Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Stadt bleibt trotz Krise für Händler interessan­t

Der Innenstadt­handel wird sich verändern. Geschäfte verschwind­en, andere eröffnen dafür neu. Auch der Enkel von Konrad Adenauer hat Augsburg für sich entdeckt. Was sich sonst noch tut

- VON ANDREA WENZEL HIER SCHREIBEN SIE IHRE MEINUNG

Der Einzelhand­el gehört auch in Augsburg zu den großen Verlierern der Krise. Erste Filialiste­n wie Reno und Bonita haben die Stadt verlassen, ortsansäss­ige Geschäftsi­nhaber bangen weiter um ihre Läden und Immobilien­experten rechnen auch in 1a-Lagen mit mehr Leerstände­n. Doch es gibt auch Hoffnung, denn trotz Krise machen immer wieder Neueröffnu­ngen von sich reden – wenn sie auch manchmal spontan sind und mutig erscheinen.

Das trifft auf die „Ninnerl Trachtenma­nufaktur“am Vorderen Lech zu. Inhaberin Martina Miller hat den leer stehenden Laden im November im Vorbeifahr­en entdeckt und am 5. Dezember eröffnet – mitten in der Corona-Krise und wohl wissend, dass sie womöglich bald wieder schließen muss. „Natürlich habe ich zunächst schon etwas gehadert, ob das der richtige Zeitpunkt ist, aber ich habe es durchgerec­hnet und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass ich in meiner Situation den Laden stemmen kann, auch wenn einige Zeit nicht geöffnet ist.“Zuvor hatte Miller einen Pop-up-Store in der Gögginger Straße, ehe sie in die ehemaligen Räume der Julück Butik (jetzt in der Philippine-Welser-Straße) zog.

Mittlerwei­le kann Miller Kunden immerhin per Click & Meet betreuen, also mit Termin. Weil sie maßgeschne­iderte Dirndl und Lederhosen anbietet, war das auch schon bisher eine gängige Vorgehensw­eise. „Die Anprobe eines solchen Kleidungss­tücks dauert. Das muss geplant werden“, sagt sie. Der Zuspruch der Kunden sei deshalb auch in der jetzigen Zeit gut.

Ähnlich bewertet Oliver Mienert die Situation. Er ist Shop-Inhaber des „Absolute Run“in der Annastraße und wollte ursprüngli­ch am 5. Februar starten. Seit 8. März bespielt er die ehemaligen Räume des Modehaus Benesch – dieses wiederum ist in die Flächen des ehemaligen EspritLade­ns umgezogen – immerhin im Click & Meet-Verfahren.

Sein Haus bietet unter anderem Laufschuhe an, die individuel­l auf den Kunden abgestimmt werden. Ebenso wie Dirndl ein beratungsi­ntensives Produkt, das nicht so leicht online bestellt werden könne. Darauf hat Mienert schon vor der Krise gesetzt und sich für ein stationäre­s Ladengesch­äft entschiede­n. Obwohl er neu in Augsburg gestartet ist, gebe es Zuspruch über Click & Meet. „Das ist zwar deutlich weniger als bei einer normalen Neueröffnu­ng, aber prinzipiel­l bestätigt das den eingeschla­genen Weg.“

Gerade beratungsi­ntensive Produkte und Dienstleis­tungen gelten bei Branchenex­perten wie dem Bezirksges­chäftsführ­er des Handelsver­bands, Andreas Gärtner, als erfolgvers­prechende Konzepte, die auch in Krisenzeit­en Potenzial haben, sich zu behaupten. Wer individuel­le Ware wolle, könne nicht auf den OnlineHand­el ausweichen, so das Argument. Dazu gehen Branchenke­nner in einem aktuell von der Regio Augsburg Wirtschaft GmbH veröffentl­ichten Marktrepor­t davon aus, dass es in Innenstädt­en eine Nutzungsve­rschiebung geben wird – weg vom Modehandel hin zu Systemgast­ronomie und Nahversorg­ung. Hier bestünden Chancen, Leerstände wieder zu füllen. Die Eröffnung von Royal Donuts in der Steingasse oder der Werkstatt für Genuss in der Maximilian­straße – beide übrigens auch in Lockdown-Phasen – sind auch in Augsburg erste Anzeichen dafür.

Dass man klassische Branchen trotz aller aktuellen Schwierigk­eiten nicht abschreibe­n muss, zeigt die baldige Eröffnung von „Adenauer & Co“in der Annastraße. Das Modehaus wurde vom Enkel des ersten deutschen Bundeskanz­lers, Konrad Adenauer, gegründet und als Franchise-Unternehme­n angelegt. Andreas Adenauer hat sich auch dafür eingesetzt, dass es ab 29. März in

Augsburg maritime Freizeitmo­de von „Adenauer & Co“zu kaufen gibt. „Schon im ersten Lockdown haben wir nach einer passenden Immobilie gesucht, weil wir vom Standort Augsburg überzeugt sind“, sagt Achim Kalmbach, dessen Frau Zara Inhaberin des Shops sein wird und bereits das Modegeschä­ft „Oui“im Antoniusho­f leitet. Das Risiko, dass man coronabedi­ngt vorerst nur eingeschrä­nkt öffnen kann, habe man einkalkuli­ert. Danach gehe man von einem erfolgreic­hen Geschäft aus.

Die Innenstädt­e werden nach der Krise also anders aussehen, der Besatz an Mietern wird sich verändern. Weil an vielen Stellen die Mieten schon jetzt teils drastisch zurückgehe­n, hätten künftig auch wieder mehr inhabergef­ührte Läden die Chance, sich in besten Lagen niederzula­ssen, sagen Handelsexp­erten. Das böte Chancen. Die aktuellen Neueröffnu­ngen, dazu gehört seit Herbst auch der syrische Spezialitä­tenladen „Al-Shahba“in der Altstadt, seien schon jetzt ein positives Signal, so traurig gleichzeit­ig jede einzelne Geschäftsa­ufgabe während der Krise sei.

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Foto: Silvio Wyszengrad Oliver Mienert hat seinen Laden „Abso‰ lute Run“mitten in der Krise per Click & Meet eröffnet.

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