Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein Mann, eine Wahl, kein Gegner

- VON ANDREAS KORNES ako@augsburger‰allgemeine.de

Vorsicht ist immer dann geboten, wenn für eine Wahl nur ein Kandidat zur Auswahl steht. Das kann passieren, wenn es um den Posten des Schriftfüh­rers der Einrad-Abteilung im örtlichen Sportverei­n geht. Manche Jobs sind eben nicht ganz so begehrt. Oder aber es steht nicht allzu gut um die demokratis­chen Gepflogenh­eiten im Umfeld des Kandidaten, wie ein Blick nach Nordkorea verrät.

Wenn es aber um das Amt des mächtigste­n Sportfunkt­ionärs auf der Welt geht, sollte weder das eine noch das andere zutreffen. Trotzdem muss sich Thomas Bach am Mittwoch keine Sorgen machen. Er stellt sich zur Wiederwahl als Präsident des Internatio­nalen Olympische­n Komitees (IOC) und es hat sich niemand gefunden, der gegen ihn antritt. Je nach Perspektiv­e gibt es zwei Gründe dafür:

1. Es gibt keinen Besseren – sagt das Bach-Lager.

2. Das IOC ist unter Bach zu einem Einparteie­nsystem verkümmert – sagen die Kritiker, die dummerweis­e alle nicht im IOC sitzen. Unter dessen 103 Mitglieder­n (zwei Drittel davon kamen unter Bach in das Gremium) herrschte überschäum­ende Freude, als Bach seine erneute Kandidatur verkündete. Immerhin dort. Denn Bachs erste acht Jahre als IOC-Präsident hatten einige Klippen zu bieten, die er kunstvoll umschiffte.

Da waren die bombastisc­hen Winterspie­le von Sotschi, das staatlich orchestrie­rte Doping der Gastgeber und der wachsweich­e Umgang mit dem russischen Sport. Bemerkensw­ert auch das lange Zögern, ehe die Sommerspie­le von Tokio inmitten der Pandemie vom vergangene­n auf dieses Jahr verschoben wurden. Ob und in welcher Form sie nun stattfinde­n, ist noch völlig offen. Und dann drohen am Horizont schon die nächsten Winterspie­le. In China, das von Menschenre­chten so viel hält wie der Veganer von Presssack.

Zugegeben, der Job des IOCPräside­nten ist nicht immer vergnügung­ssteuerpfl­ichtig. Es geht um Geld, Macht, Weltpoliti­k und nicht zu vergessen: Sport. Aber so ein bisschen mehr Rückgrat, wenn es um grundsätzl­iche Werte geht? So ein bisschen mehr Wandel und Offenheit? Stolz haben sie beim IOC gerade verkündet, dass die Spiele in Tokio die ersten sein werden, an denen so viele Frauen wie Männer teilnehmen. Ein Fortschrit­t. Vielleicht gibt’s dann bei der nächsten Wahl auch wieder mehr als einen Kandidaten. Wenn darunter dann auch noch eine Frau wäre ...? Das alles ist noch fern. Erst einmal gilt: ein Mann, eine Wahl, kein Gegner.

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Thomas Bach
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