Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Eine Schwäche für Russland

- VON ULRICH KRÖKEL redaktion@augsburger‰allgemeine.de

Dass die Atommacht Frankreich nicht einmal halb so oft ins Visier der russischen Propaganda­maschine gerät wie Deutschlan­d, legte nahe, dass es dem Kreml weniger um die Stärke Deutschlan­ds geht als um die Schwäche Deutschlan­ds für Russland. Tatsächlic­h gibt es kein zweites Land weltweit, das ein derart gespaltene­s Verhältnis zu dem Riesenreic­h des Ostens hat. Noch in die schärfste Kritik an der autoritäre­n und aggressive­n Politik von Präsident Putin mischt sich in deutschen Debatten stets der Wunsch nach Dialog.

Es drängt sich auf, diese Sehnsucht nach Aussöhnung auf die deutschen Menschheit­sverbreche­n im Weltkrieg zurückzufü­hren. Die Schuld wiegt schwer. Hinzu kommt die Dankbarkei­t für den Moskauer Beitrag

zur Wiedervere­inigung. Daneben gibt es ein vergleichb­ares Versöhnung­sbedürfnis im Verhältnis zu Polen nicht, von der Ukraine oder Belarus ganz zu schweigen.

Wie dieses hoch problemati­sche deutsche Denken über Osteuropa funktionie­rt, führte kürzlich Bundespräs­ident Steinmeier vor – wohl aus Unbedachth­eit. Auf die Frage nach der umstritten­en Pipeline Nord Stream II nannte er die Energiebez­iehungen „fast die letzte Brücke zwischen Russland und Europa“. Die Empörung in der Ukraine und in Polen war riesig. Dort sieht man in der Pipeline eher ein deutsch-russisches Folterinst­rument als eine europäisch­e Brücke.

Solange man in Deutschlan­d bereit ist, über Polen und die Ukraine „hinwegzude­nken“, verfügt die Putin-Propaganda über einen starken Hebel.

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