Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wenn Geschäftspartner plötzlich die Kontonummer ändern
Betrüger versuchen, im Internet auch Firmen mit allerlei Tricks über den Tisch zu ziehen. Wie Mitarbeiter des Königsbrunner Unternehmers Ludwig Göttle kürzlich einen solchen Versuch erfolgreich verhindert haben
Königsbrunn Ludwig Göttle hat den Betrugsversuch E-Mail für E-Mail auf seinem Handy gespeichert: Seine Königsbrunner Firma vertreibt vom Firmensitz im Gewerbegebiet Süd aus weltweit Leiterplattentechnik. Anfang Februar mahnte die Firma bei einem Kunden in Ungarn eine ausstehende Zahlung von 60.498 Euro an. Der versprach, sich umgehend um die offene Rechnung zu kümmern. Doch nach der Kontaktaufnahme schalteten sich per Mail die Betrüger dazwischen und versuchten, die Zahlung auf ihr Konto umzuleiten. Dabei gingen die Kriminellen ziemlich raffiniert vor.
Die Betrüger-Mail ist in sauberem Englisch formuliert. Ein Mitarbeiter der ungarischen Firma wird direkt und mit Vornamen angeschrieben und nach dem werten Befinden gefragt. Als Absender wird die Mail-Adresse der Buchhaltung der Firma Göttle angegeben und der Name einer existierenden Mitarbeiterin angezeigt. Dann kommen die Betrüger zur Sache: Weil die Hausbank durch die Corona-Pandemie derzeit Probleme beim Abwickeln von Zahlungen habe, solle die ungarische Firma ihr Geld auf ein Bankkonto in Baden-Württemberg transferieren. Dafür gebe es einen Rabatt von 498 Euro.
Der angesprochene Mitarbeiter in Ungarn fragte bei seiner Chefin an, ob er den Wechsel durchziehen solle. Die antwortete: „Nein, nicht ohne Bestätigung.“Die tatsächliche Mitarbeiterin von Göttle erklärte, dass sie die Mail selbstverständlich nicht geschrieben habe. Es gab keinen Kontowechsel und die Zahlung wurde mittlerweile korrekt abgewickelt. „Das hätte ein enormer Schaden für unseren Partner in Ungarn werden können“, sagt Ludwig Göttle. Wären sie den Betrügern aufgesessen, hätte die Firma natürlich trotzdem ihre Schulden begleichen müssen. Ludwig Göttle hat den Fall sofort bei der Polizei gemeldet und auch die Bank in Baden-Württemberg informiert.
Wie die Betrüger an die Mailadressen und den Vorgang gekommen sind, kann der Unternehmer nicht nachvollziehen. Schärfere Sicherheitsmaßnahmen werde man vorerst nicht treffen, sagt Göttle. Alle größeren Zahlungen liefen ohnehin noch einmal über seinen Schreibtisch. Zudem seien die Mitarbeiter für solche Betrugsmaschen sensibilisiert, seit ein chinesischer Partner vor einiger Zeit warnte, auf keinen Fall auf Mails zu reagieren, in denen ein Kontowechsel angeschoben werden soll.
Erster Kriminalhauptkommissar Norbert Wieland leitet das Kommissariat 11 (Cybercrime) beim Polizeipräsidium in Augsburg und kennt die Masche gut: „Solche Fälle haben wir nicht jeden Tag, aber doch immer wieder. Die Zahlen sind aber eher rückläufig, weil sich die meisten Firmen mittlerweile darauf eingestellt haben.“Um ein klassisches „Cybercrime“handle es sich vermutlich nicht: „Wenn sich jemand die Mühe macht, in ein Computersystem einzudringen, will er normalerweise viel Geld erpressen.“In solchen Fällen würden die Daten verschlüsselt und Lösegeld gefordert. Er glaubt im Fall der Firma Göttle eher an ein klassisches Betrugsdelikt.
Gerade bei osteuropäischen Firmen stelle man oft fest, dass Kriminelle an firmeninterne Informationen kommen oder schlecht gesicherte Accounts ausspähen. Eine Mail zu fälschen, sei dann ein Leichtes, sagt Wieland. Manche Betrüger legen etwa Adressen an, die sich in einem Buchstaben vom Original unterscheiden, sodass der Empfänger bei flüchtigem Lesen den Betrug nicht erkennt.
Der Ermittlungserfolg hängt vom Grad der Technisierung der Angreifer ab. In Teilen Osteuropas und Westafrikas gebe es professionelle Banden, die es verstehen, ihren Standort effizient zu verschleiern. Die Bankkonten in Europa würden zudem oft von sogenannten „arglosen Geldwäschern“eröffnet, sagt Wieland. Diese melden sich auf Internet-Anzeigen, in denen AppTester gesucht werden oder leicht verdientes Geld versprochen wird. Die so angeworbenen Helfer eröffnen dann ein Konto und geben die Kontaktdaten an einen Mittelsmann weiter. Wer hinter dem Geschäft steckt, wissen diese Leute meist nicht. Es gebe aber auch immer wieder Erfolge, weil die Polizei sich immer besser vernetzt: So habe man in Rumänien eine Bande ausfindig gemacht, die im großen Stil Betrügereien über Ebay-Kleinanzeigen begangenen hatte.
Um Verbrechen im Internet effizient zu bekämpfen, stelle die bayerische Polizei verstärkt Informatiker ein, die die Ermittler mit ihrer Expertise unterstützen. Zudem wird derzeit am Präsidium in Augsburg ein sogenanntes „Quick Reaction Team“aufgebaut, das betroffenen Bürgern oder Firmen schnell helfen kann, den Schaden zu begrenzen und Daten wiederzuerlangen.
Auch die Polizei rüstet auf – und vermeldet Erfolge