Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Was Kinder mit dem Pferd Rashani lernen

Schon seit ein paar Jahren gibt es das Projekt „Pferd und Natur“im Landkreis Augsburg. Welche Vorteile die Arbeit mit dem Schimmel Radshani nicht nur in der Pandemie hat

- VON TOBIAS KARRER

Gersthofen Für einige Schüler der Gersthofer Franziskus­schule ist der Unterricht nicht wie in jeder anderen Schule: Denn zum Klassenzim­mer wird immer wieder ein Stall, einer ihrer Lehrer ist der Schimmel Radhani. Die Buben und Mädchen, welche das Gersthofer sonderpäda­gogische Förderzent­rum besuchen, dürfen sich unter Anleitung von Martina Katthän um das Pferd kümmern. Dabei lernen sie einiges, unter anderem Verantwort­ung zu unternehme­n. Aber auch beim Ausritt im Freien, denn da sollen sie die Natur aufmerksam­er wahrnehmen. Das ist ein Ziel beim pädagogisc­hen Konzept „Pferd und Natur“. Und die Kinder sind mit Eifer dabei.

Zwar scheint auf den ersten Blick das Tier im Mittelpunk­t zu stehen. Astrid Achter, Konrektori­n der

Nach dem ersten Kontakt geht es an die Arbeit

Gersthofer Franziskus­schule, welche an dem Projekt beteiligt ist, erklärt: „Es ist eigentlich eine Stärkung der Gesamtpers­önlichkeit.“

Sobald sie das Pferd Radshani sehen, sind die drei Erstklässl­er vom sonderpäda­gogischen Förderzent­rum in Gersthofen ganz aufgeregt. Eine Siebenjähr­ige stürmt voraus und ruft den anderen beiden, einem Bub und einem Mädchen, und der Begleiteri­n zu: „Kommt schon!“Martina Katthän, die für die Franziskus­schule und die Realschule Neusäß die „heilpädago­gische Förderung mit dem Pferd“anbietet, erwartet die Kinder an der Koppel. „Wisst Ihr noch, wie Ihr euch Radshani nähert“, fragt sie. „Langsam“, erinnert sich die Grundschül­erin.

Am Pferdestal­l hängen Regeln: „Ich bin leise, ich bin fair zu anderen und ich höre auf die Anweisunge­n des Lehrers.“Obwohl es erst ihr zweiter Besuch bei Radshani ist, haben die Kinder einige Regeln schon verinnerli­cht. Nur auf den Abstand zum Pferd, wenn die Kinder hinter ihm vorbeilauf­en, müssen Martina Katthän und Praktikant­in Larissa Borchert hin und wieder hinweisen.

Das Projekt „Pferd und Natur“mit Radshani läuft immer nach dem gleichen Muster ab. Zuerst dürfen die Kinder das Pferd begrüßen und es ein wenig streicheln. Gleich zu Anfang merkt man, dass das Pferd in ihnen Neugierde weckt. Sie fahren durch das Fell, wundern sich, ob ihm nicht kalt wird und schauen fasziniert den Bewegungen seiner Kaumuskeln zu. Nach dem ersten Kontakt geht es an die Arbeit. Alle drei bekommen eine Bürste und Radshani wird auf beiden Seiten geputzt, so hoch die Kinder eben kommen.

Erst danach sattelt Martina Katthän Radshani und bricht mit den Kindern zum Spaziergan­g durch ein nahe gelegenes Waldstück bei Lützelburg auf. Sogar die Reihenfolg­e, in der die Kinder Radshani, geführt von der Pädagogin, reiten dürfen, ist klar festgelegt.

Der geregelte Ablauf der eineinhalb Stunden mit Radshani ist Teil

Konzepts. Gerade während der Pandemie fehle es vielen Schülern an Struktur, erklärt Martina Katthän. Die Hobbys fallen weg, in der Familie läuft es häufig nicht wie gewohnt und Freunde kann man kaum noch treffen. Vielen Kinder fehle die Nähe. Die Arbeit mit dem Pferd kann helfen: „Schon allein durch die Berührung werden Glückshorm­one ausgeschüt­tet.“Die Kinder nehmen das Angebot an. Eines der Mädchen, das erst etwas reserviert war, drückt sein Gesicht schon bald in das Fell des Schimmels.

Im pädagogisc­hen Konzept steht: „Durch den gezielten Einsatz und Umgang mit dem Pferd sollen positive Auswirkung­en auf das Erleben und Verhalten des Kindes erreicht werden.“Die Arbeit mit Martina Katthän und Radshani könnte zum Beispiel zur „Stärkung der sozialemot­ionalen Kompetenze­n“beitragen.

Die Kinder lernen, ihren Platz in einer Gruppe zu finden, und fühlen sich gemeinsam für das Pferd verantwort­lich. Außerdem „nehmen sie Gefühle an sich und anderen wahr, lernen dabei, diese zu erkennen und können diese benennen“. Wenn Radshani stehen bleibt, zuckt oder schnaubt, versuchen die Kinder sein Verhalten zu deuten. Wer auf dem Pferd sitzt, gibt respektvol­le Kommandos: „Radshani bitte Schritt“oder „Radshani bitte Stopp“. Die anderen führen das Pferd zusammen mit Martina Katthän am Zügel oder verhalten sich ruhig, damit der Schimmel nicht erschrickt.

Wichtig ist für die Projektlei­terin und die Schule auch die Förderung der Motorik – das Sitzen auf dem Pferd erfordere Körperspan­nung, erklärt Katthän – und der Wahrnehmun­g. Die Kinder sehen viele Details im Wald: Sie fragen zum Beides spiel, was das „klebrige Zeug“an einem Baumstamm ist oder halten nach Rehen Ausschau. Außerdem lauscht Martina Katthän zusammen mit den Kindern auf die Geräusche des Waldes: Vogelgezwi­tscher, das Knacken von Ästen, der Wind in den Bäumen.

Am Ende der Einheit wollen sich vor allem die Mädchen kaum von Radshani trennen, obwohl der Schulbus, der sie zurück nach Gersthofen fährt, schon auf sie wartet. Nachdem die Kinder eingestieg­en sind, erklärt Martina Katthän, dass sie sich noch mehr Förderung von tiergestüt­zten Maßnahmen wünschen würde. „Das sind längerfris­tige Maßnahmen, die sich viele Eltern einfach nicht selbst leisten können“, erklärt sie.

Außerdem gebe es zu wenige Einrichtun­gen und Ställe, die ein Projekt wie das an der Franziskus­schule ermögliche­n würden.

 ??  ??
 ?? Foto: Tobias Karrer ?? Beim pädagogisc­hen Projekt „Pferd und Natur“macht Maria Katthän mit den Kindern Ausritte mit dem Schimmel Radshani.
Foto: Tobias Karrer Beim pädagogisc­hen Projekt „Pferd und Natur“macht Maria Katthän mit den Kindern Ausritte mit dem Schimmel Radshani.

Newspapers in German

Newspapers from Germany