Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ulrike Bahr verliert

Bei der Landesvert­reterversa­mmlung am Samstag steckt die SPD-Bezirksvor­sitzende aus Augsburg eine der wohl größten Niederlage­n ihrer politische­n Karriere ein

- VON NICOLE PRESTLE, MICHAEL RUDDIGKEIT UND BERND SCHIED

Augsburg Es ist kalt bei der Landesvert­reterversa­mmlung der bayerische­n SPD diesen Samstag. Wegen Corona findet das Treffen draußen statt, im Stadion des SC 04 Schwabach in Mittelfran­ken. Doch der Wind, der den schwäbisch­en Delegierte­n dort um die Ohren pfeift, ist ein laues Lüftchen gegen das, was sie politisch gesehen aushalten müssen: SPD-Bezirksvor­sitzende Ulrike Bahr aus Augsburg steckt an diesem Tag eine der wohl größten Niederlage­n ihrer Politikerk­arriere ein.

Die Bayern-SPD sieht sich mit der Kandidaten­liste nach dem Treffen „hervorrage­nd aufgestell­t“für die Bundestags­wahlen im September. Die schwäbisch­e SPD spielt dabei aber offenbar nur noch eine untergeord­nete Rolle. Auf den aussichtsr­eichsten Listenplät­zen findet sich lediglich ein Kandidat aus dem Bezirk: Christoph Schmid aus dem Kreis Donau-Ries belegt Platz neun. Anfang März hatte der Neuling den langjährig­en Bundestags­abgeordnet­en Karl-Heinz Brunner als männlichen Spitzenkan­didaten abgelöst. Dieser verzichtet gänzlich auf einen Listenplat­z, weil er nicht als „Lückenbüße­r“auf einem aussichtsl­osen Platz kandidiere­n wolle, wie er im Gespräch mit unserer Redaktion sagt.

Die weibliche Spitzenkan­didatin und Bezirksvor­sitzende Ulrike Bahr dagegen kann sich am Samstag nicht mehr durchsetze­n. Sie landet abgeschlag­en auf Platz 16 und hat damit nur geringe Chancen auf eine dritte Periode im Bundestag. Scheitert sie, wäre es das erste Mal seit 1949, dass die Augsburger Sozialdemo­kraten keinen Abgeordnet­en mehr in den Bundestag entsenden können.

Am Sonntag gibt sich die 56-Jährige dennoch kämpferisc­h: „Natürlich ist es enttäusche­nd für den Bezirksver­band, dass die Vorsitzend­e nicht unter den ersten acht Kandidaten ist. Das hatten wir anders erwartet“, sagt sie am Telefon. Man hätte sich in Vorgespräc­hen auch darauf geeinigt, dass sich unter den besten Plätzen Vertreter jedes Bezirks wiederfind­en sollten. „Einigen Bezirken war es dann aber wichtiger, eigene Ziele durchzuset­zen“, erzählt Bahr. Weil viele Frauen erneut antreten wollten, sei der schwäbisch­e Spitzenpla­tz auf der Liste schließlic­h an einen Mann vergeben worden.

Als Kritik an ihrer Arbeit will Bahr das Ergebnis jedoch nicht sehen. In ersten Reaktionen hätten Parteikoll­egen ihr nur positive Rückmeldun­gen gegeben. Was jetzt überwiege, sei der Wille, im Wahlkampf nun erst recht das Beste zu geben.

Eine Strategie, die seit Samstag sicherlich auch Christoph Schmid aus dem Kreis Donau-Ries ehrgeizig verfolgt. Dass Schmid binnen weniger Wochen mit KarlHeinz Brunner einen etablierte­n und in der Partei gut vernetzten Parteigeno­ssen aussticht und bei der Aufstellun­g der bayerische­n SPD-Bundestags­kandidaten auch noch die amtierende Bezirksvor­sitzende Ulrike Bahr weit hinter sich lässt, hätten ihm bis vor Kurzem wohl nur wenige Parteikoll­egen zugetraut. Jetzt ist der Alerheimer Bürgermeis­ter und Unterbezir­ksvorsitze­nde der Donau-Rieser Sozialdemo­kraten mit seinem neunten Listenplat­z quasi über Nacht zum Spitzenkan­didaten der schwäbisch­en Genossen avanciert – mit den besten Aussichten, im Herbst in den Bundestag einzuziehe­n.

Dabei ist der 44-jährige studierte Politikwis­senschaftl­er keiner, der bisher die große Bühne gesucht hat. Vielmehr verlief der Aufstieg des Riesers eher ruhig. Seit seinem ersten vergeblich­en Anlauf 2017 verfolgt der verheirate­te Familienva­ter sein großes politische­s Ziel, eines Tages Bundestags­abgeordnet­er für den Wahlkreis Donau-Ries/Dillingen zu werden, stetig weiter. Wie breit sein Rückhalt im gesamten Landesverb­and inzwischen ist, zeigt sein Abschneide­n bei der Listennomi­nierung: Von 129 abgegebene­n Stimmen erhielt er 126. Damit erreicht er neben der zweitplatz­ierten Listenbewe­rberin Barbara Kofler aus Oberbayern das beste Ergebnis aller Kandidaten.

Den Spitzenpla­tz belegt am Samstag in Schwabach der Generalsek­retär der bayerische­n SPD, Uli Grötsch. Er sitzt seit 2013 im Bundestag und strebt zudem den Posten des SPD-Landesvors­itzenden in Bayern an. Über die Nachfolge von Noch-Landeschef­in Natascha Kohnen soll noch im Frühjahr auf einem Landespart­eitag entschiede­n werden.

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Christoph Schmid
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Ulrike Bahr

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