Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Auf virtueller Tour durch Augsburg

Die Regio Augsburg bietet seit einigen Wochen Online-Rundgänge an. Auch Menschen aus anderen Teilen Deutschlan­ds lassen sich so in die Fuggerstad­t locken. Das Angebot kommt überrasche­nd gut an

- VON INA MARKS

Eigentlich wollte Adriana HillerEgne­r ihre Stadtführu­ng am Rathauspla­tz beginnen, aber dort ist es ihr am Samstag wegen einer Demonstrat­ion zu laut. Kurzerhand verlegt sie den Start in die Fuggerei. Den Teilnehmer­n der Führung ist die Reihenfolg­e egal. Schließlic­h sitzen sie alle gemütlich zuhause vor ihren Bildschirm­en, während der Wind um die Ohren der Stadtführe­rin pfeift und an ihrem Stativ rüttelt. Sie holt die Sehenswürd­igkeiten der Fuggerstad­t zu den Kunden nach Hause.

Wegen der Pandemie bietet die Regio Augsburg Tourismus GmbH seit einiger Zeit live geführte Stadtrundg­änge an und ist von der bisherigen Resonanz positiv überrascht. Die Teilnehmer kommen aus ganz Deutschlan­d, wie die Gruppen aus Wuppertal und Heidelberg, die unlängst eine virtuelle Führung durch Augsburg gebucht hatten.

„War das Bild denn trotz des Windes einigermaß­en ruhig?“will Adriana Hiller-Egner nach der Führung wissen, die von der Fuggerei über Barfüßerki­rche, Lechkanäle und Brechthaus bis zur Stadtmetzg, Maximilian­museum und dem Rathauspla­tz ging. Schließlic­h muss sich die 62-Jährige erst daran gewöhnen, mit dem Smartphone auf dem Handstativ herumzulau­fen. Seit 16 Jahren ist die freiberufl­iche Stadtführe­rin für die Regio tätig, aber so etwas hatte sie noch nie zuvor gemacht.

„Ich hätte nicht gedacht, dass ich es so gut hinbekomme“, sagt die Stadtführe­rin ein klein wenig stolz. Schließlic­h zählt sie sich nicht zur digital-affinen Generation. Routiniert und munter nimmt die Dame mit den grauen Haaren ihre Zuschauer auf die virtuelle Live-Tour mit, erklärt ihnen das Lilien-Wappen der Fugger an einem Gebäude in der Philippine-Welser-Straße, zeigt ihnen den Viermetzho­f im Maximilian­museum mit dem spektakulä­ren Glasdach und den Bronzefigu­ren. Es ist eine offene Stadtführu­ng, für die sich bis zu 20 Teilnehmer vorab auf der Internetse­ite der Regio anmelden konnten. Für zehn

bekamen die Teilnehmer den Zugangslin­k zugeschick­t. Ein Klick darauf und schon begann die Führung zur vereinbart­en Uhrzeit via Chatanbiet­er „Zoom“.

Man wollte während der Pandemie nicht untätig bleiben und abwarten, bis die Situation besser wird, erklärt Astrid Kellner von der Regio Augsburg, die die Idee für die virtuellen Stadtführu­ngen hatte. Seit Januar biete man die „LiveWalks“für geschlosse­ne Gruppen an, seit zwei Wochen seien sie auch für einzelne Interessen­ten buchbar. Erst jetzt steige man stärker in die Vermarktun­g ein, weil man zuvor die Live-Führungen profession­alisieren wollte. Wie Kellner berichtet, haben die Stadtführe­r drei Wochen lang geübt. Zudem musste auch die Strecke getestet werden, denn nicht überall in der Stadt sei die Internetve­rbindung ausreichen­d gut.

Bei der Regio freut man sich über eine zunehmende Nachfrage. Eine Akademie aus Heidelberg habe sich Augsburg schon zeigen lassen, auch die Hochschule und die Uni Augsburg hatten gebucht. Unlängst ließ sich eine Gruppe aus Wuppertal durch die Fuggerstad­t mitnehmen, erzählt Hiller-Egner. Die genaue Motivation hat die Stadtführe­rin nicht herausgefu­nden. „Aber nach der Führung sagte mir ein TeilnehEur­o mer, er habe über Augsburg, den Religionsf­rieden und das UnescoWelt­erbe gelesen.“Am Ende eines Stadtrundg­angs bleibt Zeit für Fragen, die die Stadtführe­r dann beantworte­n. Damit sich die Kunden individuel­l betreut fühlen, liegt die maximale Teilnehmer­zahl bei 20.

Die Regio Augsburg Tourismus macht inzwischen auch Reiseunter­nehmen auf das digitale Angebot aufmerksam. Schließlic­h wisse man ja nicht, wie lange die Pandemie mit ihren Auswirkung­en auf das Leben noch anhalte. So sehr ihr die virtuelle Arbeit Spaß macht, Adriana Hiller-Egner sind die herkömmlic­hen Führungen weiterhin lieber. Sie vermisst die direkte Begegnung mit den Menschen und deren Reaktionen. „Normalerwe­ise kann ich auf jede Mimik, auf jede Geste eingehen. Da entwickelt sich ein Geben und Nehmen. Das ist virtuell so nicht machbar.“Vielmehr fühle sie sich nun in der Rolle einer TV-Moderatori­n, die ständig sprechen muss. „Ich erfahre erst am Ende, wie meine Führung angekommen ist. Aber bislang habe ich nur positives Feedback.“

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Foto: Bernd Hohlen Adriana Hiller‰Egner nimmt ihre Gäste mit auf virtuelle Tour durch Augsburg. Die Fuggerei ist einer der Anlaufpunk­te für die Stadtführe­rin.

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