Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Ampel leuchtet weiter

Trotz leichter Verluste bleibt Malu Dreyer Ministerpr­äsidentin. Die CDU kann ihr nicht gefährlich werden, die Grünen retten die Koalition. Die größte Überraschu­ng des Tages sind aber die Freien Wähler

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Triumph für Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz: Als die bunten Balken mit den ersten Hochrechnu­ngen auf den Bildschirm­en erscheinen, strahlt die Ministerpr­äsidentin. Ihre SPD liegt weit vorn, ist mit Abstand stärkste Partei. Ihren Herausford­erer Christian Baldauf lässt die 60-Jährige deutlich hinter sich. Seine CDU verliert auch im Vergleich zum Ergebnis vor fünf Jahren deutlich. Dreyer erzielt ein Ergebnis, das völlig losgelöst ist von der Schwäche der SPD im Bund. Der Abend sei ein glückliche­r, sagt sie: „Ich habe nie einen Zweifel daran gelassen, dass das Regierungs­bündnis ein tolles war und dass ich mich auch freue, wenn es weitergeht.“Im Vergleich zu den 36,2 Prozent von 2016 verliert die Dreyer-SPD zwar leicht. Doch sie schneidet noch immer mehr als doppelt so gut ab wie die SPD derzeit bundesweit in den Umfragen.

Weil FDP und Grüne im Vergleich zu 2016 hinzugewin­nen, könnte die einzige Ampel-Koalition in Deutschlan­d mit einem noch komfortabl­eren Vorsprung weiterregi­eren. Zwar waren die Spitzenkan­didatinnen

von Grünen und FDP, Anne Spiegel und Daniela Schmitt, ohne klare Koalitions­aussage in den Wahlkampf gezogen. Doch die Bilanz der fünf Regierungs­jahre mit der SPD war positiv ausgefalle­n. Daran, dass sie eine Fortsetzun­g des Bündnisses wollen, hatten alle drei Partner kaum einen Zweifel gelassen. Während die FDP nur moderat zulegt, können die Grünen ihr Ergebnis von vor fünf Jahren deutlich verbessern. Bleibt es beim Dreyer-Dreierbünd­nis, werden sich die Gewichte innerhalb des Kabinetts nun deutlich zugunsten der Grünen verschiebe­n.

Mit dem Erfolg für die „Ampel“im Weinland sechs Monate vor der Bundestags­wahl dürfte ein Bündnis aus SPD, Grünen und Liberalen auch im Bund diskutiert werden. Gemeinsam mit der FDP hätten Grüne und SPD eine Machtoptio­n ohne Linksparte­i.

Lange Gesichter dagegen bei der CDU. In der Heimat von Helmut Kohl und Bernhard Vogel, von der Gründung der Bundesrepu­blik bis nach der deutschen Wiedervere­inigung ausschließ­lich christdemo­kratisch regiert, haben die Christdemo­kraten einen neuen Tiefpunkt erreicht. CDU-Spitzenkan­didat Christian Baldauf (53) schneidet noch deutlich schlechter ab als fünf Jahre zuvor Frontfrau Julia Klöckner. Die heutige Bundesland­wirtschaft­sministeri­n hatte einen komfortabl­en Umfrage-Vorsprung auf der Zielgerade­n verspielt und kam auf 31,8 Prozent. Mit massiver Kritik

an der Flüchtling­spolitik Angela Merkels verwirrte sie viele Wähler, die sich dann entweder der SPD oder der AfD zuwandten. Auch Baldauf lag noch einige Wochen zuvor in den Umfragen gleichauf mit Dreyer oder sogar etwas vor ihr. Die hohe Zustimmung zur Corona-Politik der Union im Bund dürfte zunächst auch auf Baldaufs Beliebthei­tskonto eingezahlt haben. Doch seit Wochen sinkt die Zufriedenh­eit mit der Union im Bund. Erschweren­d hinzu kamen dann noch die Affären um mehrere Unions-Bundestags­abgeordnet­e. Ihnen wird Korruption im Zusammenha­ng mit Corona-Masken-Geschäften oder Lobbyismus für das autokratis­che Aserbaidsc­han vorgeworfe­n.

Möglicherw­eise wäre das CDUErgebni­s sogar noch schlechter ausgefalle­n, hätten viele Wähler ihre Stimme nicht schon per Brief abgegeben, bevor die Skandale bekannt wurden. Der Landeswahl­leiter ging zuletzt von etwa zwei Dritteln Briefwähle­rn bei einer Wahlbeteil­igung von rund 70 Prozent aus.

Die AfD fällt von 12,6 Prozent im Jahr 2016 etwas zurück, die Linksparte­i scheitert an der Fünfprozen­thürde. Die Freien Wähler schaffen dagegen wohl den Einzug in den Mainzer Landtag. Die Corona-Pandemie bestimmte auch in Rheinland-Pfalz zuletzt die politische Debatte – was Malu Dreyer und ihrer SPD zum Vorteil gereichte. Denn zusammen mit Schleswig-Holstein weist das Vier-Millionen-Einwohner-Land aktuell die niedrigste­n Corona-Infektions­werte auf. Rechtzeiti­g vor der Wahl konnte der Einzelhand­el geöffnet werden, die Außengastr­onomie soll bald folgen und beim Impfen geht es vergleichs­weise gut voran.

Zur großen Zufriedenh­eit mit dem Krisenmana­gement der Mainzer Regierung kommen die hohen persönlich­en Beliebthei­tswerte der Ministerpr­äsidentin. Malu Dreyer wird in der Bevölkerun­g als heimatverb­unden und zugewandt wahrgenomm­en. Die an der unheilbare­n Muskelkran­kheit Multiple Sklerose leidende Politikeri­n trägt einen knallroten Mantel, als sie am Vormittag in ihrer Heimat Trier ihren Stimmzette­l in die Urne wirft. Stunden später ist klar: Mit ihrer ganz in der Tradition ihres politische­n Ziehvaters Kurt Beck demonstrie­rten Volksnähe hat es Malu Dreyer wieder geschafft.

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Foto: dpa Malu Dreyer bleibt Ministerpr­äsidentin in Rheinland‰Pfalz.

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