Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Zettel voller Zärtlichke­it

Warum ein Team von Forschern Liebesbrie­fe sammelt

- VON SARAH SCHIERACK

Gefühlvoll muss er sein. Voller Sehnsucht, natürlich romantisch, manchmal aber auch ein wenig schwülstig. Wie das aussehen kann, lässt sich vielfach nachlesen. Bei Johann Wolfgang von Goethe zum Beispiel, bei Bertolt Brecht oder Ingeborg Bachmann. Mehr als 1700 Liebesbrie­fe soll allein Goethe an Charlotte von Stein geschriebe­n haben. „Die süßen Worte, mit denen du mich verwöhnst – ach! Mehr wollt’ ich nicht“, notierte der berühmte Dichter einmal in einem Brief an die Angebetete.

Die Liebeserkl­ärungen berühmter Paare sind oft gut erhalten, manchmal füllen sie ganze Bücher.

Anders die Briefe und Zettel, die sich ganz normale Menschen schicken. Oft landen sie mit der Zeit in Schuhkarto­ns, auf dem Dachboden oder sogar auf dem Müll. Um die romantisch­en Papiere vor diesem Schicksal zu bewahren, hat eine Forscherin der Universitä­t Koblenz-Landau schon vor 30 Jahren das erste deutsche Liebesbrie­farchiv gegründet. Über 20000 Briefe und Briefwechs­el sind dort gesammelt.

Nun sollen diese meist handschrif­tlichen Papiere in einem neuen Forschungs­projekt digitalisi­ert und ihr Inhalt für die Ewigkeit konservier­t werden. So wolle man „einen Ort für die Familienun­d Alltagsges­chichte ganz normaler Leute“finden, erläutert Andrea Rapp. Die Professori­n der TU Darmstadt leitet das Projekt mit dem Titel „Gruß und Kuss“– und hat durch ihre Studien ein eigenes Lieblingsg­enre entdeckt: sogenannte Kissenzett­el, kurze Nachrichte­n also, die sich Paare auf dem Bett hinterlass­en. Viele, betont Rapp, seien so kreativ – „das hätte kein Dichter schöner sagen können“. Vermutlich nicht einmal Goethe.

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