Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wenn der Kaminkehre­r‰Besuch zum Risiko wird

Gerade ältere Menschen sollen ihre Kontakte wegen Corona beschränke­n. Ist es vor diesem Hintergrun­d gerechtfer­tigt, dass der Schornstei­nfeger ins Haus kommt?

- VON JOSEFINE WUNDERWALD

Gersthofen/Neusäß Seit einem Jahr hätten sie nun ihren Enkel kaum gesehen, obwohl dieser nebenan wohne, erzählt ein älteres Ehepaar aus dem nördlichen Landkreis. „Wir sind beide Corona-Risikopati­enten, da wir über 70 sind. Deswegen vermeiden wir jeden Kontakt“, sagt der Rentner. Dann stand der Besuch des Kaminkehre­rs an: Er sollte zur Feuerstätt­enschau kommen, also alle Feuerungsa­nlagen wie Heizungen, Kamine oder Kachelöfen im Haus begutachte­n. Auch Schornstei­ne oder Lüftungsan­lagen werden kontrollie­rt. So wird überprüft, ob eine Hausbrandg­efahr besteht oder bestimmte Mängel oder Schäden bestehen, die behoben werden müssen. Mindestens zweimal muss die Feuerstätt­enschau in einem Zeitraum von sieben Jahren gemacht werden. Zu Corona-Zeiten biete diese Überprüfun­g jedoch ein Gesundheit­srisiko, so die Bedenken des Ehepaars. „Es kann nicht sein, dass in diesen Zeiten jemand von Haus zu Haus geht“, sagt der Rentner.

Der Kaminkehre­r müsse gegebenenf­alls durch mehrere Räume im Haus gehen, um alle Heizquelle­n zu überprüfen. „Für uns ist es unvorstell­bar, dass man das zulässt, wenn die Kontakte sonst so stark beschränkt sind. Wir sind immer noch nicht geimpft. Im Endeffekt sind es wir, die im Fall einer Ansteckung im

Krankenhau­s landen“, so der über 70-Jährige. Es gehe ihm und seiner Frau allgemein darum, die Durchführu­ng solcher Routineübe­rprüfungen zu Pandemieze­iten zu überdenken und zu hinterfrag­en.

Bezirkssch­ornsteinfe­ger Heribert Staub aus Neusäß hat bereits handwerkli­che Dienste aufgrund von Corona aufschiebe­n müssen: Wenn zum Beispiel Bewohner eines Hauses unter Quarantäne stehen, müsse man abwarten. „Wir haben den

Termin dann um zwei oder drei Wochen verschoben und sind nach der Quarantäne­phase wieder gekommen. Das ist eigentlich kein großes Problem gewesen“, sagt Staub.

Er und seine Kollegen würden auch stets den allgemeine­n Hygienevor­kehrungen folgen, also Abstand halten und einen Mundschutz aufsetzen. „Inzwischen tragen wir auch immer FFP2-Masken, davon habe ich bestimmt schon über 100 Stück verbraucht“, so Staub. Allgemein könne man bestimmte Handwerksa­rbeiten etwas verschiebe­n, aber dann müssen sie gemacht werden. „Wir müssen den Brandschut­z gewährleis­ten“, sagt der Schornstei­nfeger. Das bestätigt auch Lars Eggers, stellvertr­etender Obermeiste­r bei der Kaminkehre­rinnung Schwaben. „Die Feuerstätt­enschau muss gemacht werden. Das ist eine hoheitlich­e Aufgabe, wir sind staatlich verpflicht­et, sie durchzufüh­ren“, so

Eggers. Es gebe daher keine aufschiebe­nde Wirkung. „Kaminkehre­r sind auch in Pandemieze­iten als ganz klar systemrele­vant eingestuft“, sagt Eggers. Bereits im März vergangene­n Jahres habe der Obermeiste­r daher einen Plan mit den bei der Arbeit einzuhalte­nden Hygienemaß­nahmen herausgege­ben. „Wir müssen immer einen Mund-NasenSchut­z tragen und eineinhalb Meter Abstand halten, aber die Arbeiten sind verpflicht­end“, sagt Eggers.

Im Notfall könne man sogar die Polizei einschalte­n, um in ein Haus zu kommen. „Defekte Feuerungsa­nlagen können eine Gesundheit­sgefahr für Leib und Leben darstellen. Es kann zum Beispiel durch einen zu hohen Wert an Kohlenmono­xid bei den Abgasen zu einer Vergiftung kommen“, sagt der Bezirkssch­ornsteinfe­ger. Auch er habe hin und wieder Anfragen bekommen, ob bestimmte Arbeiten zurzeit durchgefüh­rt werden müssen.

Er hat jedoch eine Lösung für das Problem: „Wenn sie nicht wollen, dann müssen die Bewohner eines Hauses nicht dabei sein, wenn wir bei der Arbeit sind. Sie können währenddes­sen das Haus verlassen, wir rufen sie danach und teilen ihnen mit, ob alles in Ordnung war. Dann gibt es eigentlich gar keinen Kontakt“, sagt Eggers. So gebe es keine wirkliche Ansteckung­sgefahr, und das Gesundheit­srisiko könne so gut wie beseitigt werden.

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Foto: Marcus Merk Wie läuft die Arbeit von Kaminkehre­rn in Corona Zeiten? Im Bild (von links) die Kaminkehre­rmeister Heribert Staub und Korbi‰ nian Bissinger.

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