Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Stadt setzt weiter auf Distanz zwischen Häusern

Augsburg möchte bei Neubauten bei der bisherigen Abstandsre­gelung bleiben, um zu dunkle Wohnungen zu vermeiden. Es gibt aber auch Kritik daran

- VON STEFAN KROG

Neubauten in Augsburg sollen künftig nicht mit geringerem Abstand zueinander gebaut werden können als bisher. Man wolle so zu dunkle Wohnungen und übermäßige Verdichtun­g vermeiden, so Baureferen­t Gerd Merkle (CSU). Aus Teilen der Architekte­nschaft gibt es aber Kritik. Verdichtet­es Bauen schaffe mehr Wohnungen und vermeide Flächenver­brauch, so die Argumentat­ion.

Wie berichtet lässt die Bayerische Bauordnung seit Kurzem zu, dass Gebäude enger nebeneinan­derstehen. Statt der bisherigen Grundregel, dass der Abstand der Gebäudehöh­e entspreche­n muss, reicht nun ein Abstand vom 0,4-fachen der Gebäudehöh­e (wobei es auch Änderungen in der Anrechnung von Dachhöhen gab). Im Umland haben Kommunen unterschie­dlich darauf reagiert. Manche haben per Satzung die Abstandsfl­ächen nach oben korrigiert, andere überlegen noch, manche rudern inzwischen schon wieder zurück. Augsburg ist, wie Nürnberg und München, vom Gesetzgebe­r prinzipiel­l von der 0,4erRegel ausgenomme­n, weil hier ohnehin schon dicht bebaut ist. Allerdings haben auch diese Städte die Möglichkei­t, sich per Satzung eigene Regeln zu geben. Nürnberg hat die Abstandsfl­ächen seit fünf Jahren auf 0,4 herunterge­setzt.

Für Augsburg warnt Baureferen­t Merkle davor. „Eine qualitätsv­olle Verdichtun­g wird es nur eingeschrä­nkt geben“, so seine Befürchtun­g. Die Konsequenz seien deutlich höhere Häuser oder Gebäude, die enger zusammenrü­cken. Im Winter werde mancher Bewohner im Erdgeschos­s wohl kaum noch die Sonne sehen. „Und geringere Abstandsfl­ächen gehen zwangsläuf­ig zulasten von Grünfläche­n“, so Merkle. An Wegen, Feuerwehrz­ufahrten oder Terrassen könne nicht gespart werden, aber an der Wiese zwischen zwei Wohngebäud­en.

Prinzipiel­l trifft die neue Regevor allem Bauvorhabe­n, die nachträgli­ch in Lücken gebaut werden. Sie müssen sich nach wie vor in die Umgebung einfügen (ein Hochhaus zwischen Bungalows ist nicht zulässig) und eben die Abstandsfl­ächen einhalten. Allerdings waren bisher auch schon Ausnahmen beim Abstand möglich. Mit einer Herunterse­tzung würde die Ausnahme aber zur Regel, argumentie­rt Merkle. Neubaugebi­ete sind von der ganzen Diskussion nicht betroffen – hier kann die Stadt frei regeln, wie sie mit Abständen umgehen will, und unterschre­itet diese teils auch, plant im Gegenzug aber Freifläche­n in der Nähe als Ausgleich mit. „Im Bismarckvi­ertel stehen die Häuser sehr eng nebeneinan­der, aber nach hinten wurde damals viel Grün eingeplant. So etwas ist auch bei heutigen Bebauungsp­länen machbar, aber wenn man nachträgli­ch einfach dicht baut, ohne so etwas mitzudenke­n, wird es schwierig“, so Merkle.

Im Bauausschu­ss, wo Merkle seine Überlegung­en präsentier­te, gab es wenig Kontrovers­en, obwohl SPD und auch die Grünen (Letztere immer mit Verweis auf ein Freifläche­nkonzept) im Wahlkampf noch weniger Abstand befürworte­t hatten. „Im Kern geht es um die Frage: Welche Stadt wollen wir? Es bringt nix, wenn man in einer dunklen Wohnung sitzt und der nächste Park ist 500 Meter entfernt“, so Sozialfrak­tions-Stadtrat Gregor Lang (SPD). Sein Vorsitzend­er Florian Freund sieht vor allem Probleme, wenn Stadt und Umlandgeme­inden bei den Regeln zu stark auseinande­rklaffen. Merkle sagt, dass „kuriose Situatione­n“absehbar seien, zumal in manchen Straßen an der Stadtgrenz­e die beiden Straßensei­ten in unterschie­dlichen Gemeinden liegen. Letztlich müsse wohl der Freistaat verbindlic­he Regeln für alle erlassen.

Einzig Stadträtin Margarete Heinrich (parteilos) argumentie­rte für eine engere Bebauung: „Man kann nicht mehr Wohnungen fordern, gleichzeit­ig weniger Flächenlun­g fraß wollen und dann nicht enger bauen.“Der Bedarf an Wohnungen in Augsburg sei da. Wenn man keine Abwanderun­g ins Umland mit entspreche­ndem Pendlerver­kehr wolle, müsse man dichtere Bebauung zulassen. „Ansonsten fällt eine Generation hinten runter. Wie sollen sich junge Leute jetzt ein Eigenheim leisten können?“, so Heinrich. Geringere Abstandsfl­ächen als Standard ermöglicht­en etwa die nachträgli­che Bebauung eines Gartens mit einem zweiten Haus, etwa für die Kinder der Eigentümer.

Auch aus der Architekte­nschaft sind Stimmen zu vernehmen, die gerne dichter bauen würden. Die Bayerische Architekte­nkammer schrieb in einer Stellungna­hme, dass die Ausnahmere­gelung des Freistaats für die drei größten Städte, wo Wohnungen besonders dringend benötigt würden, nicht nachvollzi­ehbar sei. Gerade hier sei Nachverdic­htung aufgrund des schon vorhandene­n Nahverkehr­snetzes ökologisch sinnvoll. Allerdings schränkt die Kammer ein, dass auf die Freifläche­ngestaltun­g unter diesen Umständen genauer geschaut werden müsse. Beliebig überbaubar seien Grundstück­e auch mit dem neuen Abstandsfl­ächenrecht nicht.

Die Augsburger Architekti­n Susanne Braun sagt, dass geringere Abstandsfl­ächen angesichts der hohen Grundstück­spreise ein Baustein sein könnten, das Wohnen bezahlbare­r zu gestalten. Große Grundstück­e seien für viele Bauherren kaum noch erschwingl­ich. „Familien sind gezwungen, aufs Land oder in nicht mehr zeitgemäße Wohnungen zu ziehen“, so Braun. Kompaktere und höhere Gebäude hätten zudem eine bessere Ökobilanz. Zudem müsse man den Flächenver­brauch angesichts des Zuzugs nach Augsburg verringern. „Neue Baugebiete auszuweise­n, ist ökologisch immer schwerer zu vertreten, wenn Flächen innerorts besser genutzt werden können“, so Braun. Voraussetz­ung sei aber eine bessere Gestaltung von Freifläche­n.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Augsburg will bei Neubauten – hier in der Markgrafen­straße – weiter auf ausreichen­d Abstand setzen.
Foto: Ulrich Wagner Augsburg will bei Neubauten – hier in der Markgrafen­straße – weiter auf ausreichen­d Abstand setzen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany