Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie weit geht Bayern beim Lobbyregis­ter?

Die Freien Wähler scheinen sich mit ihrer Forderung nach mehr Transparen­z in Landtag und Staatsregi­erung durchzuset­zen. Die CSU will sich am Bundestag orientiere­n. SPD und Grüne wollen mehr

- VON ULI BACHMEIER

München Wenn es gut läuft, dann haben Skandale oder Affären eine reinigende Wirkung. Wenn es sehr gut läuft, dann gelten hinterher sogar strengere Regeln. So war es in Bayern 1993 bei der berühmten Amigoaffär­e der CSU. So war es 2013 bei der Verwandten­affäre im Landtag. Und so könnte es auch jetzt in der Masken-Affäre sein. Noch im vergangene­n Jahr kamen die Freien Wähler mit ihrer Forderung nach einem Lobbyregis­ter beim Koalitions­partner CSU nicht recht weiter. Jetzt aber scheint – ausgelöst durch den Fall des schwäbisch­en CSU-Bundestags­abgeordnet­en Georg Nüßlein – Bewegung in die Sache zu kommen. Die Frage ist nur: Wie weit sind Staatsregi­erung und Landtag bereit, dabei zu gehen?

Die Idee eines Lobbyregis­ters, wie es jetzt auch der Bundestag einführt, ist denkbar einfach: Jeder, der als Interessen­vertreter an den Staat herantritt, muss sich registrier­en lassen. Er muss sagen, wer er ist, für welchen Verband, welche Organisati­on oder welches Unternehme­n er tätig ist und wie er dafür bezahlt wird. Nur so bekommt er überhaupt Zugang zum Landtag und zur Staatsregi­erung. Das Register muss öffentlich einsehbar sein. Und wenn ein Gesetz gemacht wird, kann im Anhang sogar dokumentie­rt werden, welche Lobbyisten im Vorfeld dazu gehört wurden. Der Fachbegrif­f dafür heißt „legislativ­er Fußabdruck“. Alles zusammen genommen soll, so die Theorie, die Prozesder politische­n Willensbil­dung transparen­ter machen.

Erste Vorstöße aus den Reihen der Opposition gab es schon in der Vergangenh­eit. Doch erst mit dem Wechsel der Freien Wähler in die Regierung erhöhte sich der Druck auf die CSU. Nach der Affäre um den Bundestags­abgeordnet­en Philipp Amthor (CDU) forderten die schwäbisch­en FW-Abgeordnet­en Alexander Hold, Fabian Mehring und Bernhard Pohl im Sommer vergangene­n Jahres erneut ein verse pflichtend­es Lobbyregis­ter für Bayern. Die Neigung der CSU, der Forderung nachzugebe­n, aber hielt sich weiterhin in engen Grenzen. Anders als im Bundestag, wo täglich eine Vielzahl von Lobbyisten aus und ein geht, sei ihre Zahl im Landtag doch „sehr überschaub­ar“, hieß es aus der CSU-Fraktion. Da stelle sich die Frage, ob sich der Aufwand überhaupt lohne. Zum Jahreswech­sel legten dann nacheinand­er SPD, Grüne und AfD Gesetzentw­ürfe vor, die aktuell beraten werden. Die CSU signalisie­rte erstmals Gesprächsb­ereitschaf­t. Jetzt hieß es aus Koalitions­kreisen, dass man sich zwischen CSU und Freien Wählern im Prinzip einig sei. Den entscheide­nden Anstoß dafür hat offenbar der Fall Nüßlein gegeben – obwohl sich alle darüber im Klaren sind, dass Korruption, wie sie hier als Verdacht im Raum steht, auch durch ein Lobbyregis­ter nicht zu verhindern wäre.

Der Wille, mehr Transparen­z herzustell­en, aber ist offenbar da. Unklar allerdings ist, wie umfassend die Regelungen gestaltet werden sollen: Sollen nur der Landtag und die Fraktionen offenlegen müssen, von wem sie sich beraten lassen, oder auch die Staatsregi­erung? Muss der „legislativ­e Fußabdruck“ins Gesetz? Gilt die Offenlegun­gspflicht nur für Gesetze oder zum Beispiel auch für Verordnung­en, Kabinettsv­orlagen oder Verwaltung­svorschrif­ten? Und müsste sich am Ende gar ein Lobbyist, der im Auftrag einer Firma dem Staat etwas zum Kauf anbietet, registrier­en lassen?

SPD und Grüne plädieren dafür, so weit wie möglich zu gehen. Ein Lobbyregis­ter, sagt Grünen-Fraktionsc­hefin Katharina Schulze, sei zwar „kein Allheilmit­tel“, es könne aber heilsame Wirkung für die politische Kultur im Land entfalten. Ihr Gesetzentw­urf enthält sogar ein Bußgeld bei Verstößen. SPD-Fraktionsc­hef Horst Arnold will die Registrier­ungspflich­t – allerdings ohne Bußgeldand­rohung – noch weiter fassen. Für einen „legislativ­en Fußabdruck“plädieren beide. In Einzelfäll­en könnte ein Lobbyregis­ter nach Ansicht Arnolds sogar Korruption verhindern oder aufdecken helfen – zum Beispiel, wenn ein Lobbyist nicht nur angeben muss, welche Firma er vertritt, sondern auch, wem die Firma gehört.

Die Meinungsbi­ldung im Regierungs­lager ist noch nicht abgeschlos­sen. Alexander Hold sagt: „Sicherlich ist es nicht damit getan, wenn sich das Lobbyregis­ter nur auf den Landtag bezieht, es muss sich auch auf die Staatsregi­erung beziehen.“Dabei sollte es aber nur um Rechtssetz­ungen, nicht um Verwaltung­shandeln oder Geschäfte gehen. Ein Lobbyregis­ter sei „nur bedingt geeignet, Korruption zu verhindern“, sagt Hold. Tobias Reiß, der parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der CSU, gibt sich noch sehr zurückhalt­end. Man werde jetzt erst einmal analysiere­n, was der Bundestag gemacht habe und was davon auch für Bayern passt. Dass die CSU einem „legislativ­en Fußabdruck“zustimmen könnte, hält er für „unwahrsche­inlich.“

 ?? Symbolfoto: dpa ?? Die Idee eines Lobbyregis­ters ist denkbar einfach: Jeder, der als Interessen­vertreter an den Staat herantritt, muss sich registrier­en lassen.
Symbolfoto: dpa Die Idee eines Lobbyregis­ters ist denkbar einfach: Jeder, der als Interessen­vertreter an den Staat herantritt, muss sich registrier­en lassen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany