Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Nach Aystetten kam erst in den Sechzigern der Wohlstand
Das Online-Lexikon scheint über die ganze Welt Bescheid zu wissen. Aber wie gut kennt es die Orte im Landkreis Augsburg? Dieser Frage gehen wir in unserer Serie nach. Heute: Aystetten
Aystetten Über die Geschichte der 3000-Einwohner-Gemeinde Aystetten weiß das Online-Lexikon Wikipedia einiges, aber beim Datum der ersten urkundlichen Erwähnung gibt es verschiedene Meinungen. Wikipedia sagt, dazu sei es
1424 gekommen.
Ruth Kankowski schreibt dagegen in der Aystetter Chronik, der Ort sei 1428 erstmals urkundlich erwähnt worden.
Einig sind sich Chronik und OnlineLexikon darüber, dass die Geschichte des Ortes eng mit einer bekannten Familie verbunden ist: „1858 ging der Besitz an die alteingesessene Augsburger Patrizierfamilie von Stetten, deren Nachkommen noch heute Schloss und Gutshof bewirtschaften“, heißt es auf Wikipedia.
Einer der Nachkommen wird auch
Wunter dem Punkt „Persönlichkeiten“erwähnt: Schauspieler Heio von Stetten. Der 60-Jährige, bekannt etwa aus den Filmen „Honigmond“und „Männertag“wohnt mittlerweile in München. Das und vieles mehr über seinen Heimatort weiß Max Rindle, ehemaliger Bürgermeister. Im Schloss lebe noch Heios Bruder Max von Stetten. Rindle kennt sich in der Gemeinde aus, er war 14 Jahre Rathaus-Chef und lebt seit 1974 im Ort. Für unsere Serie haben wir mit ihm als Kenner der Ortsgeschichte gesprochen.
Bei den bekannten Persönlichkeiten vermisst er im Wikipedia-Eintrag einige Namen: Den Schriftsteller Hans Erich Nossak etwa, Gewinner des Georg-Büchner-Preises und Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes, der 1956 nach Aystetten gezogen war und dort ein paar Jahre lang lebte. Auch Theo Müller sollte dort nach Meinung von Rindle mit aufgelistet sein. Der Besitzer der gleichnamigen Unternehmensgruppe lebte mehrere Jahre in Aystetten, bevor er in die Schweiz umzog.
Heute ist Aystetten ein beliebter Wohnort von Unternehmern, Ärzten und Rechtsanwälten. Das war nicht immer so. Dafür brauchte es erst den
Boom der sechziger Jahre. Auf Wikipedia zeigt die Tabelle der Bevölkerungsentwicklung in dieser Zeit einen explosionsartigen Anstieg: 1265 Einwohner hatte Aystetten laut dem Online-Lexikon am Anfang des Jahrzehnts, 1900 waren es am Ende. Auch hier gibt es eine Verbindung zur Familie von Stetten: Wolf von Stetten, Vater des Schauspielers Heio, habe das Schloss-Feld verkauft, sagt Rindle. Auf der Fläche seien 80 Häuser entstanden. Der ehemalige Bürgermeister sagt: „Damals sind die Augsburger rausgewandert, weil da so viele luxuriöse Häuser gebaut wurden. Das größte Grundstück hatte 4000 Quadratmeter.“Die Bebauung des Schloss-Feldes habe für wirtschaftlichen Aufstieg gesorgt. „Früher war Aystetten arm, da haben die meisten am Schloss gearbeitet“, erklärt Rindle, „dann sind wir nach dem Einkommen der Einwohner in die Spitzen-Liga gewandert.“
Mit dem Wohlstand habe es auch neue Freizeit-Interessen gegeben, so sei in den Sechzigern etwa der Tennisplatz entstanden. In der Ortsmitte, wo vor vielen Jahrzehnten der Park des Schlosses war, stehen heute Kirche, Pfarrheim und die Grundschule samt Sportanlage.
Einen Rückgang gibt es in Aystetten dagegen bei der Landwirtschaft. Drei Bauernhöfe gab es laut Wikipedia 1999 in der Gemeinde. Aktuellere Zahlen liefert das Online-Lexikon nicht. Max Rindle weiß: „Landwirte haben wir keine mehr.“Nur die Familie von Stetten betreibe noch Landwirtschaft. Auch eine Zugverbindung nach Aystetten gibt es nicht mehr, seit 1986 die Weldenbahn stillgelegt wurde. Dem Bahnhof trauert die Gemeinde nicht nach: „Es ist kaum jemand gefahren. So oft ist der Zug da auch nicht gekommen“, sagt Rindle. Blühend ist dagegen das Vereinsleben. 13 davon listet das Online-Lexikon auf – und das bei nicht einmal 3000 Einwohnern.