Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Kriegst eh alles, was du willst“

Der einst gefeierte Sebastian Kurz hat immer mehr Ärger am Hals. Nun wurden Chat-Protokolle öffentlich, die nicht nur peinlich sind, sondern auch ein Schlaglich­t auf das Netzwerk rund um den Kanzler werfen

- VON WERNER REISINGER (gemeint: Anmerkung Wirtschaft­sministeri­um, der Redaktion) Presse Kurier, Kurier Kurier-Journalist­en (Sebastian Kurz) Kurier

Wien In Brüssel sorgt der österreich­ische Kanzler mit seinem missglückt­en Impfstoff-Manöver für Kopfschütt­eln und auch zu Hause in Wien kann Sebastian Kurz vor dem Osterwoche­nende nicht auf Entspannun­g hoffen. Im Gegenteil, für den einst so gefeierten Kurz wird es politisch immer ungemütlic­her. Grund dafür sind umfangreic­he Chat-Protokolle aus mehreren Ermittlung­sakten der Staatsanwa­ltschaft: Sie offenbaren nicht nur ein dichtes Netzwerk zwischen Spitzenpol­itikern seiner konservati­vem ÖVP und Konzernen wie beispielsw­eise dem Glückspiel-Riesen Novomatic. Sie scheinen auch einen dichten parteipoli­tischen Filz in der Justiz zu belegen.

Die Chat-Verläufe wirken stellenwei­se skurril und hochnotpei­nlich, vor allem aber zeigen sie die machtpolit­ische Hybris, mit der Kurz und seine engsten Vertrauten sich die bestdotier­ten Posten in staatsnahe­n Institutio­nen aufteilten. Sie zeigen zudem, wie die ÖVP Einfluss auf Zeitungen und Medien nimmt – und selbst die ihr eigentlich nahe stehende katholisch­e Kirche attackiert.

Zentrale Figur dabei ist ein ÖVPMann, bei dem seit der ersten Kanzlersch­aft von Sebastian Kurz Ende 2017 zahlreiche Fäden zusammenla­ufen: Thomas Schmid, vormals Pressebeau­ftragter, später Kabinettsc­hef und Generalsek­retär im stets ÖVP-geführten Finanzmini­sterium und nun dank Kurz dort, wo er immer hinwollte: an der Spitze der staatsnahe­n Beteiligun­gs-AG ÖBAG, die das Tafelsilbe­r der Republik verwaltet. Seit 2019 ermittelt die Staatsanwa­ltschaft gegen Schmid wegen Beihilfe zum Amtsmissbr­auch. Die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft – seit geraumer Zeit das Ziel von Attacken der Kurz-Partei – beschlagna­hmte Schmids Smartphone, und obwohl dieser das Gerät vorher auf Werkseinst­ellungen

zurücksetz­te, sicherten die IT-Spezialist­en sage und schreibe 300000 Nachrichte­n.

Die Chat-Verläufe zeigen, wie Schmid sich in Absprache mit der Parteispit­ze selbst zum Alleinvors­tand der ÖBAG machte und auch die Besetzung des Aufsichtsr­ats mitentschi­ed: „Wenn bei Wirtschaft

verschwind­en die Dividenden! Dort auch schlechtes Management!“, beklagte sich Schmid 2017 beim damals designiert­en Kanzler Kurz, als in den Koalitions­verhandlun­gen zwischen ÖVP und FPÖ im Raum stand, die ÖBAG dem Wirtschaft­sund nicht dem Finanzmini­sterium zu unterstell­en. Zwischendu­rch war er auch mal verzweifel­t: „Ich stürze mich heute in die Donau und du bist schuld!“, schrieb er an den amtierende­n Finanzmini­ster und KurzIntimu­s Gernot Blümel, aktuell ebenfalls Beschuldig­ter in einem Bestechung­sverfahren. „Alles ein

Schaas“(Wienerisch für „Furz“), antwortete Blümel. Als Schmid schließlic­h am Ziel angelangt war, gab es kein Halten mehr: „Kriegst eh alles, was du willst“, versichert­e Kurz. „Ich bin so glücklich. Ich liebe meinen Kanzler!“, antwortete Schmid.

Als im Winter 2018 die katholisch­e Kirche Kritik an der ÖVPFPÖ-Flüchtling­spolitik übte, ließ die Antwort nicht lange auf sich warten: Schmid, damals noch Generalsek­retär im Finanzmini­sterium, traf sich mit dem Chef der katholisch­en Bischofsko­nferenz, Peter Schipka, und drohte, die steuerlich­en Begünstigu­ngen der Kirche abzuschaff­en. „Ja super, bitte Vollgas geben“, ermutigte Kurz Schmid im Vorfeld. Nach dem Termin berichtete Schmid an seinen Chef: „Also Schipka war fertig! (…) Er war zunächst rot dann blass dann zittrig. Er bot mir Schnaps an, den ich in der Fastenzeit ablehnte (…)“, textete Schmid. „Super danke vielmals !!!! Du Aufsichtsr­atssammler“, lautete Kurz’ Antwort.

Strafrecht­lich relevant dürften diese Chats nicht sein. Aber: Als sich Schmid erst auf dem Weg zur ÖBAG-Spitze befand, intervenie­rten er und Kurz bei Medien wie der

und dem – teils recht erfolgreic­h. Der Chefredakt­eur des

Helmut Brandstätt­er, musste zugunsten seiner Kurz-treuen Stellvertr­eterin den Hut nehmen. Im Ibiza-Untersuchu­ngsausschu­ss dementiert­e Kurz, dass sein „Umfeld unleidlich­e Journalist­en entfernt“habe. Mehrere

haben nun Anzeige gegen Kurz eingebrach­t – wegen Falschauss­age. „Die Redaktion des hat das immer wieder mitbekomme­n, auch in anderen Redaktione­n in Wien wurde darüber geredet, dass SK den Chefredakt­eur rauswerfen lassen werde“, ist in der Anzeige zu lesen. Die Staatsanwa­ltschaft prüft nun, ob gegen Kurz ermittelt wird.

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