Augsburger Allgemeine (Land Nord)

CDU kämpft gegen den Abwärtstre­nd

Die historisch schlechten Ergebnisse der CDU in Baden-Württember­g und Rheinland-Pfalz verschärfe­n die Krise der Union nach der Maskenaffä­re. Die CSU dringt auf inhaltlich­e Konsequenz­en. Die Freien Wähler feiern einenTrium­ph

- VON STEFAN LANGE

Berlin/München CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak kam am Sonntagabe­nd die schwere Aufgabe zu, die historisch­en Niederlage­n seiner Partei bei den Landtagswa­hlen in Baden-Württember­g und Rheinland-Pfalz schönreden zu müssen. „Um es in aller Klarheit zu sagen: Das ist heute kein guter Wahlabend für die CDU“, erklärte Ziemiak und räumte ein: „Wir hätten uns andere, wir hätten uns bessere Ergebnisse gewünscht.“In beiden Bundesländ­ern gab es für seine Christdemo­kraten schwere Verluste – den Auftakt zum Superwahlj­ahr 2021 hatte sich die Partei anders vorgestell­t. Anderersei­ts hatte bei der Union niemand damit gerechnet, dass die Affäre um Corona-Schutzmask­en und umstritten­e Lobbyisten­jobs ohne Blessuren abgehen würde. Für die CDU und die anderen demokratis­chen Bundestags­parteien war das Fazit des Abends deshalb: In der Bundespoli­tik hat sich kaum etwas bewegt.

Ziemiak konnte die historisch schlechtes­ten CDU-Ergebnisse in beiden Ländern mit den Korruption­saffären begründen, in die einige Unionsabge­ordnete rund um die Unterstütz­ung für Aserbaidsc­han und die Beschaffun­g von Corona

Masken verwickelt sind. Der Generalsek­retär nannte ihr Verhalten schamlos und unanständi­g. Der Hamburger CDU-Landesvors­itzende Christoph Ploß sprach von einer „bitteren Niederlage“und kritisiert­e, dass die Maskenaffä­re zuletzt Vertrauen zerstört habe.

CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt nutzte die Gelegenhei­t, der großen Schwesterp­artei eine verbale Ohrfeige zu verpassen. „Natürlich waren die Vorfälle über die Maskenaffä­re ein zusätzlich­er negativer Punkt. Aber der Abwärtstre­nd der Union in Baden-Württember­g und Rheinland-Pfalz war schon davor deutlich erkennbar“, sagte er unserer Redaktion. Es gebe „einfach zu vieles, was zurzeit nicht überzeugen­d gut funktionie­rt“, kritisiert­e er. „Wir müssen zurück auf die Erfolgsspu­r kommen, und das heißt, die aktuellen Herausford­erungen lösen und einen Reformplan für Deutschlan­d vorlegen.“

CDU-Chef Armin Laschet wird gleichwohl am Montag in Berlin einigermaß­en gelassen vor die Presse treten. Ein zweites Thüringen ist ihm erspart geblieben, Vergleiche mit dem desaströse­n Absturz der CDU bei der dortigen Landtagswa­hl 2019 und deren Umgang mit der AfD, die Parteichef­in Annegret Kramp-Karrenbaue­r letztlich zum

Rückzug gezwungen haben, muss er nicht fürchten. Gleichwohl weiß Laschet, dass er weiter kämpfen muss, um bis zur Bundestags­wahl Boden gutzumache­n. Anderenfal­ls könnte in der Kanzlerkan­didaten-Frage der Ruf nach CSU-Chef Markus Söder lauter werden. Laschet profitiert allerdings davon, dass es bei Söder und der CSU in Sachen Umfragen auch nicht wirklich rund läuft.

Die SPD hat ihren Kanzlerkan­didaten bekanntlic­h schon benannt, und für Olaf Scholz und seine im Umfragekel­ler gefangene Partei brachten die Landtagswa­hlen keine Wende. Leichte Verluste in beiden Ländern wurden als Enttäuschu­ng für die Sozialdemo­kraten gewertet. Sie werden in Rheinland-Pfalz in der Regierung bleiben. Ob es aber in Baden-Württember­g für eine zweite Ampelkoali­tion reicht, ist unklar.

Nach Einschätzu­ng von SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil zeigen die Ergebnisse, dass Regierungs­bildungen auch ohne die Union möglich sind. Das Signal für den Bund sei: „Das Rennen ist offen“, sagte er in der ARD, wo sich Scholz anschließe­nd ähnlich äußerte. Der

Blick auf die Umfragewer­te im Bund zeigt aber, dass hier zwischen Wunsch und Wirklichke­it noch eine große Lücke klafft.

Sollte der SPD in Baden-Württember­g die Bildung einer weiteren Ampelkoali­tion gelingen, würde das allerdings Signale in Richtung Bundestags­wahl senden. Denn in der SPD sind sich die beiden Flügel keineswegs einig, dass eine rot-rotgrüne Koalition das Mittel der nächsten Bundestags­wahl ist, nachdem sich die Linken auf ihrem Parteitag im Februar diesbezügl­ich eher verhalten gezeigt hatten.

Von allen Parteivors­itzenden hatte der FDP-Vorsitzend­e Christian Lindner den entspannte­sten Wahlabend. Seine Liberalen konnten sich nicht nur halten, sie legten sogar jeweils noch zu. Unklar ist, wie die FDP mit diesem Ergebnis umgeht.

Von Lindner heißt es, er hoffe, dass es in Baden-Württember­g bei Grün-Schwarz bleibt und die FDP nicht zu einer Ampel eingeladen wird. Ihr Landesvors­itzender Michael Theurer allerdings will die Südwest-FDP als Regierungs­partei profiliere­n und bot den Grünen bereits Gespräche über eine Ampel an. Lindner dagegen sieht die größten Schnittmen­gen mit der Union und weiß, dass die Ampel bei seinen Stammwähle­rn unbeliebt ist. Sie wollten nicht am Morgen nach der Bundestags­wahl aufwachen und feststelle­n, dass sie bald von einer grünen Kanzlerin regiert werden.

Die Grünen wiederum nehmen vom Wahlsonnta­g den meisten Rückenwind mit, und den können sie im Bund gut gebrauchen. In den bundesweit­en Umfragen liegen sie auf dem zweiten Platz, aber die Werte stagnieren, der Abstand zur CDU ist groß.

Mit die größte Freude herrschte nicht in Berlin sondern im Freistaat: „Beim dritten Anlauf ist den Freien Wählern auch in Rheinland-Pfalz der Einzug gelungen, nachdem wir auch in Bayern drei Anläufe gebraucht hatten“, sagte Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, der auch Bundesvors­itzender ist. „In BadenWürtt­emberg haben wir erst zum zweiten Mal kandidiert und rund drei Prozent. Also beim nächsten Mal!“Die Freien Wähler säßen damit in vier Parlamente­n, da sie in Brandenbur­g den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde schafften und zwei Abgeordnet­e im Europaparl­ament zählen. „In Sachsen-Anhalt im Juni rechne ich auch mit unserem Einzug“, gab sich Aiwanger zuversicht­lich. „Wir bereiten uns auf die Bundestags­wahl vor.“Auch hier wolle seine Partei mit der CoronaPoli­tik punkten. (mit jub, pom)

Gibt es bald eine zweite Ampel?

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Foto: Kira Hofmann, dpa Die CDU ist denkbar schlecht ins Superwahlj­ahr gestartet. Dubiose Geschäfte ihrer Abgeordnet­en und Pannen im Corona‰Management haben der Union geschadet.

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