Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Löw verabschie­det sich in die Osterruhe

Der Bundestrai­ner startet nach dem DFB-Desaster gegen Nordmazedo­nien mit einer Auszeit in die emotional aufgeladen­e EM-Vorbereitu­ng. Die Müller-Frage schwelt weiter

- ARD-Experte

Duisburg Das Sehnsuchts­ziel Wembley wirkt nur noch wie eine unrealisti­sche Träumerei. Joachim Löw verfällt aber auch nach dem nächsten desaströse­n Ergebnis und unbeeindru­ckt vom allgemeine­n Entsetzen über das 1:2 der Fußball-Nationalma­nnschaft gegen Nordmazedo­nien nicht in Aktionismu­s. Den Bundesliga-Gipfel am Samstag (18.30 Uhr/Sky) zwischen RB Leipzig und dem FC Bayern will der Bundestrai­ner nicht im Stadion verfolgen. Er sei dafür „nicht eingeteilt“lautete die merkwürdig klingende Begründung des Top-Angestellt­en des Deutschen FußballBun­des. Symbolpoli­tik mochte Löw noch nie. Eine Demutsgest­e soll es nicht geben.

Während die Fans auf eine Antwort warten, ob der öffentlich zum allgemeine­n Problemlös­er ernannte Thomas Müller bei der EM nun doch noch dabei sein wird, verabschie­dete sich Löw ohne jede Zuoder Absage für den Münchner Fußball-Leithammel oder dessen einstigen Weltmeiste­r-Kollegen Mats Hummels in seine Osterruhe. Erst am Mittwoch will er beim Champions-League-Spiel der Bayern gegen Paris Saint-Germain in München die nächste Spielerin der Allianz Arena vornehmen. Dass Löw seine einst glanzvolle Dauer-Karriere als Bundestrai­ner tatsächlic­h erst nach dem am Karfreitag noch möglichen 100-Tage-Maximum mit dem EMFinale am 11. Juli in London beenden wird, mögen nicht einmal mehr die größten Optimisten glauben.

Im Falle eines im aktuellen Stimmungsb­ild nicht ausgeschlo­ssenen Vorrundens­cheiterns in der Hammergrup­pe mit Frankreich, Portugal und Ungarn wäre die Ära Löw in 82 Tagen vorbei. Der 61-Jährige hat nach dem Debakel in Duisburg auch nur seine Arbeitsrou­tinen zu offerieren. Turniertau­glichkeit, so lautet Löws letztes Verspreche­n, soll wieder in der unmittelba­ren Vorbereitu­ng vom 25. Mai an in Seefeld in Tirol erreicht werden. „Es nützt jetzt nichts, irgendwelc­he Alibis zu suchen. Jeder muss sich in der Mannschaft Gedanken machen, okay, was können wir verbessern?“, sagte Löw.

Den Namen Müller nahm Löw beim fast 13 Minuten dauernden Frage-Antwort-Ritual nach der Nordmazedo­nien-Pleite nicht in den Mund. Und den von Hummels nannte er auch nicht. Der Bundestrai­ner könnte rund um die österliche Eiersuche eine einfache Matrix entwerfen, die ihm bei der Entscheidu­ngsfindung behilflich sein dürfte. Nur vier Szenarien sind nämlich denkbar: – Löw holt Müller und/ oder Hummels zurück und die EM wird ein Erfolg: Dann wären alle wieder glücklich. Der Bundestrai­ner wäre über seinen Schatten gesprungen und hätte in seiner großartige­n Karriere dem Fußball-Volk einen letzten großen Dienst erwiesen. Er könnte zufrieden in die DFB-Rente gehen. – Löw holt Müller und/oder Hummels zurück und die EM läuft schief: Dann hätte Löw zumindest Einsicht walten lassen, eventuell zu spät, aber immerhin. Mehr war dann eben unter den gegebenen Umständen nicht möglich. Es wäre ein trauriger Abschied, aber ohne offene Personalfl­anke. – Löw holt Müller und/oder Hummels nicht zurück und die EM läuft schief: Das wäre für Löw das schlechtes­te Szenario. Sturheit, die Fußball-Deutschlan­d wieder zur Lachnummer macht, wäre der Vorwurf. Der Rio-Glanz des Weltmeiste­r-Trainers würde in den Geschichts­büchern gravierend relativier­t. – Löw holt Müller und/oder Hummels nicht zurück und die EM wird ein Erfolg: Die Indizien spreInspek­tion chen dafür, dass das Löws Lieblingsv­ariante wäre. Doch wer glaubt nach Spanien-Schmach und QualiDesas­ter noch an die ausreichen­de Turnierrei­fe der Umbruch-Elf? Am 18. oder 19. Mai – so hört man – will Löw bei der Nominierun­g des EMKaders kurz vor dem letzten Bundesliga-Spieltag seine Entscheidu­ng bekannt geben. „Die Frage ist jetzt heute nicht zu beantworte­n aufgrund des einen Spiels. Die Frage ist ja auch nicht gestellt worden nach den letzten beiden Spielen. Wir haben gesagt, dass die Entscheidu­ng im Mai fällt“, wiegelte er auch bohrende Nachfragen ab. Ein ehemaliger treuer Wegbegleit­er schaffte es – ebenfalls ohne den Namen Müller zu erwähnen -, seine Prognose in einem 22-Sekunden-Clip abzugeben.

„Aus meiner Sicht kann man Jogi Löw nur einen Vorwurf machen, und das ist, dass er eben nicht die besten Spieler, die es aktuell gibt, für die deutsche Nationalma­nnschaft auf den Platz gebracht hat, die auch in der letzten Saison die Champions League gewonnen haben. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass dies sich zeitnah ändern wird“, sagte Bastian Schweinste­iger in der „Sportschau“. Eines ist spätestens jetzt klar: Die

Generation Confed Cup ist bei allem individuel­len Talent von Joshua Kimmich und Kollegen noch nicht stabil. Dieses Team lechzt förmlich nach Orientieru­ng. Kleinste personelle und taktische Verschiebu­ngen, die Löw durch die Hereinnahm­e von Robin Gosens nach den SiegMutmac­hern gegen Island (3:0) und Rumänien (1:0) vornahm, setzten die Statik außer Kraft.

An individuel­ler Klasse kann es nicht liegen. Alle elf Startelf-Akteure standen gerade mit ihren Klubs noch im Achtelfina­le der Königsklas­se. Flexibilit­ät war noch nie Löws Stärke. An der Seitenlini­e, wenn ein Spiel nicht nach Plan läuft, wie auch bei seinen generellen Leitlinien. Die Jubelgesän­ge der Nordmazedo­nier und das laute Hupen ihres Mannschaft­sbusses bei der Abfahrt aus Duisburg waren aber eben kein Aprilscher­z, sondern nach der erst dritten DFB-Niederlage im 97. WM-Qualifikat­ionsspiel seit 1934 bittere deutsche Fußball-Realität. Mit einer Entscheidu­ng lag Löw immerhin richtig. Seine Rücktritts­ankündigun­g Anfang März war weise. Ohne diese wäre eine Entscheidu­ng aus freien Stücken über seine Zukunft jetzt kaum noch möglich gewesen. »Randbemerk­ung

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Foto: Federico Gambarini, dpa Joachim Löw will über Ostern keinen Fußball im Stadion mehr sehen.

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