Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Islam auf dem Stundenplan
Neben evangelischen und katholischen Schülern bekommen nun auch muslimische Kinder ein eigenes Unterrichtsfach. Die Uni Augsburg würde dafür gerne Lehrer ausbilden
Augsburg Wer nicht katholisch oder evangelisch ist, der besucht den Ethik-Unterricht. So war es lange an den rund 6200 staatlichen Schulen im Freistaat. Meist treffen sich in Ethik nicht nur Kinder, die nicht an Gott glauben – sondern auch Schüler, die einer der bayernweit mehr als zwei Dutzend Religionsgemeinschaften fernab der christlichen angehören. Die größte ist der Islam. Nach Angaben des Kultusministeriums lernen an Bayerns Schulen etwa 163 000 muslimische Kinder und Jugendliche. Jetzt bekommen sie ein eigenes Unterrichtsfach: Islamischer Unterricht wird ab dem kommenden Schuljahr Wahlpflichtfach. Das heißt, Schüler können das Fach genauso wählen wie Ethik oder eben Religionslehre. Das bayerische Kabinett hat das bereits beschlossen. Jetzt muss noch der Landtag zustimmen.
Islamunterricht gibt es in Bayern schon seit 2009 – allerdings nur im Status eines Modellversuchs an ausgewählten Schulen. Zuletzt nahmen daran 16 000 Schüler an 364 Schulen teil – vor allem sind das Grund- und
Theologin sieht das Angebot nur als „Zwischenschritt“
Mittelschulen, vorwiegend in Städten. In diesen Häusern startet im Herbst das Wahlpflichtfach, andere Schulen können ebenfalls Bedarf anmelden. Die Schüler tauchen dabei nicht nur in ihre eigene Religion ein. Der Lehrplan sieht auch den Vergleich des Islam mit anderen Religionen vor, klärt Fragen des Zusammenlebens in westlichen Gesellschaften, als Projektarbeit schlägt er etwa vor, dass Schüler ein muslimisches Fest für ihre Klasse organisieren.
Konservative Abgeordnete im Landtag forderten bis zuletzt, das Fach Wertekunde zu nennen. Auch der Augsburger AfD-Politiker Markus Bayerbach hatte in der Vergangenheit für ein Fach dieses Namens plädiert. Auf diese Weise wollte Bayerbach, Vorsitzender des Bildungsausschusses im Landtag, „den Kindern den Rahmen klarmachen, in den sie sich integrieren sollen“.
Was den Kritikern oft nicht bewusst ist: Der Islamische Unterricht ist nicht bekenntnisorientiert. Anders als beim katholischen und evangelischen Religionsunterricht sprechen nicht die Kirchenverbände bei den Inhalten mit. Es handelt sich um ein staatliches Angebot, bei dem staatliche Lehrkräfte auf Deutsch Wissen über die islamische Religion
Werte des bayerischen Grundgesetzes vermitteln. Das hatte man im Kultusministerium über viele Jahre hinweg gebetsmühlenartig wiederholt.
Der evangelischen Theologin Elisabeth Naurath von der Universität Augsburg wäre es anders lieber. Seit Jahren kämpft die Lehrstuhlinhaberin für Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts für einen wirklichen, bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht. Einen, den die Religionsgemeinschaften mitgestalten. Das neue Wahlpflichtfach sieht sie nur als „Zwischenschritt“. In der jetzigen Form habe man „keine wirkliche Gleichstellung für Kinder und Jugendliche islamischen Glaubens“. Wichtig sei eine gute Akzeptanz des Unterrichtsangebots bei den islamischen Gemeinden und Familien. Dass im Zusammenhang mit dem neuen Islamunterricht ständig von Werteunterricht gesprochen wird, findet Naurath „problematisch“. Nicht selten werde diese „Werteerziehung in einem Atemzug mit Gewaltund Terrorismus-Prävention“ genannt. „Das ist wenig hilfreich, den bekannten gesellschaftlichen Vorurteilen und Feindbildern gegenüber Muslimen effektiv entgegenzuwirken.“
Birgül Karaarslan ist selbst Lehrerin, sie gibt neben Deutsch, Englisch und Türkisch auch islamischen Religionsunterricht – allerdings nicht in Bayern, sondern in Krefeld (Nordrhein-Westfalen). Als Vorsitzende des Verbands muslimischer Lehrkräfte in Deutschland vertritt sie aber auch Kollegen im Freistaat. Dass hier vorerst ein nicht-bekenntnisorientierter Islamischer Unterricht eingeführt wird, kritisiert sie: „Religionsunterricht ist eine Glaubensfrage. Jedes Kind hat darauf ein Anrecht.“Anders als Bayern erlaubt Nordrhein-Westfalen seit 2011 einen bekenntnisorientierten Islamunterricht. Damit entscheidet ein muslimisches Gremium und nicht der Staat über Lehrplan und Lehrkräfte.
In Bayern werden die staatlich zertifizierten Lehrer für Islamischen Unterricht bislang nur an der Friedrich-Alexander-Universität Erlanund gen-Nürnberg ausgebildet. Etwa 100 gibt es bislang. Sie sollen jetzt fest angestellt werden, nachdem sie jahrelang um ihre Stellen bangten, immer in der Hoffnung, dass der Modellversuch Islamunterricht nicht abgesetzt wird.
Religionspädagogin Elisabeth Naurath würde am liebsten auch an der Universität Augsburg einen Studiengang für Islamische Religionslehre anbieten. Schon jetzt engagieren sich Wissenschaftler verschiedener Disziplinen dort in der Forschungsstelle Interreligiöse Bildung, Lehramtsstudierende können im Erweiterungsstudiengang „Interreligiöse Mediation“ein Zertifikat für den Umgang mit religiöser Vielfalt in der Schule erwerben.
Die Weichen seien gestellt, sagt die Theologin. „Wenn es politisch gewünscht ist, steht die Universität in der Friedensstadt Augsburg in den Startlöchern, um islamische Religionslehrkräfte auszubilden und damit einen wesentlichen Beitrag zur Integration leisten zu können.“Bislang aber fehlt das politische Signal.