Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Protest und Feier

Frankreich verleiht seine Filmtrophä­en und rechnet mit der Lockdown-Politik der Regierung ab

-

Paris Mit immer mehr Theaterbes­etzungen und neuen Aktionen verleiht Frankreich­s Kulturwelt ihrer Forderung nach Wiedereröf­fnung der Kulturstät­ten Nachdruck. Seit mehreren Tagen wurden landesweit über 30 Schauspiel­häuser illegal in Besitz genommen, darunter bedeutende Einrichtun­gen in Paris und Straßburg. Aus Protest gegen den coronabedi­ngten Kultur-Lockdown öffneten am Wochenende rund 20 Kinos ihre Säle und boten kostenlos Vorführung­en an. In Frankreich sind Museen, Theater und Kinos seit Ende Oktober geschlosse­n. Die Kulturscha­ffenden werfen der Regierung vor, sie im Vergleich zu anderen Ländern ohne jegliche Wiedereröf­fnungspers­pektive zu lassen.

Ihrem Unmut über die Schließung der Kinos machten auch zahlreiche Schauspiel­erinnen und Schauspiel­er anlässlich der Vergabe des französisc­hen Filmpreise­s César Luft. Es reiche nun, sagte Leinwandst­ar Isabelle Huppert bei der Gala am Freitagabe­nd. Es sei nun an der Zeit, so schnell wie möglich die Kinos wieder zu öffnen. Und die Darsteller­in Corinne Masiero zog sich nackt aus – in Anspielung auf eine Kulturszen­e, die von der Regierung im Stich gelassen wird.

Wegen Corona fand die 46. César-Zeremonie zwar ohne Publikum statt, jedoch mit Preisträge­rn und allen Nominierte­n – mit einer bemerkensw­erten Ausnahme. Der Hauptgewin­ner blieb der Preisverle­ihung

fern. Die burleske Tragikomöd­ie „Adieu les cons“(„Auf Wiedersehe­n, ihr Idioten“) von Albert Dupontel räumte mit sieben Trophäen ab, darunter der für den besten Film. Erzählt wird die Geschichte einer schwer kranken Frau, die sich auf die Suche nach ihrer Tochter macht, die sie als 15-Jährige unter dem Druck ihrer Eltern zur Adoption freigeben musste. Die Tragikomöd­ie war kurz vor der coronabedi­ngten Schließung der Kultureinr­ichtungen Ende Oktober in die französisc­hen Kinos gekommen und hatte in nur zehn Tagen mehr als 700000 Zuschauer vor die Leinwand gelockt.

Der 57-jährige Regisseur und Schauspiel­er Dupontel ist für seine ins Absurde und Burleske gehenden Filme bekannt. 2018 wurde er für „Au revoir là-haut“(„Wir sehen uns dort oben“) unter anderem mit den Césars für die beste Regie und das beste adaptierte Drehbuch bedacht. Und 2014 erhielt Dupontel eine Auszeichnu­ng für „9 mois ferme“(„9 Monate Haft ohne Bewährung“). Bei keiner der Preisverga­ben war er anwesend. Die Begründung gab Dupontel in einer Fernsehsen­dung: Die Césars seien für ihn wie ein Besuch im Louvre, bei dem man sagt, dieser Maler sei besser als der andere. Ein solches intellektu­elles Urteil mache ihn perplex.

„Rausch“des Dänen Thomas Vinterberg wurde als bester Auslandsfi­lm gewürdigt.

 ?? Foto: Bertrand Guay, dpa ?? „Geben Sie uns die Kunst zurück!“, ap‰ pelliert Schauspiel­erin Corinne Masiero mit entblößtem Rücken an Premier Jean Castex.
Foto: Bertrand Guay, dpa „Geben Sie uns die Kunst zurück!“, ap‰ pelliert Schauspiel­erin Corinne Masiero mit entblößtem Rücken an Premier Jean Castex.

Newspapers in German

Newspapers from Germany