Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Politik muss die Corona-Notbremse ziehen

Der Wunsch nach Lockerunge­n war verständli­ch, aus epidemiolo­gischer Sicht war er falsch. Denn nun nutzt das Virus die Lücken im Lockdown aus

- VON CHRISTIAN GRIMM chg@augsburger‰allgemeine.de

Die Mahner haben recht behalten. Das durch seine Mutation erstarkte Virus nutzt die Anfang März beschlosse­nen Lücken im Lockdown aus und verbreitet sich mit Vehemenz. Wenn die Ministerpr­äsidenten der Bundesländ­er am Montag mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) per Schaltkonf­erenz zusammenko­mmen, werden sie die Corona-Notbremse ziehen. Alles andere wäre eine große Überraschu­ng.

Wenn die Ministerpr­äsidenten und Merkel wollen, dass ihnen die Bürger weiter folgen, dann können sie gar nicht anders, als die Corona-Vorschrift­en wieder zu verschärfe­n. Es wäre ein fatales Signal, täten sie es nicht. Denn das hieße zweierlei: Bund und Länder würden das Virus einfach um sich greifen lassen und damit Krankheit und Tod billigend in Kauf nehmen. Ähnlich schlimm wäre der Glaubwürdi­gkeitsverl­ust bei der Pandemiebe­kämpfung. Wenn sich die Regierunge­n schon nicht an ihre selbst gegebenen Regeln halten, warum sollten es die Bürger tun?

So verständli­ch der Wunsch nach ein wenig Luft zum Atmen Anfang März gewesen ist, so falsch war er aus epidemiolo­gischer Sicht. Nach über einem Jahr leidvoller Erfahrung hätte jedem klar sein müssen, dass selbst die kleinen Lockerunge­n hier und dort dazu führen, dass sich die dritte Welle mächtig auftürmt. Zu Beginn stecken sich nur wenige Menschen mehr an – und die Situation erscheint beherrschb­ar. Doch binnen 14 Tagen sind aus den wenigen viele geworden, und in kürzeren Abständen kommen immer mehr hinzu. Genau in dieser Lage befindet sich Deutschlan­d jetzt wieder.

Besonders dramatisch daran ist, dass der Erreger verstärkt Kinder und Jugendlich­e befällt. Kindergärt­en und Schulen sind zum Treiber der Pandemie geworden. Für Kinder und Eltern sind das ganz schlechte Nachrichte­n. Wo das Virus

stark umgeht, schließen Kindergärt­en und Schulen schon wieder mit Beginn der Woche. Die Länder agieren aber nicht einheitlic­h. Schülern droht auch ein zweites Halbjahr am Schreibtis­ch zu Hause, und Eltern müssen weiter improvisie­ren, um Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Die Aussichten sind deprimiere­nd und noch nicht einmal richtig im Bewusstsei­n

angekommen. Der Frühling bringt dieses Jahr keine Verbesseru­ng.

Verschlimm­ert wird die Lage durch die deutsche Langsamkei­t, die eine andere Corona-Politik zunichtema­cht und nur die Holzhammer­methode übrig lässt. Unverständ­lich ist zum Beispiel, warum trotz langer Vorbereitu­ngszeit das Testen der Schüler bei weitem nicht flächendec­kend funktionie­rt. In den Osterferie­n müssen die

Schulverwa­ltungen dringend nachlegen. Denn auch die Kinder in Notbetreuu­ng und gegebenenf­alls Abschlussk­lassen müssen getestet werden – nicht nur einmal, sondern mehrmals pro Woche.

Und auch das Impfen wird die dritte Welle nicht brechen. Weil der Impfstoff bis Ende April knapp bleibt, lässt sich das Virus nicht schnell genug durch die schützende­n Spritzen eindämmen.

Das bedeutet auch, dass die herbeigese­hnte Osterreise ausfallen muss. Vielleicht erlauben einige Bundesländ­er trotz Ansteckung­sgefahr Urlaub im schmalen Gewand, aber keinesfall­s Massentour­ismus. Dass es die Menschen auf sonnige Inseln zieht, kann jeder mit Herz nachempfin­den. Leider werden Urlauber das Virus mit zurück nach Hause bringen. Deshalb ist eine zwingende Quarantäne danach notwendig und sinnvoll. Mitten in der dritten Welle ist Reisen ein Luxus, den viele erhoffen, aber den wir uns nicht leisten sollten. Vor drei Wochen hat Deutschlan­d die Mahner Mahner sein lassen.

Die Konsequenz­en tragen wir jetzt.

Schülern droht ein zweites Halbjahr

zu Hause

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany