Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Buch am Zug
Zukunft für ein altes Bahnhofsgebäude in Langweid
Ursprünglich war der regionale Online-Buchhändler buch7 auf der Suche nach neuen Büro-, Laden- und Veranstaltungsräumen. Das dem Verfall preisgegebene, noch im Königreich Bayern erbaute Bahnhofsgebäude in Langweid am Lech, wird nun zu einem Beispiel für die Nutzung von brachliegenden Altbauten, die die Region – gerade angesichts steigender Baulandpreise – kulturell bereichern können.
Mehr als die Hälfte der kleinen Bahnhöfe in Deutschland sind in einem unbefriedigenden Zustand. Sie sind betrieblich nicht mehr notwendig und für Investoren oft uninteressant. Ein Beispiel, wie ein alter Bahnhof neu aufblühen kann, zeigt das Projekt ‚Kulturbahnhof’, dem sich das Unternehmen buch7 verschrieben hat.
Pendler, Schüler, Privatleute warten auf den nächsten Zug nach Augsburg, München oder Donauwörth. Der gelb gestrichene, liebevoll renovierte „buch7-Kulturbahnhof“direkt an Gleis 1 sticht auch vielen Durchreisenden ins Auge. „In meiner Wohnung gleich gegenüber sind wir als Studierendenprojekt vor über zehn Jahren mit unserem OnlineBuchhandel am Küchentisch gestartet“, erzählt Dr. Benedikt Gleich, Gründer von buch7 und Initiator des Kulturbahnhofs. Nachdem das Unternehmen auf mittlerweile 14 Mitarbeitende
angewachsen war, reifte die Idee, den alten, verfallenden Bahnhof zu übernehmen. Neben dem neuen Geschäftssitz für buch7 mit stationärem Buchladen ging das neue, größtenteils ehrenamtlich betriebene Bahnhofscafé mit Unverpackt-Laden und Veranstaltungsort 2019 in den Probebetrieb. Regionalität, Nachhaltigkeit und das „Kulturgut Buch“stehen hier im Zentrum. Im Außenbereich findet sich eine Terrasse, aktuell wird noch ein Garten mit Insektenhotels und Kräutergarten angelegt.
Die buch7.de GmbH im Obergeschoss des Bahnhofsgebäudes in Langweid betreibt einen umfangreichen Online-Shop für Bücher, CDs, DVDs und mehr mit einem sozialen Geschäftsmodell: 75 Prozent des Gewinns werden verwendet, um soziale, kulturelle und ökologische Projekte zu fördern. Der „buch7-Kulturbahnhof“im Erdgeschoss ist dahingegen eine eigenständige gemeinnützige GmbH, die das Gebäude für 99 Jahre auf Erbpacht von der örtlichen Kommune übernommen hat. Erbpacht ist eine Alternative zum Verkauf beziehungsweise Kauf, sowohl für Bauwillige als auch für Kommunen, die die Flächen nicht auf Dauer an Investoren verlieren wollen.
Auch ohne Denkmalschutz war es das Ziel des ehrenamtlichen Teams um Benedikt Gleich, die historische Substanz wo möglich zu erhalten und sogar teilweise wiederherzustellen. So wurden zum Beispiel die Segmentbögen für die Eingangsportale auf der Ostseite, die in den 1960erJahren durch eckige Betonstürze ersetzt worden waren, wieder eingearbeitet. Im Innenraum wurde das originale Mauerwerk aus handgeformten Vollziegeln wieder zum Sichtmauerwerk. An vielen Stellen wurde mit ökologischen Baustoffen und traditionellem Handwerk gearbeitet: klassischer Kalkputz statt Gipsputz, Holzfaserdämmung statt Styropor, Massivholzdielen statt Laminat, traditioneller Terrazzo-Boden im Erdgeschoss.
Die nachhaltig ausgerichteten Renovierungsarbeiten haben über 500000 Euro gekostet, ein Großteil davon wurde von buch7 investiert. Das Unternehmen hat das Obergeschoss als Mieter bezogen. „Im Nachhinein wäre ein Neubau auf der grünen Wiese vermutlich günstiger gewesen, aber wir freuen uns, ein historisches Gebäude renoviert zu haben und jetzt mit über 100 Jahren Geschichte zu arbeiten, was für unser gemeinnütziges Kulturprojekt natürlich eine hervorragende Grundlage ist“, resümiert Benedikt Gleich.
Nadine Kabbeck ist Leiterin des Geschäftsfelds Innovation Hub A³ bei der Regio Augsburg Wirtschaft GmbH