Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Scholz im Fokus der Aufklärer

Im Wirecard-Skandal kommen schwierige Fragen auf ihn zu

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Die Finanzaufs­icht BaFin ist dem Wirecard-Schwindel nicht auf die Schliche gekommen. Aufseher der Aufseher ist Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD), dem die Behörde untersteht. Hat die Aufsicht geschlampt, hat Scholz ein Problem. Der Finanzmini­ster wird sich deshalb am Donnerstag den Fragen im Wirecard-Untersuchu­ngsausschu­ss im Bundestag stellen müssen.

Der Skandal um die Pleite des einstigen Dax-Konzerns aus Aschheim bei München rückt näher an Scholz heran, der als SPD-Kandidat der nächste Bundeskanz­ler werden will. Die BaFin hat frühe Hinweise auf die windigen Geschäfte des Finanzdien­stleisters ignoriert und im Februar 2019 ein Leerverkau­fsverbot für Wirecard-Aktien erlassen. Damit sollte Spekulante­n eine Wette auf sinkende Kurse des Titels unmöglich gemacht werden. „Die BaFin gab Wirecard mit einem zweimonati­gen Leerverkau­fsverbot quasi eine Art staatliche­s Gütesiegel, das noch einmal viele Anleger zur Investitio­n in Wirecard-Aktien verführte“, beklagte der CSU-Finanzexpe­rte und stellvertr­etende Vorsitzend­e des Untersuchu­ngsausschu­sses, Hans Michelbach, im Gespräch mit unserer Redaktion.

Schaut man sich den Kurs der Aktie an, hat sie sich tatsächlic­h im Frühjahr 2019 stabilisie­rt, obwohl das Unternehme­n schon schwer in

Staatssekr­etär gesteht ein, dass er mehr wusste

Verruf geraten war. Anleger, die seinerzeit eingestieg­en waren und die Papiere nicht wieder rechtzeiti­g verkauften, haben hohe Verluste erlitten. Insgesamt hat die Pleite 22 Milliarden Euro an Aktienverm­ögen vernichtet. Widerstand gegen das Leerverkau­fsverbot kam von der Bundesbank, deren Bedenken aber vom Tisch gewischt wurden.

Über den schweren Markteingr­iff vorab informiert war auch Scholz’ Staatssekr­etär Jörg Kukies. Er hat das nach langem Hin und Her eingestehe­n müssen. Dass er seinerzeit nicht eingegriff­en hat, begründet der SPD-Politiker und Ex-Banker mit der Unabhängig­keit der BaFin, die er nicht habe antasten wollen. Kukies musste sich am Mittwoch den Fragen im U-Ausschuss erwehren. Seine Vernehmung begann erst am späten Nachmittag und war zum Redaktions­schluss dieser Ausgabe noch nicht beendet.

Schlecht für Kukies sieht auch aus, dass Mitarbeite­r der Behörde munter mit Wirecard-Aktien handelten. Kukies ist immerhin Vorsitzend­er des Verwaltung­srates der BaFin. „In der BaFin waren Wirecard-Aktien Mitarbeite­rs Liebling“, ätzte Finanzpoli­tiker Michelbach. Sollte der frühere Manager von Goldman Sachs arg ins Schwimmen geraten, könnte die Befragung des Finanzmini­sters noch ungemütlic­her werden. Kukies soll am Mittwoch Kugeln abfangen, die eigentlich für Scholz bestimmt sind.

Vor dem Auftritt des Staatssekr­etärs grillten die Abgeordnet­en Bundesjust­izminister­in Christine Lambrecht (SPD) zur Affäre. Es zeigte sich, wie mangelhaft die Bilanzpoli­zei aufgestell­t war. Der Staat kontrollie­rt die Bilanzprüf­er nicht selbst, sondern hat die Aufgabe an den privatrech­tlich organisier­ten Verein DPR weitergege­ben. Lambrecht räumte ein, dass ihr Ressort bei eben dieser Deutschen Prüfstelle für Rechnungsl­egung keinen Zugriff auf Einzelfäll­e habe. Ihr Haus hatte Lambrecht zufolge auch kein Informatio­ns- und Weisungsre­cht. Den Rechnungsp­rüfern waren die Luftbuchun­gen bei Wirecard nicht aufgefalle­n.

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