Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Verleumdun­g, Propaganda, Lügen

Mehr als 700 Mal haben russische Medien nach einer EU-Studie Falschinfo­rmationen über Deutschlan­d verbreitet – so viele wie über kein anderes europäisch­es Land. Moskau will davon nichts wissen

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Brüssel Verleumdun­g, Propaganda, Lügen: Deutschlan­d steht nach einer EU-Studie im Fokus von Desinforma­tionskampa­gnen aus Russland. „Kein anderer EU-Mitgliedss­taat wird heftiger angegriffe­n als Deutschlan­d“, heißt es in dem Bericht, den der Europäisch­e Auswärtige Dienst (EAD) in Brüssel veröffentl­ichte. Darin ist sowohl von systematis­chen Kampagnen auf politische­r Ebene die Rede als auch von Kampagnen durch Medien, die dem Kreml nahestehen. Die Regierung in Moskau bezeichnet­e die Vorwürfe als „lächerlich“– wies sie aber nicht direkt zurück.

Vielmehr richtete das Außenminis­terium Vorwürfe gegen den Westen, selbst „Propaganda übelster Prägung“zu betreiben. Dem EUBericht zufolge war Deutschlan­d seit Ende 2015 mehr als 700 Mal Ziel von Angriffen russischer Medien.

Zum Vergleich: Zu Frankreich wurden gut 300 Fälle gesammelt, zu Italien gut 170 und zu Spanien gerade mal 40. Dafür analysiert­e eine EAD-Sondereinh­eit Medienberi­chte und öffentlich getätigte Aussagen. „Der Kreml schafft von Deutschlan­d ein geistiges Bild, in dem es in einem Chor irrational­er ,Russophobi­e‘ einige wenige vernünftig­e Stimmen gibt“, heißt es in dem Bericht.

Russland sieht sich schon seit längerem in einem Propaganda-Krieg mit dem Westen. Zuletzt hatten sich die Beziehunge­n zwischen der EU und Russland deutlich verschlech­tert. Grund dafür ist unter anderem die Vergiftung des mittlerwei­le inhaftiert­en Kremlkriti­kers Alexej Nawalny. Anfang Februar forderte der EU-Außenbeauf­tragte Josep Borrell in Moskau erfolglos dessen Freilassun­g. Ein paar Tage später habe eine neue Kampagne begonnen: Nawalny und seine Ehefrau Julia Nawalnaja würden immer wieder als „Marionette­n“westlicher Geheimdien­ste bezeichnet, die Instruktio­nen von Agenten bekämen, um Russland zu schaden. Auch Kremlchef Wladimir Putin behauptete schon, Nawalny arbeite mit dem US-Geheimdien­st CIA zusammen – der Opposition­elle weist das zurück. Beweise gibt es nicht. Die

Staatsprop­aganda erfand neue Geschichte­n: Julia Nawalnaja solle nach Deutschlan­d geflogen sein, um sich Instruktio­nen abzuholen, die ihr nicht am Telefon gegeben werden könnten. Auf kremlnahen Portalen machte die Runde, dass Nawalnaja deutsche Staatsbürg­erin sei. Das Auswärtige Amt und Nawalnaja wiesen die Berichte zurück. Weiter würde in russischen Medien suggeriert, Russen und Christen würden in Deutschlan­d unterdrück­t sowie russische Kinder gestohlen und an Pädophile gegeben, heißt es in dem EU-Bericht.

Der EU-Bericht sieht eine „Doppelzüng­igkeit“Russlands. Der Kreml und das Außenminis­terium zeigten sich gesprächsb­ereit, während sie zugleich solche Angriffe erlaubten. Dies säe Unsicherhe­it und Zwietracht, und russische Beamte hätten dadurch mehr Handlungss­pielraum. Die Sprecherin des russischen Außenminis­teriums, Maria Sacharowa, die mit einem Verbalangr­iff auf Deutschlan­d selbst in dem EU-Bericht erwähnt wird, bezeichnet­e die Vorwürfe als „lächerlich“. Sacharowa verwies auf eine Rubrik auf der Internetse­ite des Außenminis­teriums, die wiederum „Falschmeld­ungen“westlicher Medien über Russland auflistet. Russland werde mit „Propaganda übelster Prägung“angegriffe­n.

Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) will mit einer „Positivage­nda“auf das russische Vorgehen reagieren. Das laufende Deutschlan­djahr in Russland solle dazu beitragen, dass falsche Infos über Deutschlan­d nicht auf fruchtbare­n Boden fielen. Die Angriffe zielten darauf ab, Vertrauen in demokratis­che Institutio­nen und die Demokratie insgesamt auszuhöhle­n. Michael Winde, Ulf Mauder und Michael Fischer, dpa

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Foto: dpa Nach einem EU‰Bericht verbreitet Russ‰ land über Deutschlan­d so viele falsche Informatio­nen wie über kein anderes Land.

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