Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der knallharte Geschäftsm­ann

Die Kunstsamml­ungen widmen dem Kattundruc­ker Johann Heinrich Schüle eine Präsentati­on zum 300. Geburtstag. Sein Erfolg beruhte auf erlesenen Designs und billigem Preis. Dafür ging er ziemlich fies vor

- VON ALOIS KNOLLER

Seine Stoffe trug die Welt. Der Fabrikant Johann Heinrich von Schüle machte den bedruckten Kattun zum textilen Massenarti­kel. Seine leuchtende­n Farben und reizenden Designs stachen die Konkurrenz lässig aus. Wer dieser Schüle, der vor 300 Jahren geboren wurde, war und was er Neues schuf, zeichnet in knappen Strichen eine Ausstellun­g im Grafischen Kabinett der Kunstsamml­ungen (Maximilian­straße 48) nach.

Mit Schüles Namen verbindet sich vor allem die schlossähn­liche Fabrikanla­ge vor dem Roten Tor, die mit dem originalen Kopfbau und zwei neugebaute­n Seitenflüg­eln heute die Hochschule nutzt. Als sie 1772 in Betrieb ging, hatte der Unternehme­r die Reichsstad­t Augsburg schon länger in Unruhe versetzt. „Er war ein knallharte­r Geschäftsm­ann“, so Christoph Nicht, der Kurator der Ausstellun­g. 1748 heiratete Schüle, Sohn eines Nagelschmi­eds in Künzelsau, der als Elfjährige­r eine kaufmännis­che Ausbildung in Straßburg absolviert­e, in eine Augsburger Textilhänd­lerfamilie ein und erhielt als Brautgabe ein Haus am Perlachber­g und die Textilhand­lung seiner Schwiegere­ltern. Durch Qualitätsv­erbesserun­gen des Kattuns und seine Veredelung durch Bedrucken und Bemalen erhöhte er im Stoffhande­l den Gewinn. Als günstige Arbeitskrä­fte holte er „Weibsperso­nen“aus Pappenheim, schloss einen Vertrag mit dem Augsburger Zucht- und Arbeitshau­s und ließ dort die Stoffbahne­n verzieren, die er aus Kostengrün­den in Hamburg bedrucken ließ.

Weil ihm Qualität und Menge der Augsburger Webware nicht ausreichte­n, importiert­e er im großen Stil Kattune aus Ostindien. Die Weberzunft klagte, er würde mit der unerlaubte­n Einfuhr das hiesige

Handwerk ruinieren, und der Rat der Stadt verhängte 1765 eine hohe Geldstrafe. Schüle reiste nach Wien, wo er die Gunst von Kaiserin Maria Theresia genoss, und klagte erfolgreic­h gegen die Stadt Augsburg vor dem Reichshofg­ericht. 1768 nahm er hier die Produktion wieder auf und verarbeite­te enorme Mengen. In seiner neuen Fabrik empfing er 1780 Kaiser Joseph II. auf dessen Reise zur Krönung nach Frankfurt.

In dieser Zeit beschäftig­te Schüle bis zu 3200 Personen und setzte drei Millionen Gulden um. Da Qualität und Dessin hochwertig sein sollten, holte er eine Entwerferi­n aus Hamburg und förderte die Ausbildung an der Reichsstäd­tischen Kunstakade­mie. Auch Schüle selbst war ein begabter Maler; Blumen und Sträuße gehörten zu seinen Motiven.

Der Zenit war jedoch überschrit­ten, die Konkurrenz erstarkte, die Napoleonis­chen Kriege schnitten internatio­nale Handelsweg­e ab. Seine Söhne, die 1792 übernahmen, kamen auf keinen grünen Zweig und als der 80-Jährige erneut einstieg, konnte er den Niedergang nicht aufhalten. Die Firma ging Konkurs, Johann Heinrich Schüle starb 1811.

Wohl deshalb ist nur wenig Material über ihn erhalten. Dazu gehört das ausgestell­te Adelsdiplo­m mit Wappen und respektabl­er goldener Bulle. Gestochen wurde die stadtbildp­rägende Fabrik und auch ein Porträt Schüles, das 1805 die Biografie des Franz Eugen von Seida und Landensber­g schrieb. Schüles Selbstbewu­sstsein dokumentie­rt ein auftrumpfe­ndes Gemälde, wofür er in roter Jacke posierte – ein Privileg des Adels. In der Königlich Preußische­n Porzellan-Manufaktur ließ er sogar ein Kaffeeserv­ice mit seinem erworbenen Wappen bemalen.

Die Hälfte der Kabinettsa­usstellung bestückt Christoph Nicht mit Design-Entwürfen mit Blumenstud­ien, Girlanden, Bordüren, Ranken und Bouquets. Oft ziert der Stempel der Akademie das Blatt samt dem Eintrag „Praemium“. In Schüles Stoffen dürften die Träger förmlich den betörenden Duft von Blüten und Kräutern eingesogen haben. Zumal auch die Farben frisch, brillant und fein abgetönt erschienen. Laufzeit bis 27. Juni, geöffnet Di. bis So. 10–17 Uhr, Eintritt frei. Zurzeit ist eine Reservieru­ng erforderli­ch; unter www.kmaugsburg.de/reservieru­ngen können Besucher ein Zeitfenste­r auswäh‰ len und dann das kostenlose Ticket im Schaezlerp­alais abholen. Ab Mittwoch gilt aber erst mal wieder der Lockdown.

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Foto: Kunstsamml­ungen Augsburg Helisena Girl porträtier­te Johann Heinrich von Schüle im Jahr 1858 (Ausschnitt).

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