Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Royale Schlammsch­lacht

- VON KATRIN PRIBYL redaktion@augsburger‰allgemeine.de

Großbritan­nien, das kann man so sagen, erlitt am Montag einen kollektive­n Nervenzusa­mmenbruch. Das zweistündi­ge Interview-Drama mit Harry und Meghan erschütter­t einmal mehr das Bild vom Königshaus, das sich gern so unnahbar wie glanzvoll präsentier­t – und sich nun gegen schwere Vorwürfe zur Wehr setzen wird und muss, will es nicht in eine tiefe existenzie­lle Krise stürzen.

Es erinnert verdächtig an das Interview von Prinzessin Diana im Jahr 1995, als sie zum Rundumschl­ag ausholte. Die Parallelen dürften kaum zufällig sein. Die Abrechnung der Sussexes wirkte wie eine späte Rache von Harry für die Leiden der Mutter. Hier präsentier­te sich das Paar – wie schon damals die „Königin der Herzen“– als gutmütig, warmherzig und ahnungslos, das an der empathielo­sen, strikt hierarchis­chen und anachronis­tischen Institutio­n verzweifel­te. Es handelt sich um die eine Seite der Geschichte. Sie klingt verstörend, zumindest in Teilen.

Denn ein paar Haken gibt es. So fällt es schwer zu glauben, dass Meghan nicht klar war, in welche Familie sie einheirate­n würde. So naiv kann die ehemalige Schauspiel­erin kaum gewesen sein, insbesonde­re, weil Harry beinahe besessen von seinem Hass auf die Boulevardm­edien ist und seiner künftigen Ehefrau sicherlich den Alltag im Kreis der Windsors beschriebe­n hat, der weniger Märchen als harte Arbeit ist. Die Realität bestand eben nicht nur aus glamouröse­n Auftritten und Reisen durch die Welt für wohltätige Zwecke. Privilegie­n zu haben schien das Paar als Grundrecht zu betrachten, die dafür zu erfüllende­n Aufgaben und der mit dem royalen Status einhergehe­nde strenge Blick von Presse und Öffentlich­keit lehnten die beiden dagegen als Zumutung ab.

Zahlreiche Insider betonten in den vergangene­n Monaten außerdem immer wieder, dass die Herzogin jegliche Hilfe und Ratschläge vor und nach der Hochzeit ablehnte, stattdesse­n einige Mitarbeite­r mobbte und mit einem US-amerikanis­chen Arbeitseth­os im britischen

Haushalt aneckte. Doch eine Art von Selbstrefl­exion war in dem Interview nicht zu erkennen. Stattdesse­n Klagen und Beschwerde­n, einige sicherlich gerechtfer­tigt, andere vermutlich überspitzt oder gar unangebrac­ht. Manche Vorwürfe klingen nach verletzter Eitelkeit, nach Verbitteru­ng und Neid.

Wie 1995 nach Dianas Interview ist auch jetzt die Marke des Königshaus­es schwer beschädigt, vielleicht sogar nachhaltig­er als je zuvor. Daran tragen sowohl die Abtrünnige­n im fernen Kalifornie­n Schuld als auch die „Firma“in der britischen Heimat. Beide Seiten haben Fehler gemacht. Das jetzige Gespräch ist der vorläufige Tiefpunkt in dieser traurigen Saga um Meghan und Harry, die mit ihren Aussagen vermutlich kaum jemanden zum Meinungsum­schwung animiert haben. Die einzige Siegerin dieser Schlammsch­lacht, so viel steht fest, heißt Oprah Winfrey.

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Foto: Aaron Chown, dpa Die Queen kam noch gut weg im Sensa‰ tionsinter­view.

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