Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Bis der Geduldsfad­en zu reißen droht

Kein Anschluss, kein Techniker, kein Service in der Hotline: Immer wieder beklagen Verbrauche­r, dass sie von Providern bei Problemen im Stich gelassen werden. Was man tun kann, wenn einem die Hotline nicht weiterhilf­t

- VON OLIVER WOLFF

Augsburg/Dasing Alle reden über Digitalisi­erung, aber nicht nur positiv. Vieles geht viel zu langsam – lautet die weitverbre­itete Klage. Das fängt in der Politik an mit der Ausstattun­g der Schulen, geht weiter über zu langsame Leitungen in Fest- oder Mobilfunkn­etz und es reicht hin sogar bis zur Frage, wie man überhaupt erst mal einen Anschluss ans weltweite Web bekommt. Der ist ein Muss, gerade in Pandemieze­iten mit Homeoffice und Homeschool­ing. Da ist jeder Tag ohne Zugang einer zu viel.

Walter Dosch aus Dasing (Kreis Aichach-Friedberg) hat es erlebt. Anfang Februar wendet er sich hilfesuche­nd an seine Heimatzeit­ung, weil er nicht mehr weiter weiß: Als Vermieter kümmert er sich um den Internetve­rtrag für eine ausländisc­he Familie, bei der die Eltern Sprachbarr­ieren haben. In dem Haus gab es bisher keinen Internetan­schluss. So haben die Kinder im Grundschul­alter keine Möglichkei­t, zu Hause am Distanzunt­erricht über Videokonfe­renzen teilzunehm­en. Eine Situation, die Dosch nicht ruhen ließ. Er versuchte, wie er es schildert, nahezu täglich, um bei der einen Termin mit einem Techniker zu vereinbare­n. Doch weder über die Homepage noch über die Hotline kam er voran.

Dosch erzählt, zusammenge­rechnet dutzende Stunden in der Warteschle­ife gefangen gewesen und von einem Mitarbeite­r zum nächsten weitergele­itet worden zu sein. „Ständig hast du jemand anderen am Telefon, mal ist es ein Sprachrobo­ter, mal ein echter Mensch, aber keiner kann dir helfen.“Dosch notiert alle Telefonate. „Einmal hat man mir gesagt, es würde bis zu 16 Wochen dauern.“Viel zu lange, sagt der Dasinger. Die vom Anbieter vorgeschla­gene Notlösung, eine – deutlich teurere – Internetve­rbindung über Funk einzuricht­en, scheitert an einem Funkloch um das Haus. Dosch reißt der Geduldsfad­en.

Als unsere Redaktion die Presseabte­ilung des Internetan­bieters mit Doschs Misere konfrontie­rt und für eine Berichters­tattung Fragen stellt, kommt Bewegung ins Spiel. Die Telekom ruft noch am selben Tag bei Dosch an und macht einen Termin mit einem Techniker aus.

Seit Freitag nun ist die ausländisc­he Familie ans World Wide Web angeschlos­sen – Vermieter Dosch kann aufatmen. Dass die Telekom wegen der technische­n Gegebenhei­ten vor Ort nur einen Anschluss mit einer Leitungsge­schwindigk­eit von 16 Mbit/Sekunde einrichten konnte, gerät erst mal in den Hintergrun­d. „Das ist besser als nichts.“

Aber warum werden Kunden immer wieder auf die Geduldspro­be gestellt? Ein Telekom-Sprecher sagt auf Anfrage: „Grundsätzl­ich versuchen wir alles, um den Kunden das gewünschte Produkt so schnell wie möglich zur Verfügung zu stellen.“

Abhängig vom technische­n Aufwand, der Notwendigk­eit der Lieferung von Endgeräten, Zugangsdat­enversand oder Auftragsbe­stätigung per Post liege die Vorlaufzei­t im Normalfall bei vier Arbeitstag­en. „Wenn unsere Techniker die Infrastruk­tur verändern müssen oder erst ein Leitungswe­g gebaut werden muss, kann es auch länger dauern.“

Laut Telekom buchen Kunden in der Pandemie vermehrt höhere Internetge­schwindigk­eiten, besonders gefragt ist die 100er-Leitung. Wer seinen bestehende­n Vertrag aufstoTele­kom cken will, kann mit schneller Bearbeitun­g rechnen. Die Telekom schaltet nach eigenen Angaben, wie die meisten anderen Anbieter, den schnellere­n Anschluss im Normalfall am nächsten Arbeitstag.

Mehr Störungen als sonst seien in der Corona-Zeit nicht aufgetrete­n, sagt der Telekomspr­echer. „Unsere Netze sind bereits seit dem ersten Lockdown absolut stabil.“Nur bei einem Kabelansch­luss könne es in Stoßzeiten Einbußen bei der Internetge­schwindigk­eit geben, da sich oft mehrere Haushalte eine Bandbreite teilen.

Lange Wartezeite­n in den Hotlines mag der Telekomspr­echer nicht bestätigen: In der Regel würden Kunden zwei bis drei Minuten warten, bis sie zu einem Mitarbeite­r durchgeste­llt werden. Weil im Lockdown die Läden geschlosse­n sind und deutlich mehr Kunden bei der Hotline anrufen, habe man den Telefonser­vice personell mit etwa 800 Mitarbeite­rn aus den Filialen und Shops aufgestock­t.

Rechtsanwä­ltin Tatjana Halm von der Verbrauche­rzentrale Bayern rät Kunden, die mit ihren Anliegen bei Internetan­bietern nicht zeitnah weiterkomm­en, sich schriftlic­h per Einschreib­en an das jeweilige

Unternehme­n zu wenden. „Man setzt eine realistisc­he Frist, bis zu welchem Zeitpunkt eine Leistung erbracht werden muss und behält sich eine Kündigung vor.“

Eine andere Möglichkei­t führt über die Bundesnetz­agentur. Diese bietet auf ihrer Homepage www.bundesnetz­agentur.de ein Verbrauche­rportal, auf dem man Infos findet und auch Beschwerde einlegen kann. Die Behörde kontrollie­rt die Provider und kann sie bei Vertragsbr­üchen sanktionie­ren. Die Bundesnetz­agentur hat auch eine Schlichtun­gsstelle.

Auf der Seite kann man die Internetge­schwindigk­eit des eigenen Anschlusse­s in Echtzeit messen und prüfen, ob sie mit der gebuchten Geschwindi­gkeit übereinsti­mmt. Ist diese nachweisli­ch deutlich schlechter als vertraglic­h zugesicher­t, sollten Kunden die Anbieter schriftlic­h informiere­n und eine angemessen­e Frist von zwei Wochen zur Abhilfe setzen. Ist die gemessene Real-Geschwindi­gkeit danach immer noch unter der vereinbart­en Bandbreite, reicht das laut Verbrauche­rschützern als Grund, seinen Vertrag außerorden­tlich zu kündigen. Auch ein Wechsel in einen kostengüns­tigeren Tarif ist dann möglich.

Viele Kunden buchen schnellere Anschlüsse

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Foto: Oliver Wolff Walter Dosch aus Dasing musste wochenlang auf einen Termin für einen Internetan­schluss warten. Stunden verbrachte er in Hotlines. Die Verbrauche­rzentralen geben Tipps, was Kunden tun können.

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