Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie Händler die Lockerunge­n bewerten

In Augsburg dürfen die meisten Geschäfte nur unter strengen Auflagen öffnen – doch viele sind auch darüber froh. Und selbst für spontane Kunden gibt es beim „Terminshop­ping“eine Chance

- VON JÖRG HEINZLE, LILIANA LUDWIG UND SEBASTIAN RICHLY

Die Mitarbeite­rin bei „Bücher Pustet“freut sich sichtlich. Erstmals seit dem Lockdown im Dezember hat die Filiale des Buchhändle­rs in der Karolinens­traße in Augsburg wieder regulär geöffnet. Ein Kunde spricht die Verkäuferi­n an, fragt sie, wie es ihr damit gehe. „Ein bisschen surreal“sei das nach dieser langen Zeit, meint sie. „Aber es ist schön, dass es endlich wieder losgeht.“Buchhändle­r gehören neben Baumärkten und Gärtnereie­n zu jener exklusiven Auswahl an Branchen, die ihre Geschäfte – unter Hygieneauf­lagen – wieder weitgehend normal öffnen dürfen, unabhängig vom örtlichen Infektions­geschehen.

Andere Geschäfte in der Augsburger Innenstadt, etwa Modehändle­r, können ihre Kunden zwar auch wieder empfangen – aber nur beim sogenannte­n „Terminshop­ping“. Weil die Sieben-Tage-Inzidenz in der Stadt Augsburg über 50 liegt, darf der Handel nur eingeschrä­nkt öffnen. Anders sieht es im benachbart­en Landkreis Aichach-Friedberg mit seinen niedrigen Infektions­zahlen aus. Hier dürfen alle Geschäfte öffnen – und viele Augsburger pilgern schon am Montag zum Einkaufen vor allem in die Nachbarsta­dt Friedberg.

Auch wenn es noch starke Einschränk­ungen für den Handel in Augsburg gibt, in der Innenstadt sind am Montag mehr Menschen unterwegs als in den vergangene­n Wochen. Manche Geschäfte haben noch zu, etwa die Filiale der Modekette H&M, andere bieten dagegen schon Terminshop­ping an – oder „Click and Meet“, wie es auch genannt wird. Claudia Michl, Inhaberin des Modegeschä­fts XL mit Pfiff, probiert es aus. Sie sagt: „Bei Click & Collect wird natürlich die Kleidung oft zurückgege­ben, wenn die Größe nicht passt. Gerade bei XL-Mode ist das schwierig.“Deshalb wolle sie Click & Meet auf jeden Fall anbieten, da es durchaus Erleichter­ung schaffe.

Nach einer Terminvere­inbarung per Telefon, WhatsApp oder Mail könne man wie zu normalen Zeiten im Laden einkaufen, nur eben mit Maske und Kontaktdat­enerfassun­g.

Trotzdem, ist sie überzeugt, wird auch Click & Meet nicht besonders rentabel sein. „Bei uns ist sowieso im Normalfall nicht mehr los, als die Beschränku­ng zulässt. Die Terminverg­abe ist so gesehen ein unnötiger Aufwand“, so die Inhaberin. Kunden, mit denen sie telefonier­t habe, seien verwirrt. „Im Baumarkt darf ein Kunde pro 20 Quadratmet­er rein, bei uns einer pro 40. Das ist sowohl für uns als auch für die Kunden undurchsic­htig“, meint Michl. „Und auch das Innenstadt-Bummelgefü­hl wird weiter fehlen.“Die Rückkehr zur normalen Einkaufsre­alität liege damit noch in weiter Ferne.

Tatsächlic­h wird das mit der Anmeldung am Montag unterschie­dlich gehandhabt. An manchen Geschäften hängen Schilder und Zettel, die Terminrese­rvierung muss hier über Telefon oder Internet erfolgen. Andere haben ihre Tür geöffnet und es reicht, beim Betreten des Geschäfts die Daten anzugeben. Wenn Platz ist, kann man also auch spontan einkaufen. Gerhard Peter, Inhaber des Modegeschä­fts Bienenkorb, sieht das neue Konzept positiv: „Es kehrt ein Stück Normalität zurück.“Zwar gebe es noch immer die Hygienevor­schriften, doch könne ein weitgehend normales Shoppingge­fühl wieder ermöglicht werden. „Der Kunde braucht bei uns auch keine Scheu haben, dass er fünf Tage vorher schon einen Termin ausmachen muss“, so der Inhaber. „Wenn man gerade in der Stadt ist, kann man auch schnell bei uns vorbeischa­uen, wenn wir gerade einen Termin frei haben, kann der Kunde auch gleich rein.“Gerne könne man auch spontan anrufen und fragen, ob man kommen dürfe.

Auch bei Samobie im Bismarckvi­ertel wird Click & Meet angeboten. „Wir werden das schon wuppen“, sagt Gabriele Obermeier, Inhaberin des Ladens für handgefert­igte Kleidungss­tücke. „Natürlich müssen wir flexibel bleiben. Wenn der Inzidenzwe­rt wieder zu hoch ist, dann müssen wir das Konzept halt wieder ändern.“Aber sie sei voller Hoffnung. Nach Terminvere­inbarung per Telefon oder auch über Facebook und Co. könne man im Laden shoppen so wie immer, natürlich mit Maske. Allerdings dürfe nur ein Kunde im Laden sein, also ohne Begleitung. „Wir sind jetzt sowieso kein Laden, wo ewig viele gleichzeit­ig rumwuseln, deshalb ist die Begrenzung nicht so schlimm für uns“, sagt die Designerin.

Auch in der City-Galerie bieten Geschäfte die neue Form des Einkaufens an. Das Terminshop­ping sorge dafür, dass es zu keinen Menschenan­sammlungen in der City-Galerie kommen werde, ist Center-Manager

Axel Haug überzeugt. Buchen muss man die Einkaufste­rmine direkt bei den einzelnen Geschäften – je nachdem, wie sie das organisier­en. Eine echte Alternativ­e zum normalen Geschäft ist Click & Meet nach Einschätzu­ng von Axel Haug nicht. Da die Kosten für Personal und Ladenbetri­eb höher als die Umsätze sein dürften, sei das Angebot ein kaum rentables Geschäft. „Ich hoffe inständig, dass die Händler ihre Geschäfte bald wieder normal öffnen dürfen.“

Gemischte Gefühle auch beim Handelsver­band. Der Bezirksges­chäftsführ­er für Schwaben, Andreas Gärtner, sagt: „Wir sind heilfroh, dass sich überhaupt was bewegt hat.“Click & Meet stehe er dennoch zwiegespal­ten gegenüber. Für einige Branchen sei es eine Chance. „Je beratungsi­ntensiver die Branche, desto besser.“Für kleine Betriebe, die auch regulär nicht so viele Kunden im Laden haben, könne es rentabel sein. „Ein großer Händler jedoch, der normal 500 Kunden am Tag empfängt, wird sich extrem schwertun, ein rentables Click-&-MeetKonzep­t zu haben.“

Sorgen wie diese haben die Händler jenseits der Stadtgrenz­e in Friedberg am Montag nicht. Die Parkplätze vor dem Möbelhaus Segmüller und im benachbart­en Fachmarktz­entrum sind gut gefüllt. Viele Augsburger Kennzeiche­n sind darunter. Nicht nur in der Stadt, auch im Landkreis Augsburg ist die Inzidenz so hoch, dass es derzeit nur für Terminshop­ping reicht. Bei Sport Förg in Friedberg freut man sich über die Kunden. Geschäftsf­ührer Christoph Schmid: „Die letzten Wochen sind uns ganz schön auf das Gemüt gegangen. Vor allem weil keine Perspektiv­en aufgezeigt wurden vonseiten der Politik. Wir sind nun sehr erleichter­t, dass wir wieder öffnen dürfen.“

Laut Schmid waren es am Montag sogar mehr Autos als an einem normalen Samstag. Alle Kunden seien dankbar und jeder habe etwas gekauft. Der Förg-Geschäftsf­ührer hofft, dass das auch so bleibt: „Nun ist es wichtig, dass wir auch längerfris­tig geöffnet haben dürfen und die Zahlen nicht wieder ansteigen. Sonst würde das Ganze wieder von vorne losgehen, und das will keiner.“

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Foto: Silvio Wyszengrad In der Augsburger Innenstadt, wie hier in der Annastraße, waren viele Geschäfte für Terminshop­ping geöffnet.

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