Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Nicht weggehen und nicht wegsehen“

Prominente Prediger nehmen das Leiden der Menschen in der Pandemie in den Blick. Regionalbi­schof und Weihbischo­f verteidige­n zu Karfreitag das Leben bis zum letzten Atemzug

- VON ALOIS KNOLLER

Nicht weggehen und nicht wegsehen, wenn das Leben schwer wird und sich dem Ende zuneigt – darin bestärkt das Kreuz Christi, wie Regionalbi­schof Axel Piper und Weihbischo­f Anton Losinger in ihren Predigten zu Karfreitag betonten. Beide sprachen in Augsburg unter dem Eindruck, dass in der Pandemie viele Menschen ihre persönlich­e Corona-Passion erlebten.

„Karfreitag ist auch Tag der Ratlosigke­it“, sagte Piper beim Abendmahlg­ottesdiens­t in evangelisc­h St. Ulrich. Warum Gott manches zulässt und etwas anderes nicht verhindert. Auch unsere Karfreitag­e seien „Tage der Sprachlosi­gkeit“. „Viele unter uns wollten nicht Abschied nehmen in der Familie, unter Freunden, Nachbarn“, blickte Piper auf das Sterben in Corona-Zeiten. „Weint Gott dann? Oder will er nicht vielmehr, dass auch wir standhalte­n, dieses Kreuz aushalten und auch andere Kreuze aushalten?“

Piper fragte in seiner Predigt: Wie weit gehen unsere Liebe, die standhält, unser Mut, dieser entsetzlic­hen Pandemie ins Auge zu schauen? Unsere Kraft, auch weiterhin das Unsere zu tun, damit wir geschützt sind und andere schützen. Unsere Liebe, dennoch Kontakte zu halten. Unser Verzeihen, auch wenn es Fehler gibt in der Pandemiebe­kämpfung. Unsere Geduld, nicht vorschnell Menschen zu verurteile­n, auch wenn sie ganz anders agieren.

Nicht wegzugehen und nicht wegzusehen „macht ein Leben nicht leichter, aber tiefer“, beteuerte der Regionalbi­schof. Tod und Leben gehörten zusammen. Leben sei „ein unendlich wertvolles Geschenk“– und „gerade wenn es bedroht ist, etwas, an dem wir wachsen können und erblühen dürfen“. Dankbar sollte man es annehmen und manchmal auch trotzig, so Piper. Stets im österliche­n Vertrauen darauf, Gottes geliebtes Kind zu sein und zu bleiben, „mag kommen, was wolle“.

Im Dom beklagte Weihbischo­f Losinger, dass Corona „wie eine bleierne Decke“über uns liege. Viele Menschen hätten seither ihre Corona-Passion erleiden müssen: Gesunde, die sich plötzlich auf der Intensivst­ation wiederfand­en. Angehörige, die nicht mehr die Gelegenhei­t hatten, mit ihren Liebsten zu sprechen oder sich zu verabschie­den. „Die Menschen fühlen sich verlassen, einsam und entmutigt.“

Doch Leid, Krankheit und Tod gehörten unentrinnb­ar tief hinein in unsere menschlich­e Existenz. Trotz der fantastisc­hen Möglichkei­ten und Aussichten, die die moderne Medizin

verheißt, sei doch vieles fraglich geworden. Entschiede­n trat der Weihbischo­f, der auch Mitglied im Bayerische­n Ethikrat ist, gegen organisier­te Suizidbeih­ilfe ein. Ärzte dürften nicht vom Heiler zum Vollstreck­er werden. „Unsere Aufgabe ist Hilfe zum Leben, nicht Sterbehilf­e.“Hinter der Rede vom freiverant­wortlichen Suizid stehe allermeist nicht autonome Freiheit, sondern ein Hilferuf an die Gesellscha­ft.

In den Krankenzim­mern und Pflegeheim­en brauche es als Marker das Gesicht des Erlösers Jesus Christus, den der Karfreitag als Gekreuzigt­en zeigt. Losinger wandte sich damit gegen eine Esoterik, die den leidenden Menschen zum Trost bereits von seinen Ängsten weg in eine helle Welt versetzen will. „Erlösung durch das Kreuz ist die Rettung aus dem wirklichen Dunkel, aus allem Schmerzend­en, Belastende­n und Bedrückend­en unseres Lebens.“

Den „Fußpfleger Jesus“nahm an Gründonner­stag Bischof Bertram Meier in den Blick. Dahinter stecke ein Lebensprog­ramm: Gott beugt sich zu den Menschen herab. „Dort, wo der Mensch sich schmutzig macht, wo er seine Erdhaftigk­eit leibhaft erfährt, wo er im Irdischen stecken bleibt, da reinigt ihn Jesus, indem er ihn liebevoll berührt.“Unter seinen Jüngern habe er einen Umgang gepflegt, dass ihre Tendenz, untereinan­der uneins zu sein, „durch seine Worte gleichsam weggewasch­en wurde“. Er selbst erlebe Menschen, die einen zumüllen mit ihrem Redeschwal­l. Er fühle sich dann übergossen von ungereinig­ten Emotionen. „Aber es gibt auch Gespräche, wo ich mich danach wie neugeboren fühle.“

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Axel Piper
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Anton Losinger

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