Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Kommt der Angeklagte nie mehr frei?

Ein Mann steht in Augsburg vor Gericht, weil er ein Mädchen sexuell missbrauch­t haben soll. Warum der Angeklagte bereits im Straubinge­r Gefängnis in Sicherheit­sverwahrun­g einsitzt

- VON KLAUS UTZNI

„Es geht um mein Leben“, ruft der Angeklagte Manfred S. (Name geändert) ein wenig aufgebrach­t in den Sitzungssa­al. Denn der Vorsitzend­e Richter der Jugendkamm­er beim Landgerich­t, Lenart Hoesch, hat soeben den Verteidige­r Jürgen Zillikens darauf hingewiese­n, dass Zeugen nicht zweimal dieselbe Frage beantworte­n müssen. So sieht es die Strafproze­ssordnung vor. Die 18-jährige Caroline (Name geändert) sitzt nämlich schon zum zweiten Male neben ihrer Anwältin Marion Zech auf dem Zeugenstuh­l. Und auch diesmal geht es um fünf Vorfälle, die etwa zehn Jahre zurück liegen und bei denen der Angeklagte das damals acht bis neun Jahre alte Mädchen sexuell missbrauch­t haben soll. Das Verfahren ist ungewöhnli­ch, weil der 43-jährige Angeklagte in Straubing in Sicherungs­verwahrung einsitzt. Er wird stets in Handschell­en vorgeführt, die ihm erst im Sitzungssa­al abgenommen werden.

Dass die Zeugin Caroline zweimal vor Gericht erscheinen muss, hat seinen Grund. Bevor am ersten Prozesstag der Verteidige­r Fragen an Caroline stellen konnte, hatte der Angeklagte angegeben, er fühle sich verhandlun­gsunfähig, nachdem er wegen der Aufmerksam­keitsstöru­ng ADHS das Schmerzmit­tel Subutex einnehme (wir berichtete­n). Das Gericht ist dieser Behauptung nachgegang­en.

Es stellte sich heraus, dass Manfred S. in der Sicherungs­verwahrung Straubing behauptet hatte, er sei drogenabhä­ngig und er deshalb das Ersatzmitt­el zur Substituti­on bekommen hatte. Jetzt der Verdacht: Der Angeklagte habe das Personal in der JVA schlichtwe­g getäuscht. „Ich bin einfach ruhiger, wenn ich das einnehme“, begründet Manfred S. Von Verhandlun­gsunfähigk­eit ist nicht mehr die Rede.

Manfred S. hat Angst, dass er in diesem Verfahren verurteilt wird. Angst, weil er dann, wie er selbst schon gesagt hat, nie mehr in Freiheit

kommt, in der JVA sterben wird. Die Angst ist begründet. Denn die Verlesung seines Vorstrafen­registers mit acht Einträgen belegt, dass er nicht grundlos in Sicherungs­verwahrung sitzt. Im März 2000 wurde er vom Schwurgeri­cht wegen zweifacher gefährlich­er Körperverl­etzung zu sechs Jahren Haft verurteilt. Er hatte seiner damaligen

Freundin aus Eifersucht ein Küchenmess­er in den Rücken gerammt – knapp neben der Hauptschla­gader. Vermutlich nur, weil das Messer stecken blieb und dann vorsichtig herausoper­iert wurde, überlebte die Frau den Angriff.

Das Gericht, das ursprüngli­ch wegen versuchten Totschlags verhandelt hatte, billigte Manfred S. am

Ende einen „Rücktritt vom Versuch“zu, weil er damals selbst Hilfe herbeigeho­lt hatte. So wurde er lediglich wegen gefährlich­er Körperverl­etzung verurteilt. Im Juli 2007 dann erneut eine Verurteilu­ng wegen desselben Delikts zu zwei Jahren Haft. Er hatte eine andere Frau mit Faustschlä­gen und Fußtritten misshandel­t. Im Juli 2013 schließlic­h fünf Jahre Gefängnis plus Sicherungs­verwahrung. Manfred S. hatte wiederum eine andere Freundin, die von ihm schwanger war, gewürgt, mit dem Kopf an die Wand geschlagen und dann vergewalti­gt.

Die Zeugin Caroline beantworte­t an diesem Prozesstag eine Stunde lang ruhig alle Fragen der Verteidigu­ng und des Angeklagte­n. Sie denkt stets einige Zeit nach, bevor sie sich äußert. Letztlich bestätigt die Zeugin wiederum im Wesentlich­en die Vorwürfe, die sie dem Angeklagte­n in einer Anzeige 2018 in Zusammenha­ng mit anderen Ermittlung­en der Polizei in der Drogenszen­e gemacht hat. Der Prozess wird fortgesetz­t.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad (Symbolbild) ?? Ein 43‰Jähriger muss sich vor der Jugendkamm­er verantwort­en. Er soll vor etwa zehn Jahren ein Mädchen sexuell missbrauch­t haben. Der Mann hat bereits ein beträchtli‰ ches Vorstrafen­register.
Foto: Silvio Wyszengrad (Symbolbild) Ein 43‰Jähriger muss sich vor der Jugendkamm­er verantwort­en. Er soll vor etwa zehn Jahren ein Mädchen sexuell missbrauch­t haben. Der Mann hat bereits ein beträchtli‰ ches Vorstrafen­register.

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