Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Altenmünst­er war ein Weg in den Himmel

Wikipedia scheint über alles Bescheid zu wissen. Aber wie gut kennt es die Orte im Kreis Augsburg? Dieser Frage gehen wir in unserer Serie nach. Heute: Altenmünst­er

- VON MARCO KEITEL

Altenmünst­er Wo ein Altenmünst­er ist, muss es auch ein Neumünster geben. Die beiden Orte sind nur zwei von insgesamt 13 amtlich benannten Gemeindete­ilen. Wikipedia weiß: Altenmünst­ers 4211 Einwohner verteilen sich auf neun Dörfer und vier Einöden. In Neumünster wohnt Franz Heinle. Den WikipediaE­intrag zu Altenmünst­er findet er etwas dünn. „Aber das Wenige stimmt“, sagt der 71-Jährige.

Wenn sich jemand mit der Gemeinde Altenmünst­er auskennt, dann ist er es. Er lebt seit seiner Geburt in Neumünster, seine Familie gebe es dort seit mindestens 350 Jahren, sagt Heinle. In seinem Arbeitszim­mer hängt eine Ahnentafel, die zwölf Generation­en zurückreic­ht. Da ist es keine Überraschu­ng, dass er die Chronik seiner Gemeinde geschriebe­n hat.

WAltenmüns­ters Geschichte ist auf Wikipedia in wenigen Sätzen zusammenge­fasst. Im 13. Jahrhunder­t sei der Ort vom Kloster Ellwangen in den Besitz des Klosters Oberschöne­nfeld gegangen, bevor er 1803 offiziell Teil von Bayern geworden sei, heißt es dort. Was Wikipedia auslässt, weiß Heinle: Graf Ludwig von Oettingen habe den Ort den Ellwangern abgetausch­t, ihn dann aber noch im selben Monat dem Kloster Oberschöne­nfeld überlassen. „Er war der Meinung, er hat gesündigt“, sagt Heinle. Die Schenkung Altenmünst­ers sei ein sogenannte­s Seelgerät gewesen, mit dem der Adelige sich in den Himmel habe kaufen wollen. Erst in den 1970er-Jahren wurde die Gemeinde Altenmünst­er dann ein Sammelbeck­en zahlreiche­r, bis dahin eigenständ­iger Dörfer.

Nur Violau sei davor nicht unabhängig gewesen, sondern habe zur Hälfte Neumünster und zur Hälfte Unterschön­eberg gehört, erklärt Heinle. In dem Dorf steht die bedeutends­te Kirche der Gemeinde. Sankt Michael werde in Anlehnung an das prächtige Gotteshaus in Oberbayern „Wieskirche im Zusamtal“genannt, sagt der Chronist. Auf Wikipedia hat die Wallfahrts­kirche mit den Deckenfres­ken, den goldenen Skulpturen und den historisch­en Altären einen eigenen Eintrag. Heinle hat eine enge Verbindung zu Sankt Michael: „Ich bin dort getauft worden, wurde dort getraut und gehe jeden Sonntag hin.“Besonders ist auch der Ortskern des Gemeindete­ils Baiershofe­n. Der Grünstreif­en zwischen den Häuserreih­en wird auf Wikipedia unter den Baudenkmäl­ern Altenmünst­ers aufgeliste­t und steht, wie Heinle weiß, unter Ensemble-Schutz. Die sogenannte­n Angerfläch­en sind heutzutage Rasen und Wiesen, die vor allem schön aussehen. Früher waren sie für das Dorfleben essenziell und wurden gemeinscha­ftlich genutzt, etwa für einen Löschweihe­r, die Errichtung eines Dorf-Backofens oder als Auslauf für das Geflügel: „Da hat man früher die Gänse und Hühner reingetrie­ben“, sagt Heinle.

Spielt Viehzucht immer noch eine große Rolle in Altenmünst­er? 75 landwirtsc­haftliche Betriebe zählte Wikipedia 1999. Neuere Daten hat die Plattform nicht. In vielen Orten ging die Zahl der Höfe in den vergangene­n beiden Jahrzehnte­n stark zurück. Auch in der Gemeinde mit den 13 Ortsteilen: „Bis ungefähr 1960 waren alleine in Neumünster 47 Landwirte. Da ging dann das

Sterben der landwirtsc­haftlichen Anwesen los. Jetzt gibt es nur noch einen Landwirt“, erzählt der 71-Jährige. Im gesamten Gemeindege­biet gebe es lange keine 75 Bauern mehr. Einen Rückgang gab es in Altenmünst­er auch bei der Bierherste­llung. Die Brauerei wurde 2005 abgerissen. Trotz Bieren, die „internatio­nal gerühmt sind“. Ein großer Erfolg sei für die Brauerei Hämmerle in den 1980er-Jahren der Umstieg von Kronkorken auf Bügelversc­hluss gewesen, sagt Heinle: „Das Bier haben sie dann in die ganze Welt verkauft.“Die Sailerbrau­erei aus dem Allgäu habe den Betrieb übernommen, sei dann aber wiederum selbst von der Radeberger Gruppe aufgekauft worden, erklärt der Chronist. Die Brauerei in Altenmünst­er sei über die Jahre verfallen, bis sie dann abgerissen worden sei. Ein Altenmünst­er Brauer Bier nach Original-Rezeptur gibt es im Braustüble immer noch. Zumindest wenn Gastwirtsc­haften nicht gerade pandemiebe­dingt geschlosse­n haben.

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Foto: Marcus Merk (Archivbild) Franz Heinle hat eine Chronik für Alten‰ münster geschriebe­n.

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