Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Amateurtheater bangen um Zukunft
Die Laienbühnen können seit über einem Jahr keine Aufführungen mehr zeigen, dabei ist das Geld für Kostüme oder Rollenbücher längst ausgegeben. Doch die Finanzen sind nicht das einzige Problem. Nun sollen Brandbriefe helfen
Egal, bei welchem Augsburger Amateurtheater angefragt wird, überall ist die Auskunft die Gleiche: Die Fixkosten bleiben, nur Einnahmen sind keine in Sicht. Dabei denkt kein Besucher eines vergnüglichen Abends daran – ob nun im Pfarrsaal St. Elisabeth, im Roncallihaus, im Haus Augustinus oder im Hubertushof -, dass Saalmieten, Tantiemen beziehungsweise Rollenbücher, Werbung, Bühnenbild und Kostüme den Laienbühnen längst Kosten verursacht haben. Auch eine Laienbühne ist ein kleines Unternehmen und erfordert wirtschaftliches Denken.
Das seit 1911 bestehende Volkstheater Göggingen ist erstmals seit dem Dritten Reich wieder gezwungen, zu pausieren. Wegen der geltenden Abstands- und HygieneRegeln ist laut dem Vorsitzenden Willi-Gerd Sonner an Publikum nicht zu denken. „Wir bekämen nicht genügend Leute ins Roncallihaus rein“, sagt er, außerdem müsste mit Maske gespielt werden. Und eine Kuss-Szene mit Maske würde seiner Meinung nach zwar einen Lacher hervorrufen – aber bestimmt nicht an der gewünschten Stelle.
Nicht einmal das „Gespenst von Canterville“spukte mehr bei den Theaterleuten des TSV Firnhaberau. Nach der Generalprobe im vergangenen Jahr wurde es von einem mächtigeren, weil globalen Geist namens Corona ausgebremst. Laut Abteilungsleiterin Manuela Kiefl hätten „Die Bajuwaren“die sommerliche Biergarten-Aufführung in der Firnhaberau bestreiten sollen. Die Frau, die vor gut sechs Jahren die Aufgabe der SchauspielLeiterin beim TSV übernahm, probt mit ihren rund 50 Aktiven für gewöhnlich zwei Monate lang zweimal wöchentlich für ein Stück. Doch das muss gerade ebenso ausfallen wie die Abteilungsversammlung am ersten Montag eines Monats.
Sorgen machen sich die Abteilungsleiter aber vor allem darum, dass sie ihrer Mitglieder verlustig gehen könnten. „Wir haben eine große Kinder- und Jugendgruppe“, sagt Kiefl, „da muss man aufpassen, dass sie nicht abspringen.“Auch Sonner betont, dass es nicht selbstverständlich ist, dass die bisherige Besetzung nach einem Jahr Stillstand wieder verfügbar ist. Es sei schon in normalen Zeiten nicht einfach, Besetzung und Proben sowie Aufführungen zu terminieren.
Gerade erst habe er die Wunschtermine an die Kirchenstiftung St. Georg und Michael gegeben, um das Interesse des Gögginger Volkstheaters für den Saal im Roncallihaus für Herbst zu bekunden. Denn es dürfe nicht vergessen werden, dass dieser auch als Wahllokal für die Bundestagswahl im September herhalten wird. In der Hoffnung, dass sich die Corona-Situation entspannt, hat Sonner trotzdem gerade Termine für die laufende Spielzeit und die im kommenden Jahr 2022 reserviert.
Die Wiederaufnahme des Spielbetriebs steht aber für alle noch in den Sternen. So gut wie sicher sei, dass es im Frühjahr nicht mehr dazu kommen wird. Und selbst über den Herbst zu sprechen, empfindet Wolfgang Schwarzer, Vorsitzender der Augsburger Bühnenfreunde, als „zu hypothetisch“. Auch er ist mit seinen 30 Aktiven derzeit aus den bereits genannten Gründen zum Nichtstun verdammt. Sollte sich das nach Herdenimmunität und Durchimpfung ändern, würden die Bühnenfreunde seiner Auskunft nach das Stück „Der Haftlmacher“wieder aufgreifen. Denn das sei schon „bezahlt und durchgeprobt“.
„Der Frust wächst“, sagt Spielleiter Werner Ohnemus von der Theaterabteilung der Kolpingsfamilie Lechhausen. Die Geselligkeit fehlt nicht nur ihm. Er ist sich auch sicher, dass alle seine 25 Ensemblemitglieder lieber heute als morgen spielen würden. Als der Spielbetrieb im vergangenen Jahr eingestellt werden musste, war der Fasching gerade noch so über die Bühne gegangen. Die Auswahl eines neuen Theaterstücks habe er deshalb gar nicht mehr getroffen. Auch jetzt wartet Ohnemus lieber, weil die Auswahl eines Stoffes von zu vielen Faktoren abhängt. Unwägbarkeiten und das damit verbundene Risiko seien einfach zu groß.
Von „enttäuscht“bis „stinksauer“reichen die Gefühle des Präsidenten des Bayerischen Amateurtheater-Verbandes, Horst Rankl. Er habe in der Zwischenzeit schon 20 Bühnen, die mit ihren Beiträgen zwangspausieren müssen, weil sie finanziell nur noch ihre eingegangenen Verpflichtungen abwickeln können. Während Faschingsvereine sowie Heimat- und Volkstrachtenvereine immerhin noch einen Solidaritätszuschlag bekommen, fühlen sich die Amateurtheater im Freistaat unbeachtet. Wie sehr Rankl daran gelegen ist, dass auch die 700 Vereine mit 60.000 Aktiven über die „Corona-Runden“kommen, zeigen sieben Briefe an die Staatsregierung. Mittlerweile summieren sich die Verluste auf rund sechs Millionen Euro. Etwa 5000 Veranstaltungen konnten nicht stattfinden.
Zuletzt wandte sich der Verbandspräsident an CSU-Generalsekretär Markus Blume, um ihm zu verdeutlichen, wie schlecht es den Vereinen in all ihrer Bescheidenheit geht. Vor allem den finanziellen Aufwand für die Mieten bekämen sie gerne bezuschusst. Denn: „Wir können unsere Lager nicht einfach auflösen und unser Zeug auf die Straße stellen“, sagt Rankl.