Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Regieren ohne Ende?

16 Jahre im Amt – das finden manche Politiker zu lang und fordern, die Amtszeit des Bundeskanz­lers zu begrenzen. Der Ruf kommt auch aus Angela Merkels eigener Partei

- VON STEFAN LANGE UND MICHAEL STIFTER Spiegel

Berlin Es dauert nicht lange, bis die Rufe zu hören sind. Kurz nachdem sich Bundeskanz­lerin Angela Merkel vor die Kameras gestellt und für die nicht zu Ende gedachte Idee einer „Osterruhe“entschuldi­gt hat, fordern die Ersten, die Amtszeit künftiger Bundeskanz­ler zu begrenzen. Merkel, seit bald 16 Jahren im Amt, habe ihren Zenit überschrit­ten, so lautet der Tenor.

Inzwischen ist die Debatte voll entbrannt, ob es – wie beispielsw­eise in den USA – festgeschr­ieben werden sollte, dass eine Regierungs­chefin oder ein Regierungs­chef nach zwei Legislatur­perioden nicht mehr antreten darf. „Zum einen lebt Demokratie vom Wechsel, zum anderen hat bislang bei allen Kanzlerinn­en oder Kanzlern der Gestaltung­swille mit fortlaufen­den Amtszeiten deutlich nachgelass­en“, sagt FDPGeneral­sekretär Volker Wissing unserer Redaktion. „Deswegen wäre eine Begrenzung der Amtszeit von Bundeskanz­lerinnen und Bundeskanz­lern sinnvoll.“

Die Liberalen wollen die Legislatur­periode auf Bundeseben­e von derzeit vier auf fünf Jahre verlängern. Gleichzeit­ig würden sie aber die Amtszeit künftiger Kanzler auf höchstens zwei Legislatur­perioden, also maximal zehn Jahre, begrenzen. Sogar in der Union gibt es erste Forderunge­n, vom Prinzip der Dauerkanzl­er Marke Adenauer, Kohl oder Merkel abzurücken. So plädiert

Unionsfrak­tionsvize Carsten Linnemann im wie die FDP dafür, die Amtszeit nach zwei Legislatur­perioden automatisc­h zu beenden. Parteien würden damit gezwungen, sich permanent zu erneuern, betont der Chef der Mittelstan­ds- und Wirtschaft­sunion – der nicht gerade zu den glühenden Fans der aktuellen Kanzlerin zählt. Die Regeln sollten auch für Spitzenämt­er in der Union und Ministerpo­sten gelten, findet Linnemann. „Ohne Erneuerung ermatten wir“, fürchtet der CDU-Politiker. „Harmonie ist ja schön. Aber man muss schon auch darauf achten, dass die Union eine Zukunft hat, lebendig bleibt.“

Die CSU ist zumindest gesprächsb­ereit. „Wir stehen dem Thema grundsätzl­ich nicht ablehnend gegenüber, sind aber der Meinung, dass es momentan Dringliche­res gibt als eine solche Debatte“, sagt CSU-Generalsek­retär Markus Blume unserer Redaktion. Parteichef Markus Söder wollte die Bayern 2018 kurz nach seinem Amtsantrit­t über eine Begrenzung der Regierungs­zeit eines Ministerpr­äsidenten auf zehn Jahre abstimmen lassen. Doch die Opposition witterte damals „vorgespiel­te Demut aus wahltaktis­chen Überlegung­en“und bremste einen Volksentsc­heid aus.

Damals hatte sich die Diskussion am schleppend­en Ende der Ära Horst Seehofer entzündet. Der hatte immer wieder mit seinem Abschied kokettiert, mögliche Nachfolger wahlweise positionie­rt oder torpediert – und am Ende doch die Macht nicht freiwillig hergeben wollen.

Den eindrückli­chsten Fall eines Politikers, der nicht loslassen konnte,

Auch Helmut Kohl war 16 Jahre lang Kanzler

hat Merkel zu Beginn ihrer Karriere aus nächster Nähe erlebt. Ihr politische­r Entdecker Helmut Kohl wollte eigentlich nach 16 Jahren im Kanzleramt aufhören und hatte mit Wolfgang Schäuble schon einen Kronprinze­n ernannt. Doch am Ende war Kohls Sucht nach der Politik stärker als die Einsicht, dass seine große Zeit hinter ihm lag. Er trat 1998 noch einmal an – und ließ den Wähler seine Karriere beenden.

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