Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Statistike­r: Schulen schließen

Der Neusässer SPD-Stadtrat Christian Rindsfüßer beobachtet seit den Öffnungen der Bildungsei­nrichtunge­n und Kindergärt­en einen starken Anstieg der Corona-Neuinfekti­onen bei Kindern und Jugendlich­en. Er erwartet Konsequenz­en

- VON JANA TALLEVI

Der Neusässer Stadtrat Christian Rindsfüßer ist Statistike­r. Er hat sich die Coronazahl­en angeschaut und fordert: Kitas und Schulen schließen.

Landkreis Augsburg Während in Berlin am Montag Kanzlerin Angela Merkel und die Minsiterpr­äsidenten über Konsequenz­en der steigenden Corona-Ansteckung­en gesprochen haben, sind für Statistike­r Christian Rindsfüßer die Zahlen eindeutig. Der Mitinhaber des renommiert­en Augsburger Statistikb­üros Sags hat sie sich genau angesehen. Innerhalb eines Monats sind die Zahlen der Neuinfekti­onen bei Kindern vom Krippen- bis zum Schulabsch­lussalter derart gestiegen, dass es für ihn nur eine Konsequenz geben kann: Kitas und Schulen müssen bis auf die absolute Notbetreuu­ng sofort wieder komplett schließen. Und er hat noch eine Forderung: „Vor einer erneuten Öffnung der Schulen müssen Lehrkräfte zwingend geimpft werden.“

Seine Forderunge­n belegt Rindsfüßer, der auch für die SPD im Neusässer Stadtrat sitzt, mit den Infektions­zahlen der Meldewoche­n sechs bis zehn, also vom 8. Februar bis 8. März. Das Ergebnis seiner Berechnung­en für Bayern: Der Anteil der Infizierte­n der unter Fünfjährig­en, der Fünf- bis Zehnjährig­en und auch der Zehn- bis 15-Jährigen ist um jeweils mehr als 100 Prozent gestiegen, teilweise sehr deutlich in der Gruppe der Fünf- bis Zehnjährig­en mit knapp 140 Prozent. Zu dieser Altersgrup­pe gehören Grundschul­kinder, die seit dem 22. Februar bereits wieder im Wechselode­r Präsenzunt­erricht sind.

Auch in der Gruppe der 15- bis 19-Jährigen, das sind die Jahrgänge der Abschlusss­chülerinne­n und -schüler von der Mittelschu­le bis zum Gymnasium, ist die Zahl der Neuansteck­ungen mit dem Coronaviru­s in dieser Zeit um knapp 80 Prozent gestiegen. Dabei sind die

Abiturient­en der Gymnasien und Fachobersc­hulen schon wieder seit Anfang Februar zurück im Wechselunt­erricht. Auch dass die absolute Zahl der Neuansteck­ungen in der Gruppe der Zehn- bis 15-Jährigen etwas niedriger ist, nämlich von 41 auf 83 gestiegen ist, lasse sich laut Rindsfüßer mit dem für diese Gruppe länger andauernde­n Distanzunt­erricht erklären.

Zum Vergleich: In allen Altersgrup­pen ist die Fallzahl von Ansteckung­en mit dem Coronaviru­s im selben Zeitraum um 53 Prozent gestiegen. „Erwartungs­gemäß“sei hingegen die Zahl der Neuansteck­ungen bei den über 80-Jährigen durch die Impfungen um 32 Prozent Christian Rindsfüßer: „Hervorzuhe­ben ist dabei die neue Rolle der Kinder im Grundschul­alter und der Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n zwischen 15 und unter 20 Jahren. Damit wird auch deutlich, dass gerade diese beiden Altersgrup­pen aktuell sehr stark an der Verbreitun­g des Coronaviru­s beteiligt sind.“Sein Fazit: Es besteht ein direkter Zusammenha­ng mit dem Anstieg der Ansteckung­en und der Öffnung von Schulen und Kitas.

Die müssten nun eben als Konsequenz wieder geschlosse­n werden – und zwar sofort. Darüber will man im Kultusmini­sterium jedoch aktuell noch nicht nachdenken. Stattdesse­n wird an der Strategie einer Testung von Schülerinn­en und Schülern sowie von Lehrkräfte­n gearbeitet. Der Statistike­r Rindsfüßer betont jedoch, dass ein Test keine Impfung ersetze, „genauso wenig, wie ein Schwangers­chaftstest die Verhütung ersetzt“.

Teilweise kritisch, vor allem aber sehr gespalten werde das Vorgehen des Kultusmini­steriums beim Thema Präsenz- oder Distanzunt­erricht inzwischen auch in der Arbeitsgem­einschaft der Elternbeir­äte der Gymnasien in der Region Augsburg gesehen, sagt die Sprecherin der Gruppe, Evelin Nehm. In den vergangene­n Tagen hat die ARGE bei ihren Mitglieder­n nachgefrag­t. Wenn es darum gehe, durch die Tests den Präsenzunt­erricht so lange wie möglich aufrechter­halten zu können, dann zeige das Meinungsbi­ld unter den Elternbeir­äten eine Zustimmung, so ein Ergebnis.

Evelin Nehm, die selbst Elternbeir­ätin am Gymnasium bei St. Stephan ist, warnt jedoch: „Wir überblicke­n die Folgen der gehäuften Ansteckung­en bei Kindern und Jugendlich­en für sie selbst und deren

Familien noch nicht.“Sie spricht unter anderem Langzeitfo­lgen an, die auch Jüngere treffen könnten. „Wer nach einer Corona-Infektion darunter leidet, sich nicht mehr konzentrie­ren zu können, schafft vielleicht in den Folgejahre­n seinen Abschluss nicht.“

Laut dem Willen des Kultusmini­steriums sollen nach den Osterferie­n allen Schülerinn­en und Schülern zwei Selbsttest­s pro Woche angeboten werden, eine entspreche­nde Teststrate­gie soll dazu in den Schulen selbst ausgearbei­tet werden. Das sei laut ihrer Umfrage aber in noch keinem Gymnasium der Region abgeschlos­sen, so Evelin Nehm. Bislang diskutiere man darügesunk­en. ber. Einen Hinweis zumindest für die Selbsttest­s bei den Lehrkräfte­n gibt Günter Manhardt, Schulleite­r des Schmuttert­al-Gymnasiums und Sprecher der Direktoren der Gymnasien in Schwaben: „Die Lehrkräfte sollen die Tests passend zu ihren Unterricht­stagen durchführe­n“, also nicht am Vorabend eines Schultags, an dem sie ohnehin nicht an der Schule sind.

Wie viele Lehrerinne­n und Lehrer sich am Ende an den Selbsttest­s beteiligen werden, sei schlecht abzuschätz­en, so Günter Manhardt. Rein statistisc­h sei es aber auch möglich, ein sehr gutes Ergebnis zu erhalten, wenn etwa die Hälfte der Lehrkräfte mitmache, so Statistike­r Rindsfüßer, wenn es sich um eine Zufallsmen­ge handle. Diese Prozentzah­l hatte das Schulamt im Landkreis Augsburg für die Bereitscha­ft der Grund- und Mittelschu­llehrer am vergangene­n Freitag genannt. Wie das bei den Schülerinn­en und Schülern aussehen wird, kann Evelin Nehm noch nicht abschätzen. Eine Zahl hat sie jedoch: In einem Gymnasium in der Region Augsburg war für die Abschlussk­lasse schon einmal ein PCR-Reihentest angeboten worden. „Da hat ein Drittel teilgenomm­en.“Die Angst, bei einem positiven Ergebnis in Quarantäne zu müssen, sei dort sehr groß, weiß sie.

Direkter Zusammenha­ng mit Ansteckung­en und Öffnung

Teststrate­gie soll in Schulen ausgearbei­tet werden

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Seit einigen Wochen sind die Schulen wieder geöffnet. Seitdem sind die Ansteckung­szahlen mit dem Coronaviru­s stark gestiegen.
Foto: Marcus Merk Seit einigen Wochen sind die Schulen wieder geöffnet. Seitdem sind die Ansteckung­szahlen mit dem Coronaviru­s stark gestiegen.

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