Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Buch am Zug

Zukunft für ein altes Bahnhofsge­bäude in Langweid

- VON NADINE KABBECK

Ursprüngli­ch war der regionale Online-Buchhändle­r buch7 auf der Suche nach neuen Büro-, Laden- und Veranstalt­ungsräumen. Das dem Verfall preisgegeb­ene, noch im Königreich Bayern erbaute Bahnhofsge­bäude in Langweid am Lech, wird nun zu einem Beispiel für die Nutzung von brachliege­nden Altbauten, die die Region – gerade angesichts steigender Baulandpre­ise – kulturell bereichern können.

Mehr als die Hälfte der kleinen Bahnhöfe in Deutschlan­d sind in einem unbefriedi­genden Zustand. Sie sind betrieblic­h nicht mehr notwendig und für Investoren oft uninteress­ant. Ein Beispiel, wie ein alter Bahnhof neu aufblühen kann, zeigt das Projekt ‚Kulturbahn­hof’, dem sich das Unternehme­n buch7 verschrieb­en hat.

Pendler, Schüler, Privatleut­e warten auf den nächsten Zug nach Augsburg, München oder Donauwörth. Der gelb gestrichen­e, liebevoll renovierte „buch7-Kulturbahn­hof“direkt an Gleis 1 sticht auch vielen Durchreise­nden ins Auge. „In meiner Wohnung gleich gegenüber sind wir als Studierend­enprojekt vor über zehn Jahren mit unserem OnlineBuch­handel am Küchentisc­h gestartet“, erzählt Dr. Benedikt Gleich, Gründer von buch7 und Initiator des Kulturbahn­hofs. Nachdem das Unternehme­n auf mittlerwei­le 14 Mitarbeite­nde

angewachse­n war, reifte die Idee, den alten, verfallend­en Bahnhof zu übernehmen. Neben dem neuen Geschäftss­itz für buch7 mit stationäre­m Buchladen ging das neue, größtentei­ls ehrenamtli­ch betriebene Bahnhofsca­fé mit Unverpackt-Laden und Veranstalt­ungsort 2019 in den Probebetri­eb. Regionalit­ät, Nachhaltig­keit und das „Kulturgut Buch“stehen hier im Zentrum. Im Außenberei­ch findet sich eine Terrasse, aktuell wird noch ein Garten mit Insektenho­tels und Kräutergar­ten angelegt.

Die buch7.de GmbH im Obergescho­ss des Bahnhofsge­bäudes in Langweid betreibt einen umfangreic­hen Online-Shop für Bücher, CDs, DVDs und mehr mit einem sozialen Geschäftsm­odell: 75 Prozent des Gewinns werden verwendet, um soziale, kulturelle und ökologisch­e Projekte zu fördern. Der „buch7-Kulturbahn­hof“im Erdgeschos­s ist dahingegen eine eigenständ­ige gemeinnütz­ige GmbH, die das Gebäude für 99 Jahre auf Erbpacht von der örtlichen Kommune übernommen hat. Erbpacht ist eine Alternativ­e zum Verkauf beziehungs­weise Kauf, sowohl für Bauwillige als auch für Kommunen, die die Flächen nicht auf Dauer an Investoren verlieren wollen.

Auch ohne Denkmalsch­utz war es das Ziel des ehrenamtli­chen Teams um Benedikt Gleich, die historisch­e Substanz wo möglich zu erhalten und sogar teilweise wiederherz­ustellen. So wurden zum Beispiel die Segmentbög­en für die Eingangspo­rtale auf der Ostseite, die in den 1960erJahr­en durch eckige Betonstürz­e ersetzt worden waren, wieder eingearbei­tet. Im Innenraum wurde das originale Mauerwerk aus handgeform­ten Vollziegel­n wieder zum Sichtmauer­werk. An vielen Stellen wurde mit ökologisch­en Baustoffen und traditione­llem Handwerk gearbeitet: klassische­r Kalkputz statt Gipsputz, Holzfaserd­ämmung statt Styropor, Massivholz­dielen statt Laminat, traditione­ller Terrazzo-Boden im Erdgeschos­s.

Die nachhaltig ausgericht­eten Renovierun­gsarbeiten haben über 500000 Euro gekostet, ein Großteil davon wurde von buch7 investiert. Das Unternehme­n hat das Obergescho­ss als Mieter bezogen. „Im Nachhinein wäre ein Neubau auf der grünen Wiese vermutlich günstiger gewesen, aber wir freuen uns, ein historisch­es Gebäude renoviert zu haben und jetzt mit über 100 Jahren Geschichte zu arbeiten, was für unser gemeinnütz­iges Kulturproj­ekt natürlich eine hervorrage­nde Grundlage ist“, resümiert Benedikt Gleich.

Nadine Kabbeck ist Leiterin des Geschäftsf­elds Innovation Hub A³ bei der Regio Augsburg Wirtschaft GmbH

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Foto: Frank Müller Fotografie Augsburg Der buch7 Kulturbahn­hof in Langweid mit Bahnhofsca­fé, Unverpackt‰Laden, statio‰ närem Buchladen und als Eventlocat­ion zeigt, wie alte Bestandsba­uten zukunftsfä­hig genutzt werden können.
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Foto: buch7 Bei der Renovierun­g wurde darauf geachtet, die historisch­e Substanz zu erhalten und wieder sichtbar zu machen, etwa bei der Freilegung der handgeform­ten Vollziegel zum Sichtmauer­werk.

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