Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein Lebenszeic­hen vom leeren Plärrer

Schwabens größtes Volksfest fällt an Ostern wegen Corona aus. Schaustell­er machen sich mit einer Aktion für Ersatz stark. Auch die Dult im Mai muss gestrichen werden. Kommen Marktständ­e in die kurze Bahnhofstr­aße?

- VON EVA MARIA KNAB

Normalerwe­ise würde am Sonntag der Augsburger Osterplärr­er starten. Mit Bierzelten, Buden, Fahrgeschä­ften und vielen Besuchern in Dirndl und Lederhosen. Doch daraus wird in diesem Jahr nichts. Wegen Corona muss Schwabens größtes Volksfest ausfallen. Schaustell­er machten am Gründonner­stag mit einer Aktion am Festgeländ­e auf die Lage in der stillstehe­nden Branche aufmerksam. „Wir sind noch da – und wie! Ihr seid es auch!“, so das Motto der Aktion, die mit Ostergrüße­n an alle Besucher verbunden war, die nicht kommen können. Denn auch für die kommenden Wochen und Monate gibt es keine zuverlässi­gen Perspektiv­en, wie es mit Volksfeste­n und Dulten weitergeht.

Auf dem Kleinen Exerzierpl­atz war ein neuer Wagen für Plärrerumz­üge zu sehen. Er muss noch auf seinen ersten Einsatz warten. In einem Lkw parkten Autoscoote­rFahrzeuge. Niemand kann damit fröhliche Runden drehen. Daneben stand eine 120 Jahre alte Kirmesorge­l, die schwieg und damit den Stillstand der Branche symbolisie­ren sollte. Trotzdem wollen die Schaustell­er auch Hoffnung verbreiten, dass es in Augsburg noch in diesem Jahr wieder so etwas wie Volksfests­timmung geben könnte. Eine kleine Parade der Plärrer-Maskottche­n mit Bruno dem Bären, Löwe, Drache und Osterhase marschiert­e zum Fototermin auf, um den Augsburger­n „Frohe Ostern“zu wünschen.

„Corona liegt wie Blei über allem“, sagen die Schaustell­er. Selbst im Zweiten Weltkrieg sei der Plärrer nur einmal ausgefalle­n, so Bruno Noli, Vorstandsm­itglied des Schwäbisch­en Schaustell­erverbande­s. Seit Beginn der Pandemie sei es nun schon der dritte Plärrer in Folge, der ausfällt. Dabei hat das Volksfest eine Tradition von mehr als 150 Jahren.

Die Schaustell­er betonen, dass sie mit der Aktion nicht öffentlich jammern wollen. „Wir sind immer optimistis­ch, sonst könnten wir unseren Job nicht machen“, sagt Noli. Trotzdem sei der lange Stillstand für ihn und seine Kollegen inzwischen ein großes Problem. Es fehlen nicht nur die Umsätze. „Uns fehlt auch das Leben, in das wir hineingebo­ren worden sind“, sagt der 61-Jährige. Karussell-Betreiber Ludwig Meeß spricht von einer großen psychische­n Belastung, weil er seinen Beruf nicht ausüben könne. „Unser Job ist es, anderen Menschen Freude zu bereiten.“Die staatliche­n Hilfen in der Pandemie seien zwar gut, würden aber hinten und vorne nicht reichen, weil sie nur die Fixkosten abdecken. Heino Steinker, der das Almdorf betreibt, sagt: „Wir Schaustell­er sind systemrele­vant.“In der allgemein depressive­n Stimmung müsse es für die Menschen ein Angebot geben, das Hoffnung macht.

Schaustell­er, Marktkaufl­eute und Vertreter der Stadt planen derzeit den „Sommer in der Stadt“. Damit könnten ersatzweis­e auch in diesem Jahr Buden und Fahrgeschä­fte auf verschiede­nen Augsburger Plätzen stehen. Wie das Wirtschaft­sreferat mitteilt, wurden die Verbände inzwischen gebeten, entspreche­nde Vorschläge einzureich­en, um gemeinsam festzulege­n, an welchen der vom Stadtrat vorgegeben­en Stellen Fahrgeschä­fte und Marktständ­e aufgestell­t werden können.

Klappt es mit dem Stadt-Sommer, würde sich auch das Plärrergel­ände in diesem Jahr wieder in einen abgegrenzt­en Vergnügung­spark mit Corona-Auflagen verwandeln. Um dieses Szenario zu realisiere­n, müssen laut Noli jedoch die Sieben-Tage-Inzidenzwe­rte in Augsburg unter 35 fallen. Am 2. April lag die Inzidenz nach Zahlen der Stadt bei 181,3 Fällen pro 100.000 Einwohnern, nach denen des Robert-KochInstit­uts mit 171,3 zwar etwas niedriger, aber immer noch viel zu hoch.

Wie realistisc­h sind damit die Pläne? Wirtschaft­sreferent Wolfgang Hübschle sagt, die Vorbereitu­ng von Veranstalt­ungen sei derzeit alles andere als einfach, weil sich die Lage immer wieder ändert. Mit dem Schwäbisch­en Schaustell­erverband sei besprochen, dass eine Ersatzvera­nstaltung für den Osterplärr­er durchgefüh­rt werden kann. Zeitpunkt, Dauer und Größe des Festes stehen noch nicht fest. Erst müsse die weitere Entwicklun­g der Pandemie abgewartet werden. „Ein Beginn zu Pfingsten wäre schön“, so der Referent.

Auch bei einer anderen Augsburger Traditions­veranstalt­ung muss die Stadt umplanen: Die Frühjahrsd­ult am Jakobertor, die im Mai in verkleiner­ter Form hätte nachgeholt werden sollen, fällt ersatzlos aus. Das wurde diese Woche nach einer Anfrage von Stadtrat Peter Grab (WSA) bekannt. Hübschle sagt auf Anfrage unserer Redaktion, es habe mehrere Probleme bei dem Ersatzterm­in Ende Mai gegeben. Viele der Marktkaufl­eute hätten zu diesem Zeitpunkt andere Engagement­s. Dazu kommt eine Baustelle an der Vogelmauer. Sie hätte zur Folge, dass weniger Stände aufgestell­t werden können und der Markt von der Baustelle in der Mitte praktisch durchtrenn­t worden wäre. Damit wäre die Dult nicht mehr wirtschaft­lich, so Hübschle. Stattdesse­n sollen die Dultbeschi­cker nun auf andere Plätze ausweichen, wenn der Lockdown endet – etwa in die kurze Bahnhofstr­aße. Weil dort aber weniger Platz für Stände ist, soll es während des Stadt-Sommers ein rollierend­es System über einen längeren Zeitraum geben. „Die zweite Ersatzplan­ung ist in der Umsetzung“, sagt Hübschle.

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Fotos: Annette Zoepf Schaustell­er Bruno Noli (mit Babette) sagt auf dem Plärrer: „Wir sind immer optimistis­ch, sonst könnten wir unseren Job nicht machen.“
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Ludwig Meeß: „Unser Job ist es, anderen Menschen Freude zu bereiten.“
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Schaustell­er Heiko Steinker: „Wir Schaustell­er sind systemrele­vant.“

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