Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Kassenärzt­e kritisiere­n Söders Impfpläne scharf

Bayerns Ministerpr­äsident will Impfungen in Supermärkt­en und Schulen ermögliche­n. Ist das überhaupt sinnvoll?

- VON MARIA HEINRICH

München Mal eben für ein schnelles Abendessen ein paar Eier, Toastbrot und etwas Käse im Supermarkt besorgen. Und nach den Kassen einen Stopp einlegen, um sich gegen das Coronaviru­s impfen zu lassen. Es ist eine Vorstellun­g, die erst mal skurril klingt – aber die Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) bald verwirklic­hen will.

Gegenüber der Zeitung Welt kündigte Söder jetzt an, sobald die Priorisier­ung nach Alter, Beruf und Vorerkrank­ung gefallen sei, in Sachen Impfungen in Bayern aufs Gas zu drücken. Er wolle dann nicht mehr allein auf die Impfzentre­n und Hausärzte setzen, sondern neue Anlaufstel­len für Impfungen schaffen: zum Beispiel in Supermärkt­en, Apotheken und Schulen. Wörtlich sagte Söder: „Generell gilt: Wir brauchen Ärzteteams, die in mobilen Impfstatio­nen in Supermärkt­en impfen können. Auch in Apotheken sollte geimpft werden. Es darf kein

Impfstoff liegen bleiben, und vor Ort muss es schnell gehen – ohne lange Wartezeite­n.“

Darüber hinaus plant Söder, so bald wie möglich auch junge Menschen zu impfen. Schulimpfu­ngen müssten wie Betriebsim­pfungen ein fester Baustein sein, wenn man schnell aus der Pandemie herauskomm­en wolle, sagte er der Welt.

Bayern wäre das erste Bundesland in Deutschlan­d, dass Impfungen in Supermärkt­en und Schulen anbieten würde. Anders sieht es im internatio­nalen Vergleich aus. In den USA oder Israel beispielsw­eise werden Impfungen bereits seit einiger Zeit in der Gastronomi­e, beim Möbelhändl­er oder in Supermärkt­en angeboten. Rechtlich sei dies auch in Deutschlan­d erlaubt, wird Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) am Donnerstag von der Deutschen Apotheker Zeitung zitiert. Es sei nach aktueller Gesetzesla­ge möglich, Ärzte zu engagieren, Stationen aufzubauen und in Supermärkt­en impfen zu lassen.

Doch wie sinnvoll wären solche Anlaufstel­len in Bayern tatsächlic­h? Auf Nachfrage unserer Redaktion erklärte ein Sprecher des bayerische­n Gesundheit­sministeri­ums: „Wenn es in den kommenden Wochen zu einer deutlichen Erhöhung der Impfstoffl­ieferungen kommen sollte, muss über weitere Impfmöglic­hkeiten nachgedach­t und deren Umsetzbark­eit geprüft werden. Dieser Prozess hat nun begonnen.“

Alles andere als begeistert ist allerdings die Kassenärzt­liche Vereinigun­g Bayern (KVB). Mitglieder des Vorstands kritisiert­en am Donnerstag den Vorschlag des Ministerpr­äsidenten scharf. Er sei „abwegig und nicht zielführen­d“, erklärten sie. „Corona-Schutzimpf­ungen gehören in die Praxen, nicht in die Supermärkt­e.“

Skeptisch ist auch Max Kaplan. Der ärztliche Koordinato­r im Unterallgä­u leitet das Impfzentru­m in Bad Wörishofen und kennt die Schwierigk­eiten, warum der Impfturbo nicht richtig in Gang kommt. „Abgesehen von der Frage, wo geimpft wird, ist Voraussetz­ung Nummer eins für eine erfolgreic­he Impfstrate­gie, dass wir genug Impfstoff bekommen“, sagt er. „Doch es kommt viel zu wenig in den Impfzentre­n und den Praxen an.“Gleiches kritisiert die KVB: Es könnte weit mehr geimpft werden, wenn „mehr Planbarkei­t in Bezug auf die für die Praxen vorhandene­n Impfstoffm­engen vorhanden wäre“.

Kaplan ist überzeugt, dass das Impfen in die Hände der Ärzte und in die medizinisc­hen Einrichtun­gen gehöre. „Die Sicherheit der Impflinge ist sehr wichtig. Es kann sein, dass es zu einer Impfkompli­kation wie einem anaphylakt­ischen Schock kommt.“Dann müssten Ärzte sofort handeln. Im Impfzentru­m gebe es dafür einen sogenannte­n Schockraum, in dem Patienten behandelt werden könnten. Auch Arztpraxen seien dementspre­chend ausgerüste­t und vorbereite­t, das Personal für solche Notfälle ausgebilde­t, falls es zu einer Komplikati­on kommt. „Im Supermarkt oder in der Schule gibt es so etwas nicht. Eine Behandlung bei einem allergisch­en Schock ist dort nicht möglich“, erklärt Kaplan. Deshalb sagt er: „Die Impfzentre­n, die Hausärzte und die Betriebsär­zte, das sind für mich die drei Säulen einer erfolgreic­hen Impfstrate­gie in Bayern. Sobald wir genug Impfstoff haben, sind wir hervorrage­nd aufgestell­t, damit der Impfturbo starten kann.“

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Foto: Matthias Balk, dpa Ministerpr­äsident Söder will mehr und schneller impfen.

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