Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wenn der KaminkehrerBesuch zum Risiko wird
Gerade ältere Menschen sollen ihre Kontakte wegen Corona beschränken. Ist es vor diesem Hintergrund gerechtfertigt, dass der Schornsteinfeger ins Haus kommt?
Gersthofen/Neusäß Seit einem Jahr hätten sie nun ihren Enkel kaum gesehen, obwohl dieser nebenan wohne, erzählt ein älteres Ehepaar aus dem nördlichen Landkreis. „Wir sind beide Corona-Risikopatienten, da wir über 70 sind. Deswegen vermeiden wir jeden Kontakt“, sagt der Rentner. Dann stand der Besuch des Kaminkehrers an: Er sollte zur Feuerstättenschau kommen, also alle Feuerungsanlagen wie Heizungen, Kamine oder Kachelöfen im Haus begutachten. Auch Schornsteine oder Lüftungsanlagen werden kontrolliert. So wird überprüft, ob eine Hausbrandgefahr besteht oder bestimmte Mängel oder Schäden bestehen, die behoben werden müssen. Mindestens zweimal muss die Feuerstättenschau in einem Zeitraum von sieben Jahren gemacht werden. Zu Corona-Zeiten biete diese Überprüfung jedoch ein Gesundheitsrisiko, so die Bedenken des Ehepaars. „Es kann nicht sein, dass in diesen Zeiten jemand von Haus zu Haus geht“, sagt der Rentner.
Der Kaminkehrer müsse gegebenenfalls durch mehrere Räume im Haus gehen, um alle Heizquellen zu überprüfen. „Für uns ist es unvorstellbar, dass man das zulässt, wenn die Kontakte sonst so stark beschränkt sind. Wir sind immer noch nicht geimpft. Im Endeffekt sind es wir, die im Fall einer Ansteckung im
Krankenhaus landen“, so der über 70-Jährige. Es gehe ihm und seiner Frau allgemein darum, die Durchführung solcher Routineüberprüfungen zu Pandemiezeiten zu überdenken und zu hinterfragen.
Bezirksschornsteinfeger Heribert Staub aus Neusäß hat bereits handwerkliche Dienste aufgrund von Corona aufschieben müssen: Wenn zum Beispiel Bewohner eines Hauses unter Quarantäne stehen, müsse man abwarten. „Wir haben den
Termin dann um zwei oder drei Wochen verschoben und sind nach der Quarantänephase wieder gekommen. Das ist eigentlich kein großes Problem gewesen“, sagt Staub.
Er und seine Kollegen würden auch stets den allgemeinen Hygienevorkehrungen folgen, also Abstand halten und einen Mundschutz aufsetzen. „Inzwischen tragen wir auch immer FFP2-Masken, davon habe ich bestimmt schon über 100 Stück verbraucht“, so Staub. Allgemein könne man bestimmte Handwerksarbeiten etwas verschieben, aber dann müssen sie gemacht werden. „Wir müssen den Brandschutz gewährleisten“, sagt der Schornsteinfeger. Das bestätigt auch Lars Eggers, stellvertretender Obermeister bei der Kaminkehrerinnung Schwaben. „Die Feuerstättenschau muss gemacht werden. Das ist eine hoheitliche Aufgabe, wir sind staatlich verpflichtet, sie durchzuführen“, so
Eggers. Es gebe daher keine aufschiebende Wirkung. „Kaminkehrer sind auch in Pandemiezeiten als ganz klar systemrelevant eingestuft“, sagt Eggers. Bereits im März vergangenen Jahres habe der Obermeister daher einen Plan mit den bei der Arbeit einzuhaltenden Hygienemaßnahmen herausgegeben. „Wir müssen immer einen Mund-NasenSchutz tragen und eineinhalb Meter Abstand halten, aber die Arbeiten sind verpflichtend“, sagt Eggers.
Im Notfall könne man sogar die Polizei einschalten, um in ein Haus zu kommen. „Defekte Feuerungsanlagen können eine Gesundheitsgefahr für Leib und Leben darstellen. Es kann zum Beispiel durch einen zu hohen Wert an Kohlenmonoxid bei den Abgasen zu einer Vergiftung kommen“, sagt der Bezirksschornsteinfeger. Auch er habe hin und wieder Anfragen bekommen, ob bestimmte Arbeiten zurzeit durchgeführt werden müssen.
Er hat jedoch eine Lösung für das Problem: „Wenn sie nicht wollen, dann müssen die Bewohner eines Hauses nicht dabei sein, wenn wir bei der Arbeit sind. Sie können währenddessen das Haus verlassen, wir rufen sie danach und teilen ihnen mit, ob alles in Ordnung war. Dann gibt es eigentlich gar keinen Kontakt“, sagt Eggers. So gebe es keine wirkliche Ansteckungsgefahr, und das Gesundheitsrisiko könne so gut wie beseitigt werden.