Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Mehr Pollen in der Luft, mehr CoronaInfektionen
Augsburger Wissenschaftler vermuten, dass Pollen die Abwehrfähigkeit des Körpers gegen Viren schwächen können
Augsburg/München Starker Pollenflug kann einer Studie zufolge das Risiko für eine Infektion mit dem Coronavirus erhöhen. Zu diesem Schluss kommt ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Wissenschaftlern der Universität Augsburg, der Technischen Universität München und des Helmholtz Zentrums München im Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences. Auf Basis ihrer Untersuchungen schlussfolgern sie: Werden Pollen eingeatmet, könnten diese die Schleimhäute angreifen und die Immunantwort lähmen. Dadurch könnten die Schutzbarrieren des Körpers geschwächt werden, sodass es Erreger wie das Coronavirus leichter haben könnten, Zellen zu infizieren. Dieser Effekt sei auch statistisch zu beobachten, erklärten die Forscher am Dienstag in einer digitalen Präsentation: Habe es viele Pollen in der Luft gegeben, so seien auch die Infektionszahlen gestiegen.
Professorin Claudia Traidl-Hoffmann und Stefanie Gilles, beide vom Lehrstuhl für Umweltmedizin der Uni Augsburg, sind maßgeblich an der Studie beteiligt und erklären die Zusammenhänge. Gilles: „Wir haben gesehen, dass Pollen die Abwehrreaktionen des Körpers gegen Viren beeinflussen. Bei Allergikern wie bei Nicht-Allergikern.“
Für ihre Studie haben die Wissenschaftler Umweltdaten von 130 Regionen in 31 Ländern gesammelt und ausgewertet. Sie berücksichtigten ebenfalls demografische Faktoren und Umweltbedingungen, darunter Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Bevölkerungsdichte und die Ausprägung des Lockdowns. Ihr Ergebnis: Die täglichen Infektionsraten korrelierten mit der Pollenzahl in Ländern mit und ohne Lockdown. So zeigte sich ihren Angaben zufolge zum Beispiel auch in Augsburg ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Stärke des Pollenflugs und der Zahl der Corona-Infektionen. An Orten ohne LockdownRegelungen stieg die Infektionsrate im Schnitt um vier Prozent, wenn sich die Anzahl der Pollen in der Luft um 100 pro Kubikmeter erhöhte. „Doch natürlich sind solche Umwelteinflüsse nur ein Faktor für den Verlauf der Pandemie“, betont Traidl-Hoffmann.
Doch welche Auswirkungen werden diese Ergebnisse nun auf das Verhalten der Bevölkerung haben? Die Wissenschaftler jedenfalls geben anhand ihrer Ergebnisse bereits erste Empfehlungen: Sie raten beispielsweise dazu, dass besonders Risikogruppen auch im Freien eine Maske tragen sollten, um die Atemwege zu schützen und die Pollen von den Schleimhäuten fernzuhalten.
Inwieweit nun die Stärke des Pollenflugs auch einen Einfluss auf die Schwere der Covid-19-Krankheitsverläufe hat, das wollen die Forscher nun in einem nächsten Schritt herausfinden: Sie planen dazu eine Studie in Augsburg mit Covid19-Infizierten und suchen dafür ab sofort Probanden.