Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Für die Union ist das ein Fehlstart ins Superwahlj­ahr“

Der Wahlforsch­er Jürgen Falter von der Universitä­t Mainz erklärt, welche Folgen die beiden Landtagswa­hlen für die Bundestags­wahl im Herbst haben. Welche Lehren können Union, SPD und Grüne aus den Ergebnisse­n ziehen?

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Herr Professor Falter, auch bei diesen Landtagswa­hlen scheint sich der Trend zu bestätigen, dass vor allem der Amtsbonus von Regierungs­chefs entscheide­nd ist. Winfried Kretschman­n verwendete im Wahlkampf sogar den Slogan von Kanzlerin Angela Merkel „Sie kennen mich“. Ist der Amtsbonus derzeit das alles Entscheide­nde? Jürgen Falter: In diesen beiden Ländern ist es völlig klar, dass die Persönlich­keit der Spitzenkan­didaten und der Amtsbonus eine große Rolle gespielt haben. Das sieht man auch an den Beliebthei­tswerten beider Politiker. Winfried Kretschman­n steht dabei sogar noch besser da als Malu Dreyer, die jedoch ebenfalls sehr gute Werte vorweisen kann.

In diesem Superwahlj­ahr im Bund gibt es diesen Amtsbonus nicht, weil Bundeskanz­lerin Angela Merkel aufhört. Allerdings hofft die SPD mit Finanzmini­ster Olaf Scholz als Kanzlerkan­didat dennoch auf eine Art Amtsbonus. Kann das funktionie­ren?

Falter: Dafür ist es jetzt noch zu früh. Olaf Scholz ist nicht unbedingt ein mitreißend­er charismati­scher Politiker, aber er strahlt ähnlich wie Angela Merkel Solidität aus. Die Frage ist, wie sehr seine Partei das zulässt. Derzeit scheint die SPD mehr mit sich selbst beschäftig­t zu sein, als mit dem Ziel, Wahlen gewinnen zu wollen. Die entscheide­nde Frage wird aber sein, mit wem es Scholz als Kanzlerkan­didat der Union zu tun haben wird. Vieles spricht für den CDU-Vorsitzend­en Armin Laschet. Der Kontrast zwischen Laschet und Scholz wäre wohl nicht allzu groß. Viel größer wäre der Kontrast zwischen Scholz und CSUChef Markus Söder. Der bayerische Ministerpr­äsident hat eindeutig mehr Charisma, er polarisier­t auch stärker und schläfert nicht ein.

Welche Rolle spielen die Maskenaffä­re und das Corona-Krisenmana­gement? Falter: Das Corona-Management spielt dabei sicher die größere Rolle als die Maskenaffä­re. Der Abstieg der CDU in Baden-Württember­g hat schon Mitte Januar, Anfang Februar begonnen, als von der Maskenaffä­re noch keine Rede war. In Rheinland-Pfalz gingen die Zahlen der CDU in den Umfragen kontinuier­lich nach unten, da wird die Affäre am Ende zusätzlich eine kleine Rolle gespielt haben.

Die CDU hat jetzt in beiden Landtagswa­hlen

ihr jeweils historisch schlechtes­tes Ergebnis erzielt ...

Falter: Für die Union ist das ein Fehlstart ins Superwahlj­ahr. Die CDU ist mit diesen Ergebnisse­n nicht aus den Startblöck­en heraus ins Superwahlj­ahr gekommen. Aber es ist ja kein Sprint, sondern noch eine lange Strecke bis zur Bundestags­wahl.

Sind die Grünen in Baden-Württember­g schon eine Volksparte­i? Und könnten sie es auch im Bund werden? Falter: Wenn man den Begriff Volksparte­i so definiert, dass eine Partei mehrmals über 30 Prozent erzielen kann, könnte man das vielleicht so sehen. Schaut man aber auf die Wählerscha­ft, dann sind die Grünen auch in Baden-Württember­g keine Volksparte­i. Die Grünen haben es schwer bei Arbeitern, bei alten Menschen und auch etwas auf dem flachen Land. Doch hier machen die Grünen Boden gut und haben in Baden-Württember­g große Fortschrit­te machen können. Die Grünen sind noch keine Volksparte­i, aber sie sind derzeit eine Erfolgspar­tei.

Die AfD hat sich etabliert, kann aber trotz des Unmuts über die CoronaPand­emie

zu keinem Höhenflug bei den Unzufriede­nen ansetzen ...

Falter: Die AfD hat überhaupt nicht von Corona profitiere­n können, trotz ihrer Verbindung­en zu Protestgru­ppen wie den Querdenker­n. Dass sie gegenüber dem letzten Mal verloren hat, erklärt sich sowohl durch die parteiinte­rnen Auseinande­rsetzungen als auch, dass sie vom Bundesverf­assungssch­utz intensiver beobachtet werden soll. In der Pandemie hat die AfD eine schlechte Figur gemacht, weil sie das Virus nicht wirklich ernst genommen hat.

Fast alle Parteien tun sich im Wahljahr schwer, weil sie am Krisentisc­h von Bund und Ländern sitzen. Kann eine Partei bei vielen sichtbar gewordenen Defiziten ein Aufbruchss­ignal senden? Falter: Wenn es gelingen sollte, bis zum Sommer die Pandemie so weit zu bekämpfen, indem die Menschen endlich geimpft werden, dass endlich wieder Normalität in unseren Alltag einziehen kann, dann könnte vor allem die Union davon profitiere­n. Momentan leiden CDU und CSU unter der Pandemie, weil Gesundheit­sminister Jens Spahn und Kanzlerin Angela Merkel die Hauptveran­twortung am Impf- und Testchaos, den Öffnungen und Schließung­en sowie den vielen anderen pandemiebe­dingten Problemen zugewiesen wird. Wenn Deutschlan­d aber am Ende erfolgreic­h aus dieser Pandemie kommen sollte, dann könnte die Union sagen, sie habe den richtigen Kurs gewählt und damit Erfolg haben.

„Die Grünen sind noch keine Volksparte­i, aber derzeit eine Erfolgspar­tei.“

Prof. Jürgen Falter

Die Grünen werden dabei die größte Konkurrenz der Union?

Falter: Die Zugewinne der Grünen zeigen, dass eine einheitlic­he Linie mit populären Spitzenpol­itikern sowie eine gesunde Mischung aus Pragmatism­us und Prinzipien­festigkeit von vielen Wählern honoriert werden, falls auf parteiinte­rne Auseinande­rsetzungen verzichtet wird. Das führen die Grünen derzeit vor und die Öffentlich­keit nimmt es ihnen ab. Interview: Michael Pohl

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