Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die zweite Chance

Mitten in der Debatte um dubiose Lobbygesch­äfte verhilft die CDU einem Mann zum Comeback, über dessen eigenen Skandal gerade erst ein paar Grashalme gewachsen sind. Warum Philipp Amthor wieder da ist

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Das muss man auch erst einmal schaffen: ein Comeback mit 28 Jahren. In einem Alter, in dem die meisten Politiker sich noch abstrampel­n, um einen guten Platz auf der Gemeindera­tsliste zu bekommen, feiert Philipp Amthor seine Rückkehr auf die große politische Bühne. Es ist noch kein Jahr her, dass sich der ambitionie­rte CDUPolitik­er in einem Geflecht aus undurchsic­htigen Lobbygesch­äften verheddert. Er hatte sich für ein bis dato weithin unbekannte­s Unternehme­n namens Augustus Intelligen­ce starkgemac­ht und dafür Aktienopti­onen erhalten. Als die Geschichte im Sommer vergangene­n Jahres auffliegt, geht der Senkrechts­tarter mit der zelebriert­en Spießer– Attitüde in den Sinkflug.

Amthor entschuldi­gt sich öffentlich, räumt seinen Fehler ein und betont sicherheit­shalber, er sei nicht käuflich. Sein Traum, Parteichef in

Mecklenbur­g-Vorpommern zu werden und die sozialdemo­kratische Ministerpr­äsidentin Manuela Schwesig herauszufo­rdern, ist erst einmal ausgeträum­t. Doch in seiner Partei hat man offenbar das Gefühl, dass diese Geschichte noch nicht zu Ende erzählt ist. Während ganz Deutschlan­d über Politiker diskutiert, die mit dubiosen Lobbygesch­äften Geld in die eigene Tasche wirtschaft­en, nominiert die CDU ausgerechn­et ihren gestrauche­lten Jungstar als Spitzenkan­didaten in Mecklenbur­g-Vorpommern für die Bundestags­wahl. Damit ist er Nachfolger von Angela Merkel auf der Landeslist­e. Das Timing für die Aufstellun­g? Eher mittelgut.

Und so musste der neue Parteichef am Montagaben­d in den „Tagestheme­n“auch unangenehm­e Fragen zu Amthors Rückkehr in die erste Reihe beantworte­n. Armin Laschet, dem die Wut über die Masken-Abzocker in dem Interview deutlich anzumerken ist, kommt beim Fall Amthor beinahe ins Schleudern. „Er hat nichts rechtswidr­iges gemacht, aber es war nicht akzeptabel, was er gemacht hat. Und er ist jetzt Kandidat, ja, in Mecklenbur­g-Vorpommern“, sagt er – und findet dann doch noch einen Ausweg aus der argumentat­iven Sackgasse: Man könne den Fall keineswegs mit der Bereicheru­ng und der Raffke-Mentalität vergleiche­n. Heißt: Die Masken-Dealer Georg Nüßlein und Nikolas Löbel sind für die Union untragbar geworden, Amthor bekommt eine zweite Chance. Das liegt auch daran, dass der junge Mann, der die äußerliche Frühverspi­eßerung regelrecht zur Marke gemacht hat, eine der wenigen echten Nachwuchsh­offnungen der CDU ist. Mit seinen grundkonse­rvativen Positionen ist er für die Älteren gut wählbar, seine unkonventi­onelle Art spricht aber auch jüngere Zielgruppe­n an. In den Sozialen Netzwerken werden Amthors Beiträge zwar immer wieder auch zum Gespött. Bisweilen wirkt er wie ein Schauspiel­er, der versucht, einen Bundestags­abgeordnet­en darzustell­en. Aber immerhin fällt er auf, er sticht heraus aus der grauen Masse. Auch im Parlament hört man inzwischen hin, wenn Amthor ans Rednerpult tritt. Ein Videoclip, in dem er einen Antrag der AfD-Fraktion leidenscha­ftlich in seine atomaren Bestandtei­le zerlegt und als „groben Unfug“entlarvt, wurde im Internet schon mehr als 2,2 Millionen Mal aufgerufen.

Nun also das Comeback mit 28. Kleinlaut ist Amthor mit dem ersten Karrierekn­ick jedenfalls nicht geworden. „Wer Manuela Schwesig gut findet, der bekommt Saskia Esken, Kevin Kühnert und die ganze Trümmertru­ppe der SPD im Bund dazu“, lästert er in seiner Nominierun­gsrede und warnt vor „Bevormundu­ng“, „Umerziehun­g“und „Umverteilu­ng“. Die Parteifreu­nde jubeln und drücken wegen der Lobbygesch­äfte noch mal ein Auge zu.

 ?? Foto: Wüstneck, dpa ?? Philipp Amthor ist CDU‰Spitzenkan­didat in Mecklenbur­g‰Vorpommern für die Bundestags­wahl.
Foto: Wüstneck, dpa Philipp Amthor ist CDU‰Spitzenkan­didat in Mecklenbur­g‰Vorpommern für die Bundestags­wahl.

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