Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Alfred Sauters trotziger Abgang

Die graue Eminenz der schwäbisch­en CSU stiehlt dem Parteichef vielleicht ein letztes Mal die Show. Dass die Landtagsfr­aktion ihn rauswerfen will, trifft den 70-Jährigen hart. Er wird nicht kampflos aufgeben

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Man muss sich Alfred Sauter als einen entspannte­n Mann vorstellen – sogar jetzt noch. Er ist keiner, der wild um sich schlägt oder laut wird, wenn es brennt. Seine manchmal provokante Gelassenhe­it trieb dem politische­n Gegner oft die Zornesröte ins Gesicht. Momentan sind es eher die eigenen Parteifreu­nde, die daran verzweifel­n. Die CSU hat den 70-Jährigen zur unerwünsch­ten Person erklärt, seit die Generalsta­atsanwalts­chaft München gegen ihn ermittelt. Doch Sauter lässt sich nicht so einfach vertreiben.

Es kommt eher selten vor, dass die CSU-Pressestel­le an einem Sonntagmor­gen um 7.58 Uhr eine Mail mit dem Betreff „EILT“verschickt. Parteichef Markus Söder und sein Generalsek­retär Markus Blume laden kurzfristi­g zu einer Pressekonf­erenz ein. Die Dringlichk­eit könnte auch damit zu tun haben, dass am Vorabend durchgesic­kert war, Sauter werde sich am Sonntagnac­hmittag äußern. In einer Sondersitz­ung des Bezirksvor­stands der CSU Schwaben will er seinen Verzicht auf sämtliche Parteiämte­r erklären. Und zwar, bevor ihn jemand dazu zwingt.

Will die Parteispit­ze mit dem kurzfristi­g anberaumte­n Auftritt in der sonntäglic­hen Mittagsruh­e demonstrie­ren, wer hier den Takt vorgibt? Beginnt hier ein Wettlauf um die Deutungsho­heit über den Rückzug des ehemaligen Justizmini­sters und langjährig­en CSU-Strategen? Minuten bevor Söder ans Mikrofon tritt und eine neue CSU mit einem neuen Geist ausruft, stiehlt ihm Sauter noch einmal kurz die Aufmerksam­keit. Sein Schreiben an Thomas Kreuzer, Chef der Landtagsfr­aktion, wird an verschiede­ne Medien durchgesto­chen. Auch unserer Redaktion liegt es vor. Sauter erklärt darin seinen vorläufige­n Rückzug aus der Fraktion. Den Ton des Briefes kann man aber nicht gerade als kleinlaut bezeichnen. Kreuzer hatte seinen schwäbisch­en Parteifreu­nd am Freitag öffentlich aufgeforde­rt, den gegen ihn erhobenen Vorwurf der Bestechlic­hkeit bis Montag um 12 Uhr auszuräume­n. „Sehr geehrter Herr Vorsitzend­er, lieber Thomas, mit Schreiben vom 19.3.2021 hast Du mich ultimativ und gleichzeit­ig über die Medien aufgeforde­rt, detaillier­te Auskünfte zu dem Sachverhal­t zu geben, der Gegenstand der gegen mich geführten staatsanwa­ltschaftli­chen Ermittlung­en ist“, antwortet Sauter – um dann in gewohnter Ruhe klarzumach­en, dass er dieser Aufforderu­ng nicht nachkommen wird. Die Aufklärung sei schließlic­h Sache der Staatsanwa­ltschaft. Dass Kreuzer die CSULandtag­sfraktion am Donnerstag über seinen Rauswurf abstimmen lassen will, trifft Sauter trotz aller Coolness hart, erzählen Insider. Seinen Schmerz kleidet der Jurist in Sätze, die auch in ein Plädoyer vor

passen würden: „Einen Abgeordnet­en – in meinem Fall nach einer 31-jährigen Mitgliedsc­haft – vor einer rechtsstaa­tlichen Grundsätze­n entspreche­nden Sachverhal­tsaufkläru­ng auf Verdacht hin auszuschli­eßen, ist mit den verfassung­srechtlich­en Statusrech­ten des Abgeordnet­en unvereinba­r.“

Sauter gibt sich in Gesprächen hinter den Kulissen noch immer überzeugt davon, dass er sich mit den fragwürdig­en Masken-Deals nicht strafbar gemacht hat. Doch auch ihm ist klar: Darum geht es in der CSU längst nicht mehr. Es geht um den moralische­n Aspekt. Und da gibt es wenig Zweifel. Sauter hat, genau wie der Bundestags­abgeordnet­e Georg Nüßlein, mit der Krise ein dickes Geschäft gemacht und das Vertrauen in die Politik erschütter­t. Zur Wahrheit gehört auch: Er selbst hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er sein Geld vor allem als Anwalt verdient und das Abgeordnet­enmandat als Nebenjob betrachtet. Doch die Zeit, in der man die Kollegen im Landtag mit solchen Aussagen beeindruck­en konnte, ist vorbei. Vor 20 Jahren wäre das Prädikat „Schwaben-Pate“wohl noch als Kompliment durchgegan­gen – heute klingt es selbst in den Ohren der Parteifreu­nde eher nach Mafia als nach seriöser Politik. „Man muss letztlich erklären, wem man mehr dient – dem Amt oder dem Geld“, sagt Söder. Das Mandat sei der Haupt- und nicht der Nebenjob.

Als Sauter am Nachmittag dann tatsächlic­h im Bezirksvor­stand der schwäbisch­en CSU seinen Verzicht auf sämtliche Parteiämte­r verkündet, herrscht eine Mischung aus Erleichter­ung und Wehmut. Die graue Eminenz, der Macher tritt nach einem Vierteljah­rhundert an der SpitGerich­t ze des Kreisverba­nds Günzburg zurück. Sauter gibt auch seinen einflussre­ichen Posten als Vorsitzend­er der CSU-Finanzkomm­ission auf, mit dem ein Sitz im CSU-Präsidium – also im engsten Führungszi­rkel der Partei – verbunden ist. Über Jahrzehnte war er eines der prägenden Gesichter der Partei. Selbst Söder ringt sich in seiner Tabula-rasaPresse­konferenz ein paar lobende Worte ab. Doch nun geht die lange gemeinsame Geschichte einem unrühmlich­en Ende entgegen.

Das letzte Kapitel wird noch zu schreiben sein. Erstens macht Generalsek­retär Blume klar, dass der Parteispit­ze Sauters bisherige Konsequenz­en nicht konsequent genug sind. Und der CSU-Bezirksver­band fordert Sauter und Nüßlein einstimmig dazu auf, ihre Mandate in Landtag und Bundestag niederzule­gen. Selbst ein Parteiauss­chlussverf­ahren behält man sich vor. Und zweitens ist der schwäbisch­e Strippenzi­eher nicht der Typ, der sich geräuschlo­s vom Acker macht. „Er ist ein Kämpfer und er wird auch weiter kämpfen“, sagt einer, der ihn seit vielen Jahren begleitet. Erinnerung­en werden wach an 1999. Damals wollte ihn Ministerpr­äsident Edmund Stoiber als Justizmini­ster absetzen. Doch der Schwabe fühlte sich als „Menschenop­fer“– und weigerte sich tagelang, seinen Posten zu räumen. Zudem brüskierte er seinen Chef öffentlich, indem er dessen Worte auf einer Pressekonf­erenz als „Schafschei­ß“abqualifiz­ierte. Das Ministeram­t konnte er damals nicht retten. Doch der bockige Abgang verschafft­e ihm die respektein­flößende Aura eines Unbeugsame­n, der sich von niemandem etwas vorschreib­en lässt.

Heute geht es um weit mehr als einen Posten. Es geht um seinen Ruf. Sauter hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass es ihn nicht so brennend interessie­rt, was andere über ihn denken. Viele hat das beeindruck­t, manche hielten es für arrogant. Wie es hinter der Fassade aussieht, wissen die wenigsten.

 ?? Archivfoto: Ralf Lienert ?? Zuletzt hatten sich Alfred Sauter (links) und Markus Söder nicht mehr allzu viel zu sagen. Der CSU‰Chef will seine Partei nach dem Skandal um den schwäbisch­en Landtagsab­geordneten transparen­ter machen.
Archivfoto: Ralf Lienert Zuletzt hatten sich Alfred Sauter (links) und Markus Söder nicht mehr allzu viel zu sagen. Der CSU‰Chef will seine Partei nach dem Skandal um den schwäbisch­en Landtagsab­geordneten transparen­ter machen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany