Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Stadt setzt weiter auf Distanz zwischen Häusern
Augsburg möchte bei Neubauten bei der bisherigen Abstandsregelung bleiben, um zu dunkle Wohnungen zu vermeiden. Es gibt aber auch Kritik daran
Neubauten in Augsburg sollen künftig nicht mit geringerem Abstand zueinander gebaut werden können als bisher. Man wolle so zu dunkle Wohnungen und übermäßige Verdichtung vermeiden, so Baureferent Gerd Merkle (CSU). Aus Teilen der Architektenschaft gibt es aber Kritik. Verdichtetes Bauen schaffe mehr Wohnungen und vermeide Flächenverbrauch, so die Argumentation.
Wie berichtet lässt die Bayerische Bauordnung seit Kurzem zu, dass Gebäude enger nebeneinanderstehen. Statt der bisherigen Grundregel, dass der Abstand der Gebäudehöhe entsprechen muss, reicht nun ein Abstand vom 0,4-fachen der Gebäudehöhe (wobei es auch Änderungen in der Anrechnung von Dachhöhen gab). Im Umland haben Kommunen unterschiedlich darauf reagiert. Manche haben per Satzung die Abstandsflächen nach oben korrigiert, andere überlegen noch, manche rudern inzwischen schon wieder zurück. Augsburg ist, wie Nürnberg und München, vom Gesetzgeber prinzipiell von der 0,4erRegel ausgenommen, weil hier ohnehin schon dicht bebaut ist. Allerdings haben auch diese Städte die Möglichkeit, sich per Satzung eigene Regeln zu geben. Nürnberg hat die Abstandsflächen seit fünf Jahren auf 0,4 heruntergesetzt.
Für Augsburg warnt Baureferent Merkle davor. „Eine qualitätsvolle Verdichtung wird es nur eingeschränkt geben“, so seine Befürchtung. Die Konsequenz seien deutlich höhere Häuser oder Gebäude, die enger zusammenrücken. Im Winter werde mancher Bewohner im Erdgeschoss wohl kaum noch die Sonne sehen. „Und geringere Abstandsflächen gehen zwangsläufig zulasten von Grünflächen“, so Merkle. An Wegen, Feuerwehrzufahrten oder Terrassen könne nicht gespart werden, aber an der Wiese zwischen zwei Wohngebäuden.
Prinzipiell trifft die neue Regevor allem Bauvorhaben, die nachträglich in Lücken gebaut werden. Sie müssen sich nach wie vor in die Umgebung einfügen (ein Hochhaus zwischen Bungalows ist nicht zulässig) und eben die Abstandsflächen einhalten. Allerdings waren bisher auch schon Ausnahmen beim Abstand möglich. Mit einer Heruntersetzung würde die Ausnahme aber zur Regel, argumentiert Merkle. Neubaugebiete sind von der ganzen Diskussion nicht betroffen – hier kann die Stadt frei regeln, wie sie mit Abständen umgehen will, und unterschreitet diese teils auch, plant im Gegenzug aber Freiflächen in der Nähe als Ausgleich mit. „Im Bismarckviertel stehen die Häuser sehr eng nebeneinander, aber nach hinten wurde damals viel Grün eingeplant. So etwas ist auch bei heutigen Bebauungsplänen machbar, aber wenn man nachträglich einfach dicht baut, ohne so etwas mitzudenken, wird es schwierig“, so Merkle.
Im Bauausschuss, wo Merkle seine Überlegungen präsentierte, gab es wenig Kontroversen, obwohl SPD und auch die Grünen (Letztere immer mit Verweis auf ein Freiflächenkonzept) im Wahlkampf noch weniger Abstand befürwortet hatten. „Im Kern geht es um die Frage: Welche Stadt wollen wir? Es bringt nix, wenn man in einer dunklen Wohnung sitzt und der nächste Park ist 500 Meter entfernt“, so Sozialfraktions-Stadtrat Gregor Lang (SPD). Sein Vorsitzender Florian Freund sieht vor allem Probleme, wenn Stadt und Umlandgemeinden bei den Regeln zu stark auseinanderklaffen. Merkle sagt, dass „kuriose Situationen“absehbar seien, zumal in manchen Straßen an der Stadtgrenze die beiden Straßenseiten in unterschiedlichen Gemeinden liegen. Letztlich müsse wohl der Freistaat verbindliche Regeln für alle erlassen.
Einzig Stadträtin Margarete Heinrich (parteilos) argumentierte für eine engere Bebauung: „Man kann nicht mehr Wohnungen fordern, gleichzeitig weniger Flächenlung fraß wollen und dann nicht enger bauen.“Der Bedarf an Wohnungen in Augsburg sei da. Wenn man keine Abwanderung ins Umland mit entsprechendem Pendlerverkehr wolle, müsse man dichtere Bebauung zulassen. „Ansonsten fällt eine Generation hinten runter. Wie sollen sich junge Leute jetzt ein Eigenheim leisten können?“, so Heinrich. Geringere Abstandsflächen als Standard ermöglichten etwa die nachträgliche Bebauung eines Gartens mit einem zweiten Haus, etwa für die Kinder der Eigentümer.
Auch aus der Architektenschaft sind Stimmen zu vernehmen, die gerne dichter bauen würden. Die Bayerische Architektenkammer schrieb in einer Stellungnahme, dass die Ausnahmeregelung des Freistaats für die drei größten Städte, wo Wohnungen besonders dringend benötigt würden, nicht nachvollziehbar sei. Gerade hier sei Nachverdichtung aufgrund des schon vorhandenen Nahverkehrsnetzes ökologisch sinnvoll. Allerdings schränkt die Kammer ein, dass auf die Freiflächengestaltung unter diesen Umständen genauer geschaut werden müsse. Beliebig überbaubar seien Grundstücke auch mit dem neuen Abstandsflächenrecht nicht.
Die Augsburger Architektin Susanne Braun sagt, dass geringere Abstandsflächen angesichts der hohen Grundstückspreise ein Baustein sein könnten, das Wohnen bezahlbarer zu gestalten. Große Grundstücke seien für viele Bauherren kaum noch erschwinglich. „Familien sind gezwungen, aufs Land oder in nicht mehr zeitgemäße Wohnungen zu ziehen“, so Braun. Kompaktere und höhere Gebäude hätten zudem eine bessere Ökobilanz. Zudem müsse man den Flächenverbrauch angesichts des Zuzugs nach Augsburg verringern. „Neue Baugebiete auszuweisen, ist ökologisch immer schwerer zu vertreten, wenn Flächen innerorts besser genutzt werden können“, so Braun. Voraussetzung sei aber eine bessere Gestaltung von Freiflächen.