Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Trotz Quarantäne zur Arbeit
Die Regierung will Infektionsketten unterbrechen. Tests und Homeoffice sollen helfen. Ausgerechnet für einen der größten Ansteckungsherde gibt es jedoch keine klaren Regeln
» 2006 Der deutsche Aktienindex Dax steigt erstmals seit Juli 2001 wieder über 6000 Punkte.
» 2011 Guido Westerwelle kündigt seinen Rückzug vom FDPVorsitz an. Mit seiner Entscheidung zieht er die Konsequenz aus anhaltender innerparteilicher Kritik. » 1841 William Henry Harrison stirbt als erster USPräsident im Amt – und das nur einen Monat nach seiner Amtseinführung. Seine Antrittsrede hatte er ohne Mantel bei eisigem Wetter gehalten und sich dabei die tödliche Lungenentzündung zugezogen.
» 1896 In München wird die erste Nummer der Wochenzeitschrift „Simplicissimus“herausgegeben. » 1986 Bei einem Sprengstoffan schlag auf die hauptsächlich von amerikanischen Militärs besuchte Berliner Diskothek „La Belle“kommen drei Menschen ums Leben. » 2011 Beim Kentern eines Flücht lingsschiffes vor der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa kommen bis zu 250 Menschen ums Leben.
Berlin In der Corona-Pandemie ist Testen gerade das Gebot der Stunde. Bis die Impfkampagne wirklich weite Teile der Bevölkerung erreicht hat, sollen nach dem Willen der Bundesregierung Selbst- und Schnelltests für mehr Sicherheit sorgen. Auch am Arbeitsplatz, der inklusive An- und Abfahrt nach wie vor zu den großen Ansteckungsherden zählt. Schwarz-Rot hat allerdings offenbar keine Idee, wie sich positiv Getestete verhalten sollen, die eigentlich in Quarantäne müssten, aber auf Weisung ihres Chefs trotzdem am Arbeitsplatz erscheinen sollen. Das geht aus einer Antwort der Regierung auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor, die unserer Redaktion vorliegt.
Die Misere für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beginnt demnach schon bei der Frage, welchen Nachweis sie eigentlich erbringen müssen, damit sie im Sinne des
Infektionsschutzes der Arbeit fernbleiben dürfen. Wenn Symptome und eine Erkrankung vorliegen, wäre das üblicherweise eine Krankschreibung. Wer sich trotz Virusinfektion gesund fühlt, könnte auf die individuelle Quarantäneweisung des jeweiligen Gesundheitsamtes zurückgreifen. Doch deren Überlastung ist mittlerweile legendär. Viele Ämter sind deshalb dazu übergegangen, sogenannte Allgemeinverfügungen zu erlassen. Demnach muss eine Quarantäne für bestimmte Personengruppen nicht mehr im Einzelfall angeordnet werden. Sie tritt vielmehr automatisch in Kraft und verpflichtet betroffene Kontaktpersonen, sich selbstständig in Quarantäne zu begeben.
Arbeitnehmer stehen damit vor dem Problem, dass sie gegenüber ihrem Arbeitgeber keinen behördlichen Nachweis über die Quarantäneverpflichtung vorweisen können. Was also tun? Ein Fehlverhalten könnte an dieser Stelle die Kündigung
bedeuten, und man sollte annehmen, dass die Bundesregierung hier eine Regelung getroffen hätte. Doch ihre Antwort auf die Anfrage der Linken ist ernüchternd. „Welche Arten des Nachweises dem Arbeitnehmer zur Verfügung stehen, um das Bestehen einer Quarantänepflicht nachzuweisen, hängt von den Regelungen in den Ländern und den konkreten Umständen des Einzelfalles ab“, heißt es.
Das zweite Problem: Falls die Chefs ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter trotz einer allgemeinen Quarantäneanordnung doch zur Arbeit zitieren, müssen sie offenbar keine Konsequenzen fürchten. „Die Bundesregierung geht davon aus, dass Arbeitgeber quarantänepflichtige Arbeitnehmer in der Regel schon aus Eigeninteresse nicht an den Arbeitsplatz rufen“, heißt es in der Antwort lediglich.
Für den gewerkschaftspolitischen Sprecher der Linksfraktion, Pascal Meiser, ist das ein Unding. „Sollte es tatsächlich so sein, dass Arbeitgeber dafür keinerlei Konsequenzen zu tragen haben, wäre das eine eklatante Gesetzeslücke, die umgehend geschlossen werden muss“, sagte er unserer Redaktion. „Diejenigen Arbeitgeber, und sei es eine Minderheit, die mit ihrem rücksichtslosen Verhalten die Gesundheit ihrer Beschäftigten gefährden und die weitere Ausbreitung der Pandemie billigend in Kauf nehmen, müssen konsequent sanktioniert werden.“
Der Linken-Abgeordnete Meiser forderte die Regierung auf, „sich endlich den Realitäten in der Arbeitswelt zu stellen“. Erforderlich sei eine breit angelegte Aufklärungskampagne, „damit Beschäftigte auch dort, wo es keine Betriebsräte gibt, über ihre Rechte in dieser Pandemie aufgeklärt werden“. Die Bundesregierung müsse dabei auch deutlich machen, dass es keinesfalls ein Kavaliersdelikt sei, Beschäftigte trotz Quarantäne in den Betrieb einzubestellen.