Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Nie sind die Wolken ganz schwarz

Der Augsburger Schriftste­ller Franz Dobler hat einen dritten Gedichtban­d vorgelegt. In seinem rauen Sound schlägt die Realität durch. Und immer braucht er ein Foto

- VON ALOIS KNOLLER

Seine Gedichte haben einen eigenen Sound, sie versagen sich Vers und Reim und jeder klassische­n Form. Doch sie tragen Musikalitä­t und Rhythmus in sich, denn davon versteht der Literat Franz Dobler mindestens so viel wie vom Schreiben. Doblers Gedichte winden keine Metaphern-Kränze, sie sind geprägt von Widerspruc­h und Witz, von Gefühl und Härte, von Schmerz und Protest über den Lauf der Welt. Gerade sind sie in einer neuen Gesamtausg­abe erschienen, bildschön angereiche­rt mit Features der Fotografin Juliane Liebert.

„Ich will doch immer nur kriegen, was ich haben will“, lautet der Titel und das gleichnami­ge Gedicht schlägt einen melancholi­schen Ton an. Schwarze Wolken sieht der Dichter am Himmel über sich und er sagt sich: „Wir müssen alle sehen, wo wir bleiben.“Trotzdem fällt er sich selbst ins Wort: „Ich weiß es selbst: Sie sind nie ganz schwarz diese Wolken/da ist immer was Graues dabei.“Und nach einem Moment der Selbstbesi­nnung („ich rauche zu viel/ich trinke zu viel/ich sterbe zu langsam“) blättert er seine Wunschlist­e auf („nur etwas mehr ...“).

Dobler ist zu Hause in der Welt des Western mit seinen knallharte­n Gesetzen der Vergeltung und bei den rebellisch­en Singer-Song-Writern. Er liebt den rauen Ton Bukowskis und die Verwegenhe­it bayerische­r Volkshelde­n wie Räuber Kneißl und Hiasl. Seine Lyrik entspringt der realen Welt. Den hohen lyrischen Ton, der lediglich die Kunstferti­gkeit zelebriert, verachtet er. „Ich stehe auf einer anderen Seite“, sagt Dobler.

Mitunter klingt das schnoddrig, wie bei dem Hilfsarbei­ter wider Willen, der ächzend die erste Woche aber sich auf das Lob des Chefs nichts einbildet: „Ich fuhr weiter den Dreck.“Doblers Lyrik ist situativ. Er verarbeite­t, was ihm gerade nachdenken­swert vorkommt – geforderte Reparation­en an Griechenla­nd ebenso wie das Liebesgedi­cht „Du mit deinem Rock“.

ist es relativ schwer, einen einfachen Ton überhaupt herzustell­en. Wenn ich mir etwas notiere, ist es eigentlich komplizier­ter, als ich will. Dann arbeite ich daran, einen bestimmten Tonfall zu erzeugen und wie Worte vom Klang und vom Rhythmus her zusammenpa­sdurchsteh­t, sen“, sagt Dobler. Instinktiv ergebe sich das bei ihm, sagt der Literat.

Es gibt auch Teile in seiner Lyrik, die als Collage funktionie­ren oder sogar wie ein Readymade. Mitunter baut Franz Dobler dokumentar­ische Sachen ein, so in seinem ersten Gedichtban­d in „Weg zur Freiheit“, eine Anweisung der Nazis, wie sich Leute, die aus dem KZ wieder herauskame­n, verhalten sollten, damit sie nicht wieder reinkommen. Kenntlich machte er diese wörtliche Übernahme allerdings nicht, gibt ihr auch keinen erklärende­n Rahmen, knallt es dem Leser einfach um die Ohren als Weckruf. Sollen sie doch merken, dass hier eine Parodie vorliegt, eine bitterböse, weil solche Gedanken wieder gesagt werden dürfen.

Franz Dobler scheut sich davor, in Anspruch zu nehmen, engagierte, politische Lyrik mit einer bestimmten Absicht zu schreiben. „Jede Form von Kunst hat die Möglichkei­t, Menschen zu beeinfluss­en, ohne dass der Künstler das bestimmen kann“, antwortet er. „Vieles meiner Lyrik dokumentie­rt, womit ich mich beschäftig­e. Ich finde alles gut, was zum Denken anregt. Das ist für uns die halbe Miete. Ich muss nicht sagen, welche Haltung ich einnehme, die liest man einfach mit.“

Subversive­r Witz gehört auch in seinen lyrischen Werkzeugka­sten. Im Gedicht „Mein guter Rat ist ganz umsonst“blickt er auf einen Jungen, der härteste Sprüche aus seiner Box am Roller hinausposa­unt. „Ich käme mir so bescheuert vor/wenn ich nur solche Kunden hätte/für meine harten Killer-Songs“, kommentier­t der Dichter das Möchtegern-Gehabe. „Es gibt Texte, wo ich mich gegen etwas wehre oder mich lustig mache. Oder wo ich etwas im Spiegel sehe“, reflektier­t der Dichter. Ein Häkeldeckc­hen gibt’s in seinen Ver„Manchmal sen garantiert nicht – „das ergibt für mich keinen Sinn mehr“.

Dabei haut er seine Gedichte keineswegs mal so raus. Poesie sei kein Autorennen, meint Dobler, der in Kriminalro­manen und Hörspielen langen Atem als Autor beweist. Davon werde allerdings seine Konzentrat­ion ziemlich absorbiert. „Aber phasenweis­e lasse ich die Lyrik mehr aufleben. Außerdem habe ich sie in den Kriminalro­manen als Form in der Form eingebaut.“Wie sich bei ihm die Worte formen? „Es ist schwierig zu erklären. Bei mir hat das Schreiben viel mit Fotos zu tun, die schnell gemacht sind. Manchmal hängt nur eine Idee für ein Gedicht an so einem Foto, das dann erst nach langer Bearbeitun­g fertig wird. Einige meiner Gedichte durchlaufe­n über Monate einen Arbeitspro­zess. Gedichte sind nicht einfacher als eine andere Form.“

Auf Franz Doblers Augsburger Schreibtis­ch liegen noch einige andere Projekte. Gerade schreibt er an einem neuen Hörspiel. Und für den Münchner Trikont Verlag, dem er „vielfältig und schon lange“eng verbunden ist – bis hin dazu, dass er den Band zum 50-jährigen Bestehen mitverfass­t hat – liefert er immer wieder Begleittex­te zu neuen Alben. „Ich kann mich nicht beschweren, dass ich nichts zu tun hätte.“Trikont macht das Booking für seine Lesungen und er selbst macht Veranstalt­ungen zusammen mit Trikont, wo er liest oder moderiert. Wenn es die Pandemiela­ge zulässt, wird er am 20. Mai im Münchner Volkstheat­er und am 21. Mai in Neu-Ulm im Cabaret Eden aus dem Gedichtban­d lesen.

» Franz Dobler: Ich will doch immer nur kriegen, was ich haben will. Ge‰ dichte 1991 – 2020. Mit Fotografie­n von Juliane Liebert, Starfruit Publicatio­ns Fürth, 287 Seiten, 25 Euro.

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Foto: Silvio Wyszengrad Franz Doblers neuer Gedichtban­d trägt den Titel „Ich will doch immer nur kriegen, was ich haben will“.

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