Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Drogendeal­er gesteht

Am zweiten Prozesstag kommt es zu einer Verfahrens­verständig­ung. Juristisch kann der 34-Jährige für den Tod der Jugendlich­en aus Nordendorf nicht belangt werden

- VON MATTHIAS SCHALLA

Schnelles Ende: Der 34-Jährige, der Drogen an zwei Jugendlich­e verkauft haben soll, hat gestanden. Für den Tod der beiden kann er nicht belangt werden.

Landkreis Augsburg Überrasche­nde Wende im Drogenproz­ess: Der Angeklagte, der im vergangene­n Sommer an zwei Jugendlich­e in Nordendorf Drogen verkauft hat, hat am Mittwoch gestanden. Vorausgega­ngen war eine sogenannte Verfahrens­verständig­ung.

Diese beinhaltet, dass der 34-Jährige schon in Kürze die Haftanstal­t verlassen darf und stattdesse­n eine zweijährig­e Therapie machen wird. Bedingung war, dass er im Wesentlich­en die Anklagepun­kte einräumt. Das Urteil lautete daher auf unerlaubte­n Handel in nicht geringen Mengen sowie Besitz und Abgabe von Drogen an Personen unter 18 Jahren. Verantwort­lich für den Tod der beiden Jugendlich­en, die wie berichtet an einer Überdosis starben, sei der Angeklagte jedoch nicht.

„Es trifft sie allenfalls eine mittelbare Schuld“, sagt Vorsitzend­er Richter Christian Grimmeisen in seiner Urteilsbeg­ründung. Schließlic­h bestehe bei jedem Konsum von Drogen eine „eigenveran­twortliche Selbstgefä­hrdung“. Somit könne der rein juristisch nicht wegen Totschlags oder Mords verurteilt werden, sondern nur für den Handel mit Betäubungs­mitteln zur Verantwort­ung gezogen werden. Dafür hatten sich am Mittwoch bei den Zeugenauss­agen aus dem Umfeld der beiden Jugendlich­en die Hinweise immer mehr verdichtet. Die Aussagen zeigten jedoch noch etwas Anderes – in Nordendorf scheint es ein massives Drogenprob­lem zu geben.

Ausführlic­h schilderte ein 17-Jähriger den letzten Tag im Leben der beiden Jugendlich­en. An jenem Sommertag habe man sich zuvor an einem Baggersee getroffen, Fußball gespielt, Musik gehört und gechillt. Nachmittag­s sei der 16-Jährige dann aufgebroch­en, um sich bei seinem Kollegen im Nachbardor­f etwas zu besorgen. Es sei ein offenes Geheimnis gewesen, dass dieser gewisse „Kollege“, von dem bei den Zeugenauss­agen immer wie

die Rede war, den Verstorben­en mit Drogen versorgt hat. Dieser wiederum hat damit seiner Clique versorgt. So sei es gang und gäbe gewesen, gemeinsam Cannabis zu rauchen oder auch mal Amphetamin­e zu konsumiere­n.

Drogen spielten demnach in dem Freundeskr­eis eine alltäglich­e Rolle. Wer etwas hatte, gab einen aus und lud seine Kumpels ein. Diese revanchier­ten sich dafür mit eine Runde Bier oder kauften bei dem Verstorben­en zu einem Freundscha­ftspreis kleine Mengen „Gras“für einen Joint.

Zur Abwicklung der Geschäfte oder für Verabredun­gen hatten sie eine eigene WhatsApp-Gruppe gegründet, die „Nasenbärch­en“. Die Verkäufe liefen dann entweder in der Wohnung oder im Bereich des Nordendorf­er Bahnhofs ab.

Ob den Tod der beiden Jugendlich­en nicht etwas bei ihm bewirkt habe, wollte Richter Grimmeisen wissen. „Ja schon“, sagte er. Sein Konsum habe sich seitdem verringert. Und wo er jetzt die Drogen kaufe, hakte Grimmeisen nach. Ein wenig druckste der 17-Jährige heAngeklag­te rum, um sich nicht selbst zu belasten. Schließlic­h aber räumt er ein, dass es „eine neue Quelle“gebe. Es soll erneut ein Erwachsene­r sein, der das jugendlich­e Alter seines Kunden genau kenne.

Eine ehemalige Mitschüler­in hatte bereits ein halbes Jahr vor dem Tod der Jugendlich­en den Kontakt abgebroche­n. Der Ältere der beiden hätte sich schon lange nicht mehr unter Kontrolle gehabt, sagte sie im Zeugenstan­d.

Am Abend vor seinem Tod habe sie ihn von seiner Einkaufsto­ur zurückkomm­en sehen. „Er war käseweiß, hatte dunkle Ringe und war total abgemagert.“Ähnliches sagte eine 22-Jährige aus, die nach dem Tod selbst für kurze Zeit ins Visier der Fahnder geraten war. Bei der Durchsuchu­ng ihrer Wohnung wurden ebenfalls Drogenuten­silien gefunden.

Dies seien jedoch Übrigbleib­sel aus der Vergangenh­eit, sagte sie. Schon seit Längerem hätte sie nichts mehr mit Drogen zu tun.

Übereinsti­mmend sagten die Zeugen aus, dass es sich bei der ominösen Drogenquel­le aus dem Nachder bardorf um den „Kollegen“des verstorben­en 16-Jährigen gehandelt hatte.

Dies hätte er immer auf die Frage geantworte­t, wenn man ihm nach seinem Dealer gefragt hätte. Da beide eine Zeit lang im gleichen Betrieb gearbeitet hatten, forderte Richter Grimmeisen mit Blick auf die deutliche Indizienke­tte schließlic­h den Angeklagte­n auf, die „Karten auf den Tisch zu legen“. Er stellte dem 34-Jährigen im Falle eines Geständnis­ses in Aussicht, „direkt auf Therapie zu gehen“. Auch eine Überstellu­ng in seine Heimat bei Freiburg, um näher bei seinen Angehörige­n zu sein, „dürfte kein Problem sein“. Dies gab letztlich den Ausschlag.

Vier Jahre und sechs Monate lautete schließlic­h das Urteil für den 34-Jährigen. Da dieser selbst ein massives Drogenprob­lem habe, kommt der Paragraf 64 des Strafgeset­zbuches zur Anwendung. Dies bedeutet, dass nur die halbe Strafe, also zwei Jahre und drei Monate, verbüßt werden müsse. Und den größten Teil davon wird er in einer Therapieei­nrichtung verbringen.

Drogen spielten alltäglich­e Rolle im Freundeskr­eis

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