Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Kretschmann feiert Triumph
Der baden-württembergische Ministerpräsident kann sich seine Partner aussuchen. In Rheinland-Pfalz reicht es weiterhin für Malu Dreyer und ihre Ampelkoalition
Stuttgart/Mainz Winfried Kretschmann hat bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg einen triumphalen Sieg eingefahren. Der einzige grüne Ministerpräsident der Republik übertraf nach ersten Prognosen am Abend seinen eigenen Rekord von 2016 und kann sich seine(n) Koalitionspartner aussuchen. Auch in Rheinland-Pfalz bleibt die populäre Regierungschefin Malu Dreyer wohl im Amt. Zwar verlor ihre SPD leicht an Zuspruch, für das bisherige Ampelbündnis reicht es trotzdem. Das hat sie auch den Grünen zu verdanken, die stark zulegten.
Großer Verlierer des Wahlsonntags ist die CDU. Nicht nur in Baden-Württemberg, wo die Partei einst jahrzehntelang wie selbstverständlich die Ministerpräsidenten gestellt hatte, kassierte sie mit Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann ihr schlechtestes Ergebnis aller Zeiten. Auch in Rheinland-Pfalz stürzte sie mit Christian Baldauf auf einen historischen Tiefpunkt. Die jüngsten Skandale um dubiose Geschäfte von Bundestagsabgeordneten der Union dürften der CDU geschadet haben. Doch damit allein sind die Schlappen wohl nicht zu begründen. Wegen der Pandemie hatten sich so viele Bürger wie noch nie für die Briefwahl entschieden. Ein Teil von ihnen hatte die Stimmzettel also schon ausgefüllt, bevor die MaskenDeals aufflogen. Eher ist es wohl so, dass die jüngsten Pannen im Corona-Krisenmanagement der Bundesregierung vor allem der CDU angelastet werden. Für den neuen Parteichef Armin Laschet, der auch Kanzlerkandidat der Union werden will, beginnt das Superwahljahr jedenfalls mit einem herben Dämpfer.
Während wohl auch die SPD in beiden Ländern so schlecht abschnitt wie nie, profitieren die Grünen am stärksten von der Schwäche der Union, die auch in bundesweiten Umfragen zuletzt massiv an Boden verlor. In Baden-Württemberg lag das vor allem an einem Ministerpräsidenten, der sich selbst zum Programm machte. Sogar CDU-Anhänger trauen es ihm eher zu, das Land durch die stürmischen Zeiten zu steuern, als ihrer eigenen Kandidatin. Kretschmann kann nun sein Bündnis mit der CDU fortsetzen, er hätte aber auch zusammen mit SPD und FDP eine Mehrheit. Am Abend kündigte er an, diese Ampel-Option zumindest auszuloten.
Die FDP legte in Baden-Württemberg deutlich zu, während die AfD ihren Zenit offenbar hinter sich hat. Die Rechtspopulisten blieben klar hinter ihren Ergebnissen von 2016 zurück, als sie von der Unzufriedenheit vieler Bürger mit der Flüchtlingspolitik profitiert hatten. Die vielleicht größte Überraschung des Wahltages: Die Freien Wähler ziehen aller Voraussicht nach erstmals in den rheinland-pfälzischen Landtag ein. Die Linkspartei hingegen verpasste erneut klar den Sprung in die beiden Parlamente.
Im Kommentar verrät Margit Hufnagel Kretschmanns Erfolgsgeheimnis. Im Leitartikel erklärt Rudi Wais, warum Schwarz-Grün trotz allem kein Selbstläufer ist. Weitere Hintergründe in der Politik.