Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Löw sieht sich nicht im Schaukelst­uhl

Nach seinem angekündig­ten Rücktritt geht es in den ersten Länderspie­len weiter um den Bundestrai­ner. Für ihn selbst sind die Debatten um seine Nachfolge und eine mögliche Rückkehr von Müller & Co. nur Randthemen

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Düsseldorf In einem gemütliche­n Schaukelst­uhl für Pensionäre sieht sich Joachim Löw so bald nicht. Vielmehr hat der im Sommer scheidende Bundestrai­ner vor dem ersten Treffen der deutschen Fußball-Nationalma­nnschaft nach dem 0:6-Debakel gegen Spanien die Prioritäte­n für seine letzte DFB-Mission klar benannt. Der 61-Jährige richtet alles auf die Europameis­terschaft aus, obwohl er ein Turnier in zwölf Ländern in der aktuellen Virus-Lage für „nicht ganz so einfach vorstellba­r“hält: Als Trainer überlege er als Allererste­s, „wie kann man den größtmögli­chen Erfolg garantiere­n“?

Drei Siege in den anstehende­n WM-Qualifikat­ionsspiele­n hat Löw zur Pflicht erklärt, auch wenn er selbst diesen Wettbewerb dann nicht mehr weiterführ­en wird. Zudem entscheide die Mannschaft mit ihren Auftritten am Donnerstag in Duisburg gegen Island, dann in Rumänien und wieder in Duisburg gegen Nordmazedo­nien selbst mit, ob sie bei der EM-Endrunde die eigentlich aussortier­ten Ex-Weltmeiste­r Thomas Müller, 31, und Mats Hummels, 32, doch noch einmal als Führungskr­äfte für die EMEndrunde braucht oder nicht, wie Löw verdeutlic­hte.

Er müsse seine 26 eingeladen­en Spieler „noch mal rausforder­n“, sagte Löw vor der Zusammenku­nft heute in Düsseldorf und ergänzte in der Sendung „Heute im Stadion“bei Bayern 1: „Man muss einfach sehen, auf welcher Position brauchen wir eine Verstärkun­g, einen Spieler, der in dem Mannschaft­steil vielleicht die anderen führen kann.“Erster Anwärter dafür ist Müller.

Auch beim 4:0 seiner Bayern gegen Stuttgart präsentier­te sich der Routinier als ständiger Antreiber, ToreVorber­eiter und Chef auf dem Platz. Die endgültige Entscheidu­ng werde er vor der Vergabe der 23 persönlich­en EM-Tickets im Mai fällen, wiederholt­e Löw nochmals. „Wenn ich dann das Gefühl habe, dass der eine oder andere Spieler uns hilft, dann werde ich mich nicht scheuen, diese Entscheidu­ng auch zu treffen.“Zunächst sollen Routiniers wie Toni Kroos und Ilkay Gündogan, aber auch die neue Generation um Leon Goretzka oder Serge Gnabry beweisen, dass die jüngste Schmach von Sevilla ein Ausrutsche­r war. Auch der am Wochenende noch leicht erkrankte Münchner Joshua Kimmich soll zur Verfügung stehen.

Zudem eröffnet Löw den blutjungen Florian Wirtz (17, Leverkusen) und Jamal Musiala (18, FC Bayern) Perspektiv­en. Dass ihn die Diskussion­en um seinen Nachfolger auch in den kommenden Tagen immer begleiten werden, ist Löw klar: „Ich wusste: Okay, ab dem Zeitpunkt, an dem ich das bekannt gebe, wird natürlich logischerw­eise über den Nachfolger gesprochen und spekuliert“. Ob Bayern-Coach Hansi Flick, Ralf Rangnick, der gerade dem Krisenklub Schalke abgesagt hat, U21-Nationaltr­ainer Stefan Kuntz oder sonst wer: Jeder Kandidat habe „auf seine Weise natürlich auch die Qualität und die Voraussetz­ungen, um Bundestrai­ner zu sein“, merkte Löw an. Seine besonderen Sympathien für seinen ehemaligen

Assistente­n Flick verhehlt er dabei nicht. „Die Entscheidu­ng liegt aber nicht bei mir. Ich verhalte mich da, zumindest nach außen hin, sehr neutral, weil der Hansi auch noch unter Vertrag ist.“DFB-Direktor Oliver Bierhoff werde „die richtige Entscheidu­ng für diese Mannschaft treffen“. Bis zum Sommer kann auf dem Trainermar­kt noch sehr viel passieren. Löw selbst fühlt sich „gut“mit seiner Entscheidu­ng, ein Jahr vor Vertragsen­de aufzuhören. „Ich habe mir die Entscheidu­ng ja auch reiflich überlegt die letzten Wochen und fand es eigentlich nach der EM einen guten Zeitpunkt, damit für mich, für den DFB und für alle Klarheit herrscht. Dann ist man auch ein Stück weit erleichter­t und hat Planungssi­cherheit. Das war mir natürlich auch wichtig.“Konkrete Pläne für die Zeit nach seinen 15 Jahren als Chefcoach des DFBTeams hat Löw noch nicht. „Schaukelst­uhl glaube ich nicht“, sagte er aber: „Dafür macht mir ja alles irgendwie zu viel Freude. Da habe ich schon noch eine große Motivation.“

Er werde zunächst eine Pause einlegen, „weil so ein Turnier immer auch in die neue Saison der Vereine hineingeht“. Da brauche er „einen emotionale­n Abstand. Aber vorstellba­r ist einiges“, sagte der Weltmeiste­rcoach von 2014. Dass Löw seit geraumer Zeit Spanisch lernt, ist kaum als Hinweis auf einen neuen Job im Fußball zu sehen.

„Ich bleibe nicht so nachhaltig dran. Ich habe mal begonnen und mache immer wieder mal ein bisschen autodidakt­isch“, berichtete er von überschaub­aren Lernfortsc­hritten.

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Foto: Federico Gambarini, dpa Jogi Löw lernt seit einiger Zeit Spanisch. Als Hinweis auf einen neuen Arbeitspla­tz sei das aber nicht zu verstehen, sagt er.

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