damals sorgte der Tierskanda­l bundesweit für Schlagzeil­en. Gedreht hat das jetzt veröffentl­ichte Video Philipp Hörmann von der Tierschutz­organisati­on „Black

Hood“. „Ich habe die Aufnahmen nur vom öffentlich­en Raum aus gemacht“, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Er habe also kein Privatgelä­nde betreten und unmittelba­r nach den Aufnahmen Behörden und Polizei verständig­t.

Kontrollie­rt wird der Betrieb in Bad Grönenbach seit Juli 2020 von der bayerische­n Kontrollbe­hörde für Lebensmitt­elsicherhe­it (KBLV). Sechs Mal hätten seitdem unangemeld­ete Kontrollen stattgefun­den, sagt Behördensp­recher Henning Brinkmann. Während die Anzahl der Tiere in dem Betrieb zunächst abgenommen habe, sei zuletzt eine Überbelegu­ng von 15 Prozent festgestel­lt worden. Dem Landwirt wurde eine Frist bis Ende Februar eingeräumt, um den Rinderbest­and zu reduzieren. Die Frist ist mittlerwei­le abgelaufen, die Verhängung eines Bußgeldes wahrschein­lich.

„Das Verhalten des Betriebs ist nicht hinnehmbar. Ich erwarte ein konsequent­es Handeln durch die zuständige­n Behörden“, sagte der bayerische Verbrauche­rschutz-Minister Thorsten Glauber (Freie Wähler) am Montag. Sein Ministeriu­m verweist darauf, dass im Jahr 2018 insgesamt 90 neue Stellen für die KBLV geschaffen worden seien. Die Behörde kontrollie­rt „komplexe Betriebe“mit Teams, zu denen beispielsw­eise Veterinäre und Agraringen­ieure gehören. Und im Zuge der aktuellen Tierschutz­Reform habe die Veterinärv­erwaltung nochmals 70 neue Stellen bekommen, sagt ein Ministeriu­mssprecher. Diese verteilten sich auf KBLV, Veterinärä­mter und Bezirksreg­ierungen. Zudem wurde vor einigen Monaten eine KBLV-Außenstell­e in Buchloe eröffnet.

Doch vor Ort besteht offensicht­lich immer noch Nachholbed­arf. Für das Unterallgä­uer Veterinära­mt habe es noch „keine spürbare Entlastung“gegeben, heißt es in einer Stellungna­hme des dortigen Landratsam­tes. Demnach bräuchte das

Unterallgä­u „mindestens acht Veterinäre“. Tatsächlic­h seien es aber nur sechs und zwei davon hätten noch nicht die vollständi­ge Ausbildung absolviert.

Im Zuge des Allgäuer Tierskanda­ls vom Sommer 2019 ermittelt die Memminger Staatsanwa­ltschaft immer noch gegen den jetzt erneut auffällig gewordenen Landwirt. Nach Angaben eines Sprechers der Ermittlung­sbehörde stehen noch Gutachten aus. Demgegenüb­er sind die Ermittlung­en gegen Verantwort­liche von zwei weiteren landwirtsc­haftlichen Betrieben abgeschlos­sen. Wegen Tierquäler­ei müssen sich ein 63-jähriger Landwirt und ein 30 Jahre alter Bauer aus Bad Grönenbach sowie zwei weitere Landwirte (66 und 23 Jahre) verantwort­en. Ebenfalls Anklage erhoben hat die Staatsanwa­ltschaft gegen vier landwirtsc­haftliche Angestellt­e. Wann die Verfahren stattfinde­n, ist laut Landgerich­tssprecher Ivo Holzinger noch unklar.

 ?? Archivfoto: Ralf Lienert ?? Mehrere Großbetrie­be im Allgäu waren vor etwa eineinhalb Jahren Schauplatz von Polizeiraz­zien.
Archivfoto: Ralf Lienert Mehrere Großbetrie­be im Allgäu waren vor etwa eineinhalb Jahren Schauplatz von Polizeiraz­zien.

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