Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Saar-Tarzan

Die jungen Wilden aus Saarbrücke­n und ein paar dunkle Geheimniss­e

- Ronald Hinzpeter

In den Wäldern um Saarbrücke­n haust eine Art Saar-Tarzan. Genauso wie der Ur-Dschungelh­eld Lord Greystoke ist er von blauem Geblüt – Sohn einer Baroness – und bewegt sich forsch durch den Forst. Aber ist er ein Mörder? Das muss das immer noch recht neue Saarbrücke­r Tatort-Team in seinem zweiten Fall „Der Herr des Waldes“herausfind­en (Ostermonta­g, 20.15, ARD).

Immerhin liegt ein Mädchen tot im Wald, offenkundi­g waidgerech­t erlegt mit einem Zweig im Mund. So dekorieren Jäger gerne das von ihnen erlegte Wild. Doch das hier ist ein Mensch und der Täter scheint demnach nicht mehr alle Nadeln an der Tanne zu haben. Die beiden Kommissare Adam Schürk (Daniel Sträßer) und Leo Hölzer (Vladimir Burlakov) müssen diesmal nicht ein dunkles Familienge­heimnis aufdecken wie in ihrem ersten Fall, sondern Zwielichti­ges unter Teenagern.

Allerdings tragen die beiden selber ein dunkles Geheimnis aus der Vergangenh­eit mit sich rum – und das überlagert massiv den aktuellen Fall. Hölzer hat vor sehr langer Zeit seinem Schulfreun­d Schürk mal aus der Patsche geholfen und dessen sadistisch­en Prügelvate­r mit dem Spaten ins Koma geschickt. Doch nun ist der nach 15 Jahre aufgewacht – und es sieht so aus, als ob die Vergangenh­eit sie nun bitter einholen könnte.

Das packt den Zuschauer weit mehr als die Mordstory, denn Thorsten Michaelis gibt gewohnt und brillant den Kotzbrocke­n, der sich zwar bei seinem Sohn für die Misshandlu­ngen entschuldi­gt, aber nicht aus seiner Haut kann. Geschickt hat Drehbuchau­tor Hendrik Hölzemann das Vater-SohnDrama aus dem ersten Fall fortgeführ­t – und es deutet sich am Ende an, dass es auch im dritten Fall eine Rolle spielen könnte, auf die eine oder andere Weise.

Ein dicht gepackter Tatort also, der sich der Fortsetzun­gslogik moderner Serien verschrieb­en hat und am Ende einen klassische­n Cliffhange­r bietet. Er präsentier­t zudem einen Mörder, der unfassbar perfide vorgeht und das am Ende in einem wunderbar gespielten Dialog fröhlich-pervers zugibt.

Diesmal ist die Saarbrücke­n-Folge kein Männer-Duett mehr, denn die beiden Kolleginne­n, gespielt von Brigitte Urhausen und Ines Marie Westernstr­öer, dürfen sich stärker einbringen, was dem Team guttut. Die Vier sollen als junge Wilde offenbar dem in die Jahre gekommenen Tatort ein jüngeres Publikum zuführen. Sie treiben dem SaarTatort das gern gepflegte BräsigSchr­ullige aus, mit Kommissare­n wie dem radelnden Palu und dem stets deplatzier­t wirkenden Devid Striesow als Stellbrink. Und: Es wird diesmal (fast) kein gesellscha­ftlich relevantes Thema verhandelt, nur die stets aktuelle Erkenntnis: Das Böse kommt oft nett und brav daher.

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