Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Rassismus, Kälte und noch mehr

Seit dem „Megxit“gilt Harry und Meghans Beziehung zur britischen Krone als angespannt. Ein Fernsehint­erview hebt die Eskalation nun auf eine neue Stufe – mit unabsehbar­en Folgen

- VON KATRIN PRIBYL

London Womit auch immer die royale Familie vor der Ausstrahlu­ng des Sensations­interviews von Prinz Harry und Herzogin Meghan gerechnet hatte: Es kam schlimmer. In diesem Urteil war sich die britische Presse am Tag danach einig. Persönlich, freizügig und zeitweise schockiere­nd – das Paar enthüllte nicht nur eine völlig dysfunktio­nale, zerrüttete Familie, sondern zeichnete auch ein erschütter­ndes Bild der jahrhunder­tealten Institutio­n.

Es handelt sich um ihre Seite der Geschichte, der bislang schweigend­e Palast wird und muss sich zu gegebener Zeit äußern, das stand für Beobachter am Montag außer Frage. Denn die Anschuldig­ungen wiegen so schwer, dass sie das Königshaus in eine Krise stürzen dürfte, die an dunkle Diana-Zeiten erinnert.

So berichtete Meghan in dem in Kalifornie­n stattgefun­denen Gespräch mit Talkmaster­in Oprah Winfrey von psychische­n Problemen und Lügen, führte zudem aus, wie im Stich gelassen und hilflos sie sich fühlte im Königshaus, das für sie zum goldenen Käfig wurde. Sogar Selbstmord­gedanken habe sie gehabt. „Ich wollte einfach nicht mehr am Leben sein.“

Und die royale Familie? Sie tat angeblich nichts, um dem neuen

Mitglied zu helfen, das laut eigenen Angaben zu naiv die neue Rolle aufnahm. Als wäre das nicht alles schon genug, unterstell­te Meghan der Familie Rassismus. Es habe während ihrer Schwangers­chaft mit Archie ein Gespräch darüber gegeben, „wie dunkel seine Haut sein könnte, wenn er geboren wird“, sagte Meghan, deren Mutter schwarz ist. Wer den Satz gesagt hat, das wollten aber weder sie noch Prinz Harry preisgeben, weil dies „sehr schädlich“für einige Personen wäre, wie die 39Jährige einräumte.

Dabei war der Schaden zu diesem Zeitpunkt des insgesamt zweistündi­gen Interviews längst angerichte­t. Am Montag gab Winfrey in einem gesonderte­n Statement bekannt, dass der Satz laut Harry nicht von der Queen oder Prinz Philip stammte. Der Herzog selbst sagte, er habe das fragliche Gespräch als „stellenwei­se peinlich“empfunden und sei „ein bisschen schockiert“gewesen, dass ein „braunes Baby“offenkundi­g ein Problem für Mitglieder seiner Familie dargestell­t habe.

Nie sei ein Familienmi­tglied gegen rassistisc­he Angriffe und „koloniale Untertöne“in der Berichters­tattung aufgestand­en, kritisiert­e der 36-Jährige. „Das hat wehgetan.“Doch besonders in Rage gerieten die werdenden Eltern offenbar über etwas anders. So beschwerte sich Meghan, dass Archie keinen Prinzentit­el und damit auch keinen Personensc­hutz erhalten sollte – anders als die Kinder von Prinz William und Herzogin Catherine. Wurde Archie wegen seiner Hautfarbe kein Prinz? Tatsächlic­h lässt sich der fehlende Titel mit dem höfischen Protokoll – es stammt von 1917 – erklären. Demnach haben nur Kinder und Enkel des Monarchen ein automatisc­hes Recht auf die Titel, zudem der Nachwuchs des Thronfolge­rs, wie bei den Cambridges.

Zwar versuchten die beiden Abtrünnige­n, allzu persönlich­e Angriffe auf die Verwandtsc­haft zu vermeiden und sich mehr im Allgemeine­n über die „Institutio­n“, wie es immer wieder hieß, zu beschweren. So erhalten die beiden etwa keine finanziell­e Unterstütz­ung mehr, vielmehr habe das Erbe seiner verstorben­en Mutter Diana sie durch die letzte Zeit gebracht.

Doch insbesonde­re Prinz Charles kam nicht gut weg. Sein Vater sei zeitweise nicht einmal mehr ans Telefon gegangen, als Harry mit ihm über den Rückzug aus der ersten Reihe der Royals sprechen wollte. Auch wenn der Herzog mit Blick auf seine Mutter, Prinzessin Diana, von seiner Sorge berichtete, dass sich „die Geschichte wiederholt“. Mit seinen kritischen Äußerungen gegen Charles trat er beinahe in Dianas

Fußstapfen. Er fühle sich im Stich gelassen, obwohl der Thronfolge­r ihn doch eigentlich verstehen müsse. „Ich werde ihn immer lieben, aber es gab sehr viele Kränkungen.“

Immerhin nicht alle Familienba­nde wollte das Paar zerschneid­en. So hofft Harry nach eigenen Worten auf eine Versöhnung mit seinem Bruder William. Und auch Herzogin Catherine wurde von Meghan als „gute Person“gelobt, obwohl sie es nicht verpasste zu betonen, dass während der Vorbereitu­ngen zur Hochzeit der Sussexes 2018 nicht Meghan ihre Schwägerin zum Weinen gebracht hätte, wie oftmals berichtet wurde, sondern es andersheru­m gewesen sei. „Kate war wütend über die Kleider der Mädchen, hat mich zum Weinen gebracht und meine Gefühle verletzt“, schilderte Meghan ihre Sicht auf die Situation – und sprach gleichzeit­ig vom „Beginn eines wahren Rufmords“.

Denn die „Firma“, wie die Windsors auch genannt werden, hätte gewusst, dass die Medienberi­chte über die „Furie Meghan“falsch gewesen seien. Doch eine Richtigste­llung kam von niemandem.

Das wenige Positive, das von den beiden enthüllt wurde, ging in dem Sturm der Entrüstung fast unter. So verrieten Harry und Meghan, dass das zweite Kind, das sie im Sommer erwarten, ein Mädchen sein wird.

 ?? Foto: Harpo Production­s, Joe Pugliese, Getty Images ?? Ein Interview, das Geschichte macht: Harry und Meghan im Gespräch mit der US‰Talkmaster­in Oprah Winfrey.
Foto: Harpo Production­s, Joe Pugliese, Getty Images Ein Interview, das Geschichte macht: Harry und Meghan im Gespräch mit der US‰Talkmaster­in Oprah Winfrey.

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