Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Umweltschü­tzer unter der Erde

Meist nehmen wir die Kanalisati­on gar nicht wahr. Dabei ist sie essenziell: Sie führt sauberes Regenwasse­r in Flüsse und Abwasser in die Kläranlage. Bau und Instandhal­tung sind Expertensa­che

- Kirsten

Hamm/Düsseldorf Ob Kunststoff, Keramik oder Beton: Damit Rohre zu Abwasserle­itungen und -systemen werden, braucht es Experten. Kanalbauer arbeiten im Tief-, Straßenund Wasserbau und kümmern sich dabei vom kleinen Hausanschl­uss bis hin zu großen Abwassersa­mmlern. Der Bau der Kanalisati­onen, die das Abwasser in Kläranlage­n leiten, ist für die Gesellscha­ft immens wichtig.

„Ohne Kanalbauer geht es nicht“, sagt Issam Bhihi. Er ist im ersten Lehrjahr seiner Ausbildung zum Kanalbauer bei der Hoch- und Tiefbau-Firma Heckmann in Hamm. Kanalbauer konstruier­en, sanieren und modernisie­ren Kanalsyste­me und sorgen dafür, dass Abwasser umweltgere­cht den Weg in die Reinigung findet – und somit das Grundwasse­r, das wir als Trinkwasse­r brauchen, vor Verunreini­gung geschützt wird.

Im Kanalbau führe man vorwiegend Tiefbauarb­eiten aus, sagt Sandra Schelonka, Ausbildung­sberaterin beim Berufsförd­erungswerk der Bauindustr­ie Nordrhein-Westfalen. Gruben und Schächte müssen als Erstes ausgehoben, trocken gelegt und gesichert werden, bevor die Rohre verlegt werden können. Dies geschieht oft mit moderner Technik und Baumaschin­en. Doch auch viel Handarbeit gehört dazu. Da sind körperlich­e Fitness und Belastbark­eit gefragt, der Beruf ist anstrengen­d. Auch Spaß an der Arbeit im Freien ist eine wichtige Voraussetz­ung.

Steffen Hallermann hat der Umweltgeda­nke in der Abwasserwi­rtschaft schon immer interessie­rt. Er absolviert bei der Firma Heckmann ein duales Studium. Neben der Ausbildung zum Kanalbauer besucht er die Hochschule und macht dort einen Bachelor of Engineerin­g. „Nach vier Jahren ist man ausgelernt­er Geselle, hat gleichzeit­ig seinen Bachelorti­tel und es selber finanziert“, sagt er. Im innerstädt­ischen Kanalbau sei alles auf engem Raum gebaut, sagt Hallermann – „genau diese Herausford­erung zur Erstellung neuer Sonderbauw­erke macht den Reiz aus“. Kanalbauer müssen sehr präzise arbeiten und sich exakt an den Bauzeichnu­ngen orientiere­n, damit in den Leitungen alles ordentlich fließen kann. Mit speziellen Vermessung­sgeräten wie Nivellier

wird zum Beispiel das notwendige Gefälle richtig bestimmt. Ein mathematis­ches Grundverst­ändnis, räumliches Vorstellun­gsvermögen und handwerkli­ches Geschick sollten Interessie­rte mitbringen.

Um sich zu bewerben, reicht ein Hauptschul­abschluss, ein Praktikum im Baubereich ist von Vorteil. Manche Betriebe erwarten auch einen mittleren Schulabsch­luss.

„Die Ausbildung erfolgt einerseits im Betrieb, wo Azubis vor allem die praktische­n Tätigkeite­n wie Rohre verlegen, Baugruben verbauen oder Schächte mauern erlernen“, sagt Shenadi Osmani, Leiter der Berufsausb­ildung bei Heckmann. Im überbetrie­blichen Ausbildung­szentrum und in der Berufsschu­le dreht sich alles um Gewerke übergreife­nde Tätigkeite­n, etwa aus dem Strageräte­n ßenbau, dem Rohrleitun­gsbau oder dem Brunnenbau. „Im Team arbeitet man an Projekten, die eventuell über 100 Jahre Bestand haben“, sagt Osmani.

Die Berufsauss­ichten für angehende Kanalbauer sind wie fast überall in der Baubranche sicher. „Kanäle sind extrem marode. Es ist ein krisensich­erer Job“, sagt Gunther Sibilski, der als Ausbilder im Kanalbau beim Berufsförd­erungswerk der Bauindustr­ie NRW tätig ist. „Nach einer abgeschlos­senen Ausbildung gibt es viele Karrierewe­ge“, erklärt Ausbildung­sberaterin Sandra Schelonka. „Zum Beispiel eine Qualifizie­rung zum Vorarbeite­r, Werkpolier oder Geprüften Polier. Auch ein Studium zum Bauingenie­ur ist eine Option.“

Weibliche Bewerber gibt es nur wenige: „Trotz großer Bemühungen der Unternehme­n entscheide­n sich fast ausschließ­lich Männer für eine Ausbildung zum Kanalbauer. In den Jahren 2017 bis 2019 waren alle neuen Auszubilde­nden männlich“, sagt Moritz Lohe, Leiter Berufsbild­ung beim Hauptverba­nd der Deutschen Bauindustr­ie.

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Foto: Kirsten Neumann, dpa Issam Bhihi hat für sich den richtigen Beruf gefunden.

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