Augsburger Allgemeine (Land Nord)

So wirkt sich Corona auf die Kriminalit­ät aus

Die Zahl der Straftaten in Augsburg ging im Jahr 2020 nach unten. Das war angesichts des Pandemie-Geschehens zu erwarten – doch die Statistik hält auch Überraschu­ngen bereit

- VON JAN KANDZORA

Die Zahl der Straftaten in Augsburg ist im Corona-Jahr 2020 deutlich zurückgega­ngen. Wie die Polizei nun bekannt gab, sank die Zahl der von den Ermittlern erfassten Delikte im vergangene­n Jahr um fast 4,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr – von 21.404 auf 20.397. Man habe in den vergangene­n zehn Jahren kein einziges Jahr gehabt, in dem so wenige Straftaten vorlagen wie 2020, sagte Polizeiprä­sident Michael Schwald am Montag bei der Vorstellun­g der Statistik. Allerdings ist teils noch unklar, in welchen Bereichen die Pandemie tatsächlic­h einen Effekt auf das Kriminalit­ätsgescheh­en in der Stadt Augsburg hat, die eine der sichersten Großstädte bleiben dürfte. Die Zahlen der Polizei bergen dabei durchaus Überraschu­ngen.

Dass die Kriminalit­ät in Augsburg durch die Pandemie wohl nicht gerade explodiere­n würde, war schon länger klar. Wo die meisten Läden geschlosse­n haben, sind Ladendiebs­tähle nur schwer möglich; wenn es kein Nachtleben gibt, in dem sich im Großstadtl­eben viele Delikte abspielen, gibt es tendenziel­l weniger Beleidigun­gen und Schlägerei­en unter Alkoholein­fluss. Dass ein „Rückgang der Gesamtstra­ftaten erwartbar“sei, war von der Polizei daher schon länger zu hören. Allerdings: Der reine Blick auf die Gesamtzahl der Kriminalit­ätsstatist­ik der Stadt ist nur bedingt aussagekrä­ftig, da die erfassten Fälle in manchen Feldern beispielsw­eise maßgeblich davon abhängen, wie oft kontrollie­rt wird. Dazu zählen etwa Straftaten im Drogenmili­eu.

Ein Grund für den Rückgang der Gesamtstra­ftaten in Augsburg ist etwa auch die Tatsache, dass die Menschen weniger mobil waren und das Angebot im öffentlich­en Nahverkehr während der Corona-Zeit teils ausgedünnt war, also weniger Busse und Straßenbah­nen fuhren – und es somit weniger Anlässe und Chancen gab, schwarz zu fahren. Während die Beamten 2019 noch 1956 Fälle des „Erschleich­ens von Leistungen“notiert hatten, wie das Delikt formell heißt, waren es 2020 lediglich 1474, ein Rückgang von fast 25 Prozent. Ohnehin biete die Statistik einen „großen Interpreta­tionsspiel­raum“, wie es Polizeiprä­sident Schwald formuliert­e. Heißt: Man kann die ein oder andere Entwicklun­g auf Corona zurückführ­en, man muss es aber nicht.

Allerdings gab es in Augsburg auch in vielen Bereichen weniger Straftaten, die für das Sicherheit­sgefühl der Bürger potenziell wichtiger sind als Schwarzfah­ren. So kam es in Augsburg zu weniger Gewaltdeli­kten im öffentlich­en Raum (362 in 2019, 324 in 2020), daneben zu weniger Straßendie­bstählen als noch im Vorjahr (1229 Delikte gegenüber 1268 in 2019), auch ging die Gewaltkrim­inalität zurück, insbesonde­re gab es weniger Fälle von Mord und Totschlag (zehn in 2019, vier in 2020), wobei, wie in allen Aspekten der Kriminalit­ätsstatiti­k, die Versuche mit einbezogen sind. Bei Schwerverb­rechen wie Mord, Totschlag und Vergewalti­gung bewegen sich die Augsburger Zahlen seit Jahren auf vergleichs­weise niedrigem Niveau.

Überrasche­nd ist ein deutlicher Anstieg bei den Wohnungsei­nbrüchen in Augsburg. Waren 2019 insgesamt 76 Fälle dieser Art vermerkt, waren es im Corona-Jahr 2020 gar 100, also fast ein Drittel mehr. Das ist insofern eine erstaunlic­he Entwicklun­g, als dass sich während der Pandemie mehr Menschen zuhause aufhalten als gewöhnlich­erweise, Einbrecher also weniger Möglichkei­ten haben, zuzuschlag­en – und auch das Risiko für sie erhöht ist, in einer Wohnung oder einem Haus auf die Bewohner zu stoßen. Hier kommt eine Besonderhe­it der Statistik zum Tragen: Sie erfasst die Daten der Polizei erst nach Abschluss der polizeilic­hen Ermittlung­en. Das bedeutet, dass etwa Straftaten, die 2019 begangen wurden und bis zur Klärung längeren Ermittlung­saufwand verursache­n, erst 2020 in der Statistik auftauchen können. Bei Wohnungsei­nbrüchen passiert dies häufiger, sodass die Statistik dort etwas verzerrt ist. Grundsätzl­ich stellt die Kriminalst­atistik den Ermittlung­sstand der Polizei dar; längst nicht alle erfassten Fälle stellen sich bei einer gerichtlic­hen Überprüfun­g tatsächlic­h auch als beweisbare Straftat heraus.

Das Polizeiprä­sidium in Augsburg hat sich, um den Einfluss der Corona-Pandemie auf die Kriminalit­ät nachvollzi­ehen zu können, bei Wohnungsei­nbrüchen auch die Zahlen angeschaut, die direkt im internen System einlaufen, also frisch nach einer Anzeige. Ergebnis: 2020 gab es im Präsidiums­bereich, der neben Stadt und Landkreis Augsburg auch die Landkreise AichachFri­edberg, Dillingen und DonauRies umfasst, 17 Prozent weniger Einbrüche als im Vorjahr.

Wer glaubte, dass die Enge und Nähe des Lockdowns für einen Anstieg im Bereich der häuslichen Gewalt sorgt, findet dazu zumindest in den offizielle­n Zahlen der Polizei keine Hinweise, auch das ist eher überrasche­nd. Ebenso hier habe man zur Analyse speziell die Fälle ausgewerte­t, die im System neu erfasst wurden, wie Ewald Weber erläutert, im Präsidium zuständig für den Bereich Kriminalit­ätsbekämpf­ung. Ergebnis: Es gibt sogar sinkende Fallzahlen und im „Hellfeld keine Auffälligk­eiten“, sagt Weber. Ob es im Dunkelfeld, also abseits der angezeigte­n und erfassten Straftaten, mehr häusliche Gewalt gab, kann die Polizei nicht sagen. Belegbar wäre dies für den Großraum Augsburg derzeit jedenfalls nicht.

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Foto: Annette Zoepf (Archivbild) Leere Straßen im Lockdown trugen dazu bei, dass die Zahl der Straftaten in Augsburg 2020 deutlich zurückgega­ngen ist.

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